Kritiker des Gesetzes sprechen von einem drohenden Schaden für das einzigartige Ökosystem am Baikalsee. Die russischen Behörden wollen Wissenschaftler in die Entscheidungsfindung einbeziehen und sprechen von einem Durchbruch im Naturschutz.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat ein umstrittenes Gesetz unterzeichnet, das die Abholzung der Wälder in der zentralen ökologischen Zone des Baikalsees erlaubt. Kritiker sehen einen Vorwand, nämlich die Renaturierung sowie die Änderung des Schutzstatus des Landes. Letzlich wird aber der Bau von Straßen und anderen Einrichtungen ermöglicht.
Abholzung im UNESCO-Welterbe
Der uralte Baikalsee befindet sich im südlichen Teil Ostsibiriens. Er ist der tiefste See der Erde und das größte Süßwasserreservoir mit einem einzigartigen natürlichen Ökosystem.
Im Jahr 1996 wurde der Baikalsee in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.
Das föderale Gesetz "Über den Schutz des Baikalsees" und andere Rechtsakte wurden geändert. Die neue Fassung des Gesetzes sieht Beschränkungen für bestimmte Arten von Aktivitäten in der zentralen ökologischen Zone des Baikalseeterritoriums vor. Das Gesetz tritt am 1. März 2026 in Kraft.
Die Abholzung von Wald ist verboten, eine Ausnahme gilt jedoch für "abgestorbene Wälder, die ihre umweltbildenden, wasserschützenden, sanitärhygienischen, gesundheitsfördernden und sonstigen nützlichen Funktionen verloren haben".
Kommission soll entscheiden, wo abgeholzt wird
Die Liste der zu rodenden Gebiete wird von der russischen Regierung auf der Grundlage eines Beschlusses der Kommission für den Schutz des Baikalsees und die sozioökonomische Entwicklung des Baikalgebiets festgelegt. Die Kommission wird sich aus Abgeordneten der Staatsduma, russischen Senatoren, Vertretern der Präsidialverwaltung der Russischen Föderation, der Regierung der Russischen Föderation, des Föderalen Sicherheitsdienstes Russlands sowie hohen Beamten der Region Irkutsk und der Republik Burjatien zusammensetzen.
Die Liste dieser Stätten wird nur dann berücksichtigt, wenn eine positive Stellungnahme der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAS) vorliegt. Die russischen Behörden sprechen von einem Durchbruch auf dem Gebiet des Naturschutzes.
Bremsende Umweltorganisationen mittlerweile "unerwünscht"
Der Gesetzentwurf wurde 2022 vorgeschlagen, seine Annahme wurde damals von Wissenschaftlern, Umweltschützern und öffentlichen Organisationen abgelehnt. Die Petition wurde von mehr als 100.000 Menschen unterzeichnet, woraufhin die Prüfung des Gesetzes ausgesetzt wurde.
Wie die Nowaja Gaseta feststellt, haben die russischen Behörden in der Zwischenzeit die großen Umweltorganisationen als unerwünscht anerkannt und einen anderen Namen für den Kahlschlag gefunden, indem sie das Konzept der "Wiederaufforstung" vorschlugen.
Fachleute sehen Geschäftsinteressen als Motivation
Experten sagen, dass der Wald in Ruhe gelassen werden sollte, und dass das Abholzen unter einem solchen Vorwand und die Bebauung von Flächen, die zuvor von Menschenhand unberührt waren, zur Störung des Ökosystems, zur Verschmutzung des Baikalsees, zur Bodenerosion und zur Zerstörung des Lebensraums von Tieren führen sowie die Gefahr von Waldbränden erhöhen.
"In diesem Gesetz über den Baikalsee geht es überhaupt nicht um Schutz: Es enthält kein einziges Wort über die Erholung des Sees, über seine Erhaltung. In diesem Gesetz geht es ums Geschäft, es wird die Landbesetzung in der Nähe des Sees legalisieren, das heißt, es wird die Gesetzlosigkeit legalisieren, deren Existenz nicht einmal von der Staatsanwaltschaft bestritten wird. Darum geht es in dem zweieinhalb Jahre andauernden Kampf.
Konzern will Hotelkomplex im Schutzgebiet bauen
Inzwischen ist der Baikalsee in die Liste des UNESCO-Weltnaturerbes aufgenommen worden. Das bedeutet, dass die Anforderungen der Umweltgesetzgebung in Bezug auf den Baikalsee viel strenger sein sollten als die Anforderungen für den Schutz anderer Gebiete", so der Leiter der Irkutsker Niederlassung der Allrussischen Gesellschaft für Naturschutz.
Vergangenes Jahr schlug die Cosmos Hotel Group, ein Mitglied der AFK Sistema, die aufgrund der militärischen Aggression Russlands in der Ukraine mit internationalen Sanktionen belegt ist, vor, auf dem noch bewaldeten Gebiet einen Hotelkomplex mit einem SPA zu bauen.