Bundesbank-Präsident Weidmann: Harter "Brexit" riskant für City of London

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Bundesbankpräsident Jens Weidmann sieht bei einem “harten” EU-Ausstieg Großbritanniens keine Zukunft für die Banken der City of London in ihrer Scharnierfunktion zu den 27 verbleibenden…

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Bundesbankpräsident Jens Weidmann sieht bei einem “harten” EU-Ausstieg Großbritanniens keine Zukunft für die Banken der City of London in ihrer Scharnierfunktion zu den 27 verbleibenden EU-Mitgliedern.

Britische Finanzinstitute dürften automatisch ihre sogenannten Passporting Rights verlieren – das Recht, von London aus Finanzprodukte in ganz Europa zu verkaufen – sollte das Land nach dem Austritts-Votum nicht zumindest Teil des Europäischen Wirtschaftsraums bleiben, so Weidmann. Er ist auch Mitglied des EZB-Rates.

“Passporting Rechte sind an den Binnenmarkt gebunden und würden automatisch und aufhören zu gelten, so Weidmann in einem Interview mit der britischen Zeitung ""The Guardian""

Leaving the EEA in a hard #Brexit means losing passporting rights, warns German Bundesbank chief Jens Weidmann.
https://t.co/L8Qv2zlXEs

— John Kinsey (@KinseyEdf) 18. September 2016

Einige in London ansässige Institute dürften den Standort ihrer Zentrale nach dem “Brexit”-Votum überdenken, schätzt Weidmann – eine Massenbewegung, etwa nach Frankfurt, sehe er aber nicht.

Geldpolitik – Wagt Mario Draghi jetzt den nächsten Tabubruch? https://t.co/sqrSr15OWxpic.twitter.com/85tRVdDOHP

— Darl van Dijk (@Lastcombo) 18. August 2016

GELDPOLITIK UND STAATSHAUSHALTE

Der Geldpolitik im Euroraum bescheinigte Weidmann eine problematische Nähe zur Haushaltspolitik der Staaten. «Notenbankhandeln wird als Lösung für alle
möglichen Probleme gesehen, die weit über die Geldpolitik hinausgehen», so Weidmann gegenüber Medien («Süddeutsche Zeitung», «Le Monde», «La Stampa» und «Guardian»). Die Finanzkrise und das Zögern der Politik hätten ihn und seine Kollegen im Euroraum in diese neue Rolle gedrängt. «Im Ergebnis greifen wir immer tiefer in Einzelmärkte ein und haben heute eine problematische
Nähe zur Finanzpolitik.»

RISKANTE ULTRAKOCKERE GELDPOLITIK

Weidmann verwies erneut auf Risiken der ultralockeren Geldpolitik. Das Euro-System sei zum größten Gläubiger der Euro-Staaten geworden. Dabei schwächten die Niedrigzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) die Haushaltsdisziplin. Sparanreize
würden untergraben, eine ambitionierte Sparpolitik gebe es nur in sehr wenigen Ländern. Wenn die Zinsen wieder steigen, könnten die Schulden «möglicherweise nicht mehr tragfähig» sein.

GEGEN EZB ALS BANKENAUFSEHER

Die Doppelrolle der EZB als Bankenaufseher und als geldpolitische Instanz könne ein Hindernis für eine Abkehr vom Niedrigzins sein,
sagte Weidmann. Als Bankenaufseher könne sich der EZB-Rat möglicherweise schwer tun, «den Leitzins anzuheben, wenn ihm
Probleme, die Banken mit dem Zinsanstieg haben können, als Aufseher
auf die Füße fallen.» Deshalb sei eine klare Trennung beider Funktionen wünschenswert.

Dr. Klein: Zinskommentar Dr. Klein: Fortsetzung der lockeren Geldpolitik führt.. https://t.co/muU0yxkH1Tpic.twitter.com/E4UiJlAPxs

— presseportal.de (@na_presseportal) 15. September 2016

BUNDESBANK: NIEDRIGZINS NUTZT AKTIEN- UND IMMOBILIENBESITZERN

Die Europäische Zentralbank (EZB) enteignet
die Sparer und macht die Reichen reicher – sagen Kritiker der ultralockeren Geldpolitik. Ganz so einfach sind die Zusammenhänge
nicht – meint die Bundesbank und wirbt in ihrem jüngsten Monatsbericht für mehr Ausgewogenheit in der Beurteilung des Billiggeld-Kurses.

Fakt ist: Das viele Notenbank-Geld ist seit Jahren der Schmierstoff für die Börsen. Der deutsche Leitindex Dax etwa legte – allerdings
nach vorherigem Absturz in der Finanzkrise – seit November 2011 um weit über 60 Prozent zu.

Damals übernahm Mario Draghi die Führung der EZB – und seine überraschende Zinssenkung zum Amtsantritt sollte
nicht der letzte Paukenschlag des Italieners bleiben. Die Zinsen sind
inzwischen praktisch abgeschafft, mit Anleihenkäufen im großen Stil
verknappt die EZB zudem auf diesem Feld das Angebot.

Das Zinstief heizt die Preise an den
Immobilienmärkten an, weil «Betongold» so gefragt ist wie lange nicht und Kredite von der Bank kaum noch etwas kosten. Vor allem wer
Häuser, Wohnungen und Aktien besitzt, konnte also sein Nettovermögen – abzüglich von Schulden – in den vergangenen Jahren mehren.

KRITIK AM INFLATIONSZIEL

EZB-Präsident Mario Draghi ist überzeugt, eine Deflation im Euroraum verhindert zu haben – also eine Abwärtsspirale aus immer stärker schrumpfenden Preisen und wirtschaftlicher Talfahrt. Preisstabilität bei einer Inflation «unterhalb von, aber nahe bei 2,0
Prozent» – diesen Auftrag trägt die EZB wie ein Mantra vor sich her.

«Mittlerweile wird die Unzulänglichkeit der Inflationssteuerung immer deutlicher», kritisiert etwa Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. «Schließlich kann eine Notenbank die Inflation auf Sicht von ein bis zwei Jahren nur bedingt beeinflussen.» Vielmehr fache der Kampf gegen niedrige Inflation die Vermögenspreise an und begünstige das Entstehen von Preisblasen.

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su mit dpa, Reuters

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