Der Sommer wird - wie der Frühling - trocken. Wenn die Pegelstände am Rhein sinken, verliert die Binnenschifffahrt an Fahrt. Das bremst auch die deutsche Wirtschaft aus.
Es soll zwar nur der viertwärmste Sommer aller Zeiten werden, so Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD), aber eins ist so gut wie sicher: Er wird Trockenheit mit sich bringen. Das laufende Jahr hat laut DWD bereits jetzt so wenig Niederschlag zu verzeichnen wie selten seit Beginn der Aufzeichnungen.
Der Rhein hatte bereits Mitte April extrem niedrige Pegelstände. Der Pegel der wichtigsten Wasserstraße Europas ist am Mittelrhein unter 80 Zentimeter gefallen. Schiffe, die Industriestandorte bedienen, mussten Teile ihrer Ladung abgeben, um weiterzufahren. Wird das auch die ohnehin schon stagnierende Wirtschaft in Deutschland ausbremsen?
Trocknet das Sommerwetter die Wirtschaft aus?
Der Sommer wird Prognosen des DWD zufolge rund 1,3 Grad wärmer als der Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre. Mit einem voraussichtlichen Temperaturdurchschnitt von ca. 18,9 Grad steuert Deutschland auf den viertwärmsten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen zu.
Viel Hitze bringt in Europa jedoch auch viel Trockenheit mit sich. Diese Faktoren haben erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Bleibt es dauerhaft trocken, dann könnten auch die Wasserpegel sinken - bei einem länger andauernden Pegelstand unter 75 Zentimenter am Rheinpegel bei Kaub - wo der Fluss besonders seicht ist - gerät die Binnenschifffahrt ins Stocken.
Die Binnenschifffahrt hatte 2023 einen Anteil von knapp fünf Prozent am Güterverkehr. Laut einem Reflexionspapier der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) verringert sich die Ladekapazität eines Schiffes um 75 Prozent, wenn der Pegelstand bei Kaub auf 75 Zentimeter absinkt.
Schon jetzt rechnen Verbände der Binnenschifffahrt mit Niedrigwasserperioden und treffen dementsprechend Vorkehrungen. "Insgesamt ist es eine angespannte Lage, weil wir natürlich jetzt auch mit der Niedrigwassersituation schon sehr früh im Jahr unterwegs sind. Alle schauen jetzt, was Richtung Sommer passieren wird", so Marcel Lohbeck, Geschäftsführer des Vereins für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen e.V. (VBW).
Die Bundesanstalt für Gewässerkunde misst regelmäßig die Pegelstände der wirtschaftlich befahrenen Flüsse. Zuletzt meldete sie "weiterhin Niedrigwasser an Bundeswasserstraßen". Dieser Trend setze sich nach bisherigen Aussichten auch in der 6-Wochen-Prognose fort. Je später, desto unsicherer die Prognose. Fest steht für Lohbeck, dass man auch im laufenden Jahr "stark regenabhängig" sein werde.
Der Rhein wird von Regenfällen genährt. Im laufenden Jahr fiel der Niederschlag bisher gering aus. Auch der milde Winter bringt wenig Schmelzwasser für den Wasserstand des Rheins mit. Diese Veränderungen der Schnee- und Eisschmelze bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Zuflüsse in den Rhein.
Durch die Prognosen der Pegelstände, die online abrufbar sind, können sich die Binnenschifffahrt und ihre Kunden jedoch darauf vorbereiten.
Notfallvorkehrungen für Niedrigwasser bereits jetzt getroffen
"Einzelne Schifffahrtsunternehmen, aber auch ein bis zwei Großkunden aus dem Stahlbereich und der Petrochemie melden, dass man jetzt auch Notfallvorkehrungen aufgrund der Niedrigwasserlage getroffen hat", erklärt VBW-Geschäftsführer Lohbeck.
Die Binnenschifffahrt leiste einen "unverzichtbaren Beitrag zur Versorgung der großen Industriestandorte, beispielsweise der Stahl-, Chemie- und Mineralölindustrie", erklärt auch der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB). Nach Angaben des BDB werden auch "große Mengen Baustoffe und Agrarrohstoffe sowie Fertigwaren in Containern aus den großen Seehäfen in das Inland transportiert."
Lösungen für die Niedrigwasserlage sind sogenannte Puffer-Lager oder zusätzlichen Schiffsraum in Time Charter zu nehmen. "Das heißt, man hat sich für bestimmte Perioden bestimmten Schiffsraum gesichert, den man dann abrufen kann, sodass man dann eben weniger Ladung auf mehr Schiffe verteilt", sagt Lohbeck. Würde der Rhein-Pegel bei Kaub auf 55 Zentimeter absinken, sind laut ZKR sechs Schiffe oder Fahrten erforderlich, um den Transport auszuführen".
Mit weniger Ladung haben Tanker weniger Tiefgang und können auch bei geringeren Pegelständen noch weiter fahren. Es sei zwar teurer, so Lohbeck, aber die notwendige Risikoprämie der aktuellen Zeit. Besonders Kunden in der Stahl- und Eisenindustrie, sowie die Belieferung von Steinen und Erden und darüber hinaus Mineralölunternehmen nutzen den Wasserweg.
Der Rhein ist eine der wichtigsten Verkehrsstrecken für schweren Güterverkehr. Um Kohle, Stahl und Steine zu transportieren, befahren Schiffe die Nord-Süd-Achse von der Nordsee bis nach Basel und andersherum.
Im Jahr 2023 war der Rhein der Wasserweg mit der größten Verkehrsleistung in Europa, so die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in ihrem jüngsten Jahresbericht. Deutschland und die Niederlande führen in Europa die Verkehrsleistung der Binnenschifffahrt mit rund 41.000 Millionen Tonnenkilometer an.
Niedrigwasser 2018: Verlust von 0,4 Prozent am BIP
Im vergangenen Jahrzehnt kam es mehrmals zu Niedrigwassern. An der Pegelstation Kaub am Mittelrhein war im Jahr 2018 an 107 Tagen der Pegelstand niedriger als der Durchschnitt der zehn vorherigen Jahre.
"Damals hielt das Niedrigwasser über mehrere Monate an. Eine ähnliche Situation, wenn auch von kürzerer Dauer, gab es 2022", so der BDB. Schiffe konnten nicht mehr die gesamte Frachtauslastung nutzen und mussten teilweise auf alternative Verkehrsträger wie die Bahn umsteigen.
Schiffe mit schwerer Fracht liefen Gefahr, auf Grund zu gehen. "Niedrigwasserperioden verringern daher nicht nur die Auslastung und den gesamten Güterverkehr auf den Binnenwasserstraßen, sondern führen auch zu höheren Kosten", erklärt das ZKR im Jahresbericht.
"Vor allem die chemische Industrie am Mittelrhein hat es ganz massiv getroffen", so Lohbeck zum Niedrigwasser 2018. Der Chemiekonzern BASF hatte "200 Millionen Euro Verluste durch dieses Niedrigwasser" zu verzeichnen. Das Kieler Institut berechnete, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr durch die Auswirkungen des Niedrigwassers um rund 0,4 Prozent gesunken sei.
Wie kann man die Schifffahrt an Trockenheit anpassen?
Eine Projektion, welche die Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserstraßen und Schifffahrt untersuchte, kurz KLIWAS, kam zu dem Schluss, dass die Wassermengen im Rhein bis 2050 ungefähr gleich bleiben werden. "Es wird sich aber überjährig anders verteilen", kommentiert Lohbeck. "Hoch- und Niedrigwasserphasen werden zunehmen. Dagegen muss man was tun."
Sowohl VDW als auch BDB erklären jedoch, dass Niedrigwasserphasen "natürliche Phänomene sind". Die Binnenschifffahrt sei daran gewohnt. "Zu größeren Einschränkungen kommt es erst, wenn es über einen langen Zeitraum extrem niedrige Pegelstände gibt, so wie es 2018 der Fall war", ergänzt der BDB.
Für Klimaresilienzmaßnahmen in der Binnenschifffahrt habe der Bund im vergangenen Haushalt drei Millionen Euro zur Verfügung gestellt, erklärt VBW-Geschäftsführer Lohbeck. Auf dieser Grundlage wurde untersucht, dass an 16 Stellen am Rhein, die besonders limitierend sind, Baumaßnahmen helfen könnten.
Es könnte beispielsweise "eine schmale Fahrspur im Grunde erzeugt werden, die es auch in Extremwassersituationen ermöglicht, dass Einbahnbetrieb stattfinden kann", so Lohbeck. Die Verbesserung von einigen Fahrrinnen ist teilweise im Bundesverkehrswegeplan 2030 verankert. "Durch Umsetzung des Projekts blieben Transporte per Binnenschiff auch bei Niedrigwasser besser plan- und durchführbar", erklärt der BDB.
Zudem wäre es möglich, Seitenarme des Rheins temporär zu stauen, um den Wasserpegel in der Hauptstraße zu erhöhen. Diese Maßnahmen seien laut VBW mit einem "relativ kleinen Umwelteffekt" verbunden. Was bisher fehle, sei laut Lohbeck ein Praxisversuch. "Die wesentliche Botschaft ist, wir können was tun, wir müssen was tun. Und das Ganze ist eben im Einklang von Ökologie und Ökonomie möglich."
2024 wurden auf den deutschen Wasserstraßen insgesamt 173,8 Millionen Tonnen Güter transportiert. Während die Kohlebeförderung im Jahr 2022 aufgrund der Auswirkungen der Energiekrise noch einen Aufwärtstrend verzeichnete, verschwanden diese Effekte in den Jahren 2023 und 2024. Die europäischen Seehäfen litten darüber hinaus unter der schwierigen, wenn auch sich verbessernden makroökonomischen Lage und dem geopolitischen Kontext.