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Bald 365 Tage Krieg: Wie steht es um die militärischen Kapazitäten Russlands und der Ukraine?

Kriegsschauplatz Ukraine: Wer hat die besseren Waffen und den längeren Atem?
Kriegsschauplatz Ukraine: Wer hat die besseren Waffen und den längeren Atem? Copyright AP Photo
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Von Euronews
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Wie steht es um die Waffenarsenale und Verteidigungskapazitäten beider Seiten fast ein Jahr nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine? Euronews hat zum Jahrestag des russischen Einmarsches Militärexperten befragt.

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WIe steht es um die Waffenarsenale und Verteidungskakapzitäten beider Seiten fast ein Jahr nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine? Euronews hat zum Jahrestag des russischen Angriffskrieges nachgefragt.

Genaue Zahlen und Informationen sind schwer zu bekommen. Bekannt ist aber, dass westliche Partner einige schwere Waffen an die Ukraine liefern und weitre Lieferungen zugesagt haben. Auf dem jüngsten Sondergipfel in Brüssel am 9. Februar bat Präsident Selenskyj um Kampfflugzeuge. 

Dies erfolgte nach der historischen Zusage Deutschlands, moderne Panzer zu liefern. Großbritannien und die USA tun dies ebenfalls. Auch aus Frankreich, Polen und anderen NATO-Mitglieder kommen Waffen, Munition und Kiregsgerät.

Die Frage die sich für Russland stellt:  Wird das Land in der Lage sein, genügend Waffen zu produzieren und zu kaufen, um seine laufende Aggression fortzusetzen beziehungsweise die besetzten Gebiete zu verteidigen?  

Und für die Ukraine:  Reichen die Kapazitäten, um die von Russland besetzten und annektierten Gebiete zurückzuerobern oder besteht die Hauptaufgabe heute im Widerstand gegen den russischen Vormarsch?

Andrew Matthews/PA
Selesnykj und Premierminister Rishi Sunak am 8. Februar 2023 in einer Militäreinrichtung in Lulworth, Dorset, England.LuAndrew Matthews/PA

"Die Ukraine ist abhängig von westlichen Lieferungen"

Nach Ansicht des in Israel lebenden Militärkommentators David Gendelman schränkt Russland seine Angriffe nicht ein. Im Gegenteil: Im Moment sei Russland bei den Waffen im Vorteil, vor allem bei der Rohr- und Strahlartillerie sowie in der Luftfahrt. Die russische Militärindustrie erlaubt es, mit der aktuellen Intensität  weiterzukämpfen. 

"Der russische Verbrauch an Artilleriemunition ist im Vergleich zum Frühjahr/Sommer deutlich zurückgegangen, das russische Tempo hat sich verlangsamt. Dennoch kommen die russischen Streitkräfte langsam, aber sicher voran. Es gibt Fortschritte, wenn auch langsam und in engen Frontabschnitten."

Die ukrainische Armee hingegen, unterstreicht der Miliärexperte, sei weitgehend von den westlichen Lieferungen moderner Waffen abhängig. "Die Hauptaufgabe der ukrainischen Streitkräfte ist im Moment die Verteidigung. An nennenswerte Gegenangriffe, die über lokale Gegenangriffe hinausgehen, kann man nur denken, wenn man erhebliche Mengen an westlichen Waffen erhält, die zwar versprochen, aber noch nicht geliefert wurden."

"Moskau versucht, seine unvermeidliche Niederlage hinauszuzögern"

In den Monaten nach der russischen Invasion sah die Welt schwere russische Verluste, Militärgerät, das beschädigt auf dem Schlachtfeld zurückgelassen wurde. Der Kreml schien auf die Realitäten eines direkten Kampfes in vollem Umfang nicht vorbereitet gewesen zu sein. Angeblich plante Moskau eine schnelle Annexion von Gebieten mit der Rosgvardia, den Truppen der Nationalgarde, die in den ersten Wochen der Invasion die territoriale und öffentliche Sicherheit vor Ort gewährleisten sollten.

Doch dazu kam es nicht. Und die verpatzte Offensive könnte den russischen Streitkräften dauerhaften Schaden zugefügt haben, dessen Behebung lange dauern wird, meint Pawel Luzin, ein in den USA ansässiger Experte für russische Außen- und Verteidigungspolitik.

"Es ist unmöglich, Russlands militärisches Potenzial wiederherzustellen. Die Armee war 2020-2021 auf dem Höhepunkt ihrer Stärke und wird dorthin nicht zurückkehren. Aber sie versucht dennoch, ihre Agonie zu verlängern. Beispiel IS: Ohne Flugzeuge und mit einem Minimum an Panzern und Artillerie konnte der Islamische Staat fast vier Jahre lang einer überlegenen internationalen Koalition widerstehen. Moskau versucht, seine unvermeidliche Niederlage hinauszuzögern."

Das braucht die Ukraine: Gepanzerte Fahrzeuge und Artillerie

Neil Melvin, Direktor für internationale Sicherheitsstudien am Royal United Services Institute (RUSI), ist der Ansicht, dass die Ukraine langsam die Kontrolle über die Situation gewinnt, insbesondere durch die Lieferung der modernen Waffen, die von den westlichen Partnern zur Verfügung gestellt werden:

"Der Krieg dauert eigentlich schon seit 2014 [und der russischen Annexion der Krim]. Zu Beginn dieser neuen Runde von Kämpfen (im Februar 2022) waren beide Seiten bereits gut ausgerüstet: Russland verfügte über ein umfassendes Spektrum an Fähigkeiten und die Ukraine über einige wichtige, aber in bestimmten Bereichen fehlte es an Schlüsselwaffen.

In der ersten Phase des Krieges, als es der Ukraine gelang, den russischen Angriff zunächst auf Kiew abzuwehren und dann den russischen Vormarsch durch Donezk schrittweise einzudämmen, wurde eine enorme Menge russischer Ausrüstung erbeutet und umfunktioniert.

Die Ukrainer haben die Kontrolle übernommen und viele dieser russischen Geräte, mit denen sie natürlich bestens vertraut sind, gewartet und aufgerüstet. Sie haben jetzt eine ziemlich gute Luftabwehr, die zu Beginn des Krieges wirklich sehr dünn war, hauptsächlich ein paar ziemlich alte sowjetische Systeme. Jetzt verfügem sie über einige der modernsten westlichen Systeme, mit denen sie die russischen Drohnen und Raketen recht effektiv abwehren können, auch wenn immer noch ein paar durchkommen.

Wie hat sich die Situation seit dem Ausbruch der Spannungen im Jahr 2014 entwickelt?

"Was wir jetzt sehen, ist ein Vorstoß, den Ukrainern moderne gepanzerte Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen und die Ukraine mit modernen Artillerie- und Raketentruppen auszustatten. Sie verfügen über ziemlich viel Artillerie. Tatsächlich wurde vor allem ab 2014 eine der größten Artilleriestreitkräfte in Europa aufgebaut.

Vier Monate nach dem Krieg, der Bombardierung von Mariupol und den Gräueltaten von Butscha kündigten die USA die Lieferung von HIMARS-Systemen mit großer Reichweite an, um die russischen Angriffe abzuwehren.

Mit diesen neuen Raketen können die ukrainischen Streitkräfte von ihren derzeitigen Linien aus die russischen Streitkräfte in fast der gesamten besetzten Ukraine treffen, nicht in den südlichen und östlichsten Teilen der Krim und nicht in den östlichsten Teilen der Region Donezk, aber überall sonst sind sie in Reichweite.

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Aber es fehlen immer noch die Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 km. Die Vereinigten Staaten lehnen Anfragen zur Lieferung dieser Raketen ab, und die Ukrainer haben keine modernen Kampfjets nach NATO-Standard. Sie verwenden immer noch russische Kampfflugzeuge aus der Sowjet-Ära. Es handelt sich im Wesentlichen noch um Technologie aus der Sowjetära."

Seit letztem Sommer haben Dutzende von Ländern der Ukraine Militärhilfe in Form von modernen Waffensystemen und finanzieller Unterstützung zukommen lassen. Die große Herausforderung laut Militärexperte Neil Melvin: All dies koordiniert einzusetzen, um zu versuchen, die russischen Linien in so genannten kombinierten Waffenoperationen zu durchbrechen. 

"Russland fehlt es an moderner Ausrüstung"

Auf russischer Seite haben sich die militärischen Kapazitäten ebenfalls weiterentwickelt, wenn auch nicht in gleichem Maße, so Melvin.

"Russland ist mit massiven Streitkräften in großer Zahl in den Krieg gezogen. Sie haben eine Menge Ausrüstung verloren. Sie haben viele Soldaten verloren. Aber sie haben den Winter genutzt, um ihre Streitkräfte einigermaßen wiederherzustellen.

Der Kreml hat seit September letzten Jahres 300.000 Mann mobilisiert, die jetzt im Einsatz sind. Sie haben eine Menge Ausrüstung aus der Sowjetzeit: Es gab riesige Lagerbestände, als die Sowjetunion zusammenbrach. Sie haben viele Artilleriegranaten, viele Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, nicht unbedingt die modernsten, aber in großer Zahl. Es ist unwahrscheinlich, dass ihnen diese Grundausrüstung ausgeht.

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Seit seiner Münchner Erklärung gegen die NATO-Erweiterung in Osteuropa im Jahr 2007 bedroht Präsident Putin den Westen mit russischen Militärinnovationen: 2018 wurde gar eine neue Geheimrakete vorgestellt, die angeblich das US-Territorium treffen kann. Diese neuen, hochmodernen Systeme sind jedoch im Krieg in der Ukraine nicht präsent, auch wenn das immer wieder behauptet wird. Sie bleiben weitgehend Labormodelle oder virtuelle Technologien, die nicht umgesetzt werden. Was den Russen fehlt, sind die fortschrittlicheren postsowjetischen Raketensysteme und modernen Panzerfahrzeuge", so Melvin.

"Ich denke, die Schlacht läuft im Wesentlichen darauf hinaus, dass Russland versuchen wird, seine überwältigenden Ressourcen, vor allem seine Heereskraft, zu nutzen, um die ukrainischen Linien zu durchbrechen, ohne dabei die verschiedenen Teile der Streitkräfte besonders raffiniert zu vernetzen."

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