Für Frankreich ist es ein historischer Tag. Zum ersten Mal seit mehr als 60 Jahren war ein Misstrauensvotum gegen einen Regierungschef in der französischen Nationalversammlung erfolgreich. Dass es für Barnier so kommen könnte, hatte sich schon vor drei Monaten abgezeichnet.
Wie am Donnerstag Nachmittag offiziell bestätigt wurde, hat Präsident Emmanuel Macron den Rücktrittsgesuch von Ministerpräsident Michel Barnier nach dem Misstrauensvotum angenommen. Gestern Abend hatte die Nationalversammlung Barniers Minderheitsregierung mit den Stimmen des linken Parteienspektrums und des rechten Rassemblement National zu Fall gebracht. Auslöser des Misstrauensvotums war ein Konflikt um den Haushalt. Barnier hatte Sparpläne vorgelegt, dafür aber keine Mehrheit gefunden.
Barnier bleibt nach einem Rücktritt geschäftsführend im Amt, bis Macron einen neuen Premierminister ernennt. Dies gilt aufgrund der Pattsituation im Parlament als schwierig. Eine Neuwahl des Parlaments ist gemäß der Verfassung erst im Sommer kommenden Jahres möglich. Am Abend will sich der Präsident in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung wenden.
Barnier fehlte in der Nationalversammlung die eigene Mehrheit. Deshalb wohl versuchte er die Abgeordneten in der Debatte vor der Abstimmung zum Misstrauensvotum daran zu erinnern, worum es ihm gegangen sei in den vergangenen Monaten: um Frankreichs finanzielle Stabilität - denn jährlich müsse der Staat mittlerweile allein 60 Milliarden Euro Zinsen bezahlen.
Diese Zinsen müssten alle Französinnen und Franzosen zahlen, so Barnier. Es seien 60 Milliarden, die beispielsweise bei der Verteidigung fehlten - und die ohne Zweifel eine Last für die Zukunft seien, wenn man nichts tue. Das sei die Realität, betonte er, auch wenn man sie nicht wahrhaben wolle - und diese Realität verschwinde auch nicht durch ein Misstrauensvotum.
In seiner Regierung war Barnier quasi eingekeilt zwischen dem rechtsextremen Rassemblement National mit Marine Le Pen auf der einen Seite, und dem linken Block, der sogenannten Neuen Volksfront aus Grünen, Sozialisten, Kommunisten und EU-Kritikern, auf der anderen Seite. Um seine politischen Vorhaben als Gesetze durchs Parlament zu bringen, brauchte Barnier also entweder von ganz rechts oder links Stimmen.