Mit dem Auto ist ein Mann in den Magdeburger Weihnachtsmarkt gefahren. Dabei wurden sechs Menschen getötet und mehr als 300 verletzt. Ein Jahr später soll Merz auf der Gedenkfeier am Abend sprechen.
Vor genau einem Jahr ist der Magdeburger Weihnachtsmarkt Schauplatz eines Anschlags geworden, der sechs Menschen das Leben gekostet hat und auch ein Jahr später noch den Alltag mehrerer Hundert Menschen prägt.
Am Samstag findet deshalb eine Gedenkfeier statt, zu der auch Bundeskanzler Friedrich Merz persönlich nach Magdeburg reist. Für den Nachmittag hat außerdem die örtliche Polizei weitreichende Verkehrssperrungen angekündigt. In einer Pressemitteilung der Polizeiinspektion Magdeburg heißt es, man wolle "einen geschützten Raum geben und einen sicheren Aufenthalt gewährleisten".
"Meine Gedanken sind bei den Opfern, Betroffenen und Hinterbliebenen", erklärt Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris im Hinblick auf den ersten Jahrestags. Deshalb habe die Stadt einen Gedenktag vorbereitet, "um an jene Menschen zu erinnern, die ihr Leben verloren haben oder körperlich und psychisch verletzt wurden".
Geplant ist außerdem einen Menschen-Lichter-Kette rund um den an diesem Tag geschlossenen Weihnachtsmarkt. Damit "möchten wir zeigen, dass Solidarität, Vielfalt und Respekt in Magdeburg gelebt werden und unsere Stadt zusammenhält. Ich wünsche mir, dass sich viele Magdeburgerinnen und Magdeburger an der Menschen-Lichter-Kette am Abend des 20. Dezembers beteiligen", erklärte Oberbürgermeisterin Borris.
"Die Amokfahrt vor einem Jahr hat den Magdeburger Weihnachtsmarkt in einen Ort des Grauens verwandelt", erklärt auch Dr. Stefanie Hubig, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz. "Die Brutalität dieser Tat und ihre Sinnlosigkeit verstören bis heute. Am ersten Jahrestag der Amokfahrt gedenken wir der Getöteten", sagt sie weiter.
Die Gedanken seien bei den Angehörigen und Verletzten, die noch immer mit den Folgen der Tat kämpfen. "Wir dürfen und wir werden die Opfer von Magdeburg nicht alleine lassen", schließt Hubig. Sie weist auf die Hilfe für Betroffene hin, 455 Menschen haben diese bereits in Anspruch genommen.
Medikamente und Therapie: Mehr als 450 Entschädigungsanträge
Das Land Sachsen-Anhalt hat seither mehr als 450 Entschädigungsanträge angenommen, wie das regionale Sozialministerium mitteilte. Die Überlebenden und Angehörigen von Opfern sollen so Hilfe erhalten, beispielsweise Medikamente, Psychotherapie und finanzielle Unterstützung.
So wurden bislang 146 psychotherapeutische Behandlungen in einer Traumaambulanz vermittelt. In 691 Fällen wurden Leistungen der Krankenbehandlung, zum Beispiel stationäre Aufenthalte, Psychotherapien oder Medikamente sowie 123 Leistungen zur Teilhabe gewährt. Die Bestattungskosten wurden in drei Fällen vom Bundesland übernommen, sechs Hinterbliebene erhielten Gelder.
In 56 Fällen wurde einen monatliche Entschädigungszahlung in Höhe von 434 Euro und in einem Fall von 868 Euro anerkannt. "Zeit heilt oft keine Wunden, körperliche und seelische Schäden des Anschlags können unter Umständen erst lange danach auftreten. Daher können Betroffene auch jetzt noch Anträge stellen", sagte Sozialministerin Petra Grimm-Benne.
Anspruch darauf haben Menschen, die Opfer einer Gewalttat im Inland geworden sind und bei der Verarbeitung physische, finanzielle oder psychische Unterstützung benötigen. Durch diesen Mechanismus soll den Menschen schnell und bedarfsgerecht geholfen werden.
20. Dezember 2024: Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vergangenes Jahr war kurz vor Weihnachten ein damals 50 Jahre alter Mann mit dem Auto über den Weihnachtsmarkt gefahren. Der Arzt aus Saudi-Arabien lebte seit 2006 in Deutschland und war als Psychiater tätig. Bei dem Anschlag wurden sechs Menschen getötet, darunter fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren und ein neunjähriger Junge. Mehr als 300 Personen wurden verletzt. Die Opfer kamen aus fast allen Bundesländern Deutschlands und aus dem Ausland.
Die Fahrt dauerte laut Generalstaatsanwaltschaft Naumburg eine Minute und vier Sekunden. Mit bis zu 48 km/h pro Stunde ist er zwischen Marktbuden unterwegs, Tempo 27 wurde als Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg hat Anklage erhoben. Der Vorwurf der 206 Seiten langen Anklageschrift lautet: Mord in sechs und versuchter Mord in 338 Fällen. Außerdem gehe es um gefährliche Körperverletzung und einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Dazu treten 180 Betroffene und Hinterbliebene als Nebenkläger auf, sie werden durch rund 40 Anwälte vertreten. Das Landesgericht Magdeburg hat für den Prozess knapp 50 Verhandlungstage bis März 2026 angesetzt.
Urteil noch offen: Angeklagter im Hungerstreik
Derzeit steht der Täter vor dem Landgericht Magdeburg. Er befindet sich allerdings seit einigen Wochen im Hungerstreik und gilt zu diesem Zeitpunkt als verhandlungsunfähig. Der Prozess wird nun ohne den Angeklagten fortgesetzt.
Nach Einschätzung des Vorsitzenden Richters Dirk Sternberg habe der Angeklagte die Verhandlungsunfähigkeit vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführt. Daher seien die rechtlichen Voraussetzungen einer Prozessfortsetzung gegeben.
Die Verteidigung ist damit nicht einverstanden und hat angekündigt, rechtlich dagegen vorzugehen. Eine Entscheidung werde dann vom Oberlandesgericht kommen.
Der Tatverdächtige Taleb al-Abdulmohsen habe in der Hauptverhandlung selbst angekündigt, seinen Hungerstreik instrumentalisieren zu wollen, so Richter Sternberg. Zu Beginn des 13. Verhandlungstages erklärte der Anstaltsarztes des Gefängnisses in Burg den Angeklagten als nur noch bedingt transportfähig und nicht mehr verhandlungsfähig. Es drohe ein akutes Nierenversagen, doch eine empfohlene Infusionstherapie habe Abdulmohsen abgelehnt.
Zuvor begründete der Angeklagte seine Tat mit gescheiterten Versuchen, die Auseinandersetzungen mit deutschen Behörden friedlich zu regeln. Er beschreibt sogar seine Emotionen, vielmehr fehlende Emotionen während der Tat im Gerichtssaal und erklärt, er habe keine Verletzungen wahrgenommen. Bereits 2023 habe der Angeklagte in einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Andeutungen auf die Tat gegeben.
al-Abdulmohsen entschuldigte sich nicht und zeigt auch keine Reue. Ein terroristisches Motiv wurde vom Generalbundesanwalt abgelehnt, der Beschuldigte soll "aus persönlicher Frustration" gehandelt haben. Er fiel außerdem dadurch auf, dass er seinen Laptop hochhielt, auf dem "Sept. 2026" zu lesen war, das Datum der kommenden Landtagswahl in Sachsen-Anhalt.
Sowohl die Kammer als auch ein psychiatrischer Sachverständiger konnten seit Prozessbeginn einen Eindruck des Angeklagten gewinnen, argumentierte der Vorsitzende Richter. Die Verhandlungen könnten dadurch nicht verzögert oder torpediert werden. Bis zum Urteil, das frühestens im März 2026 erwartet wird, gilt die Unschuldsvermutung.