Fast jeder trägt es in sich, auch wenn es bei manchem nie ausbricht: Das Virus, das die nervigen Lippenbläschen verursacht. Ein Forscherteam der UIC in Illinois (USA) hat herausgefunden, dass das Virus, wenn es durch die Nase ins Hirn gelangt, dauerhafte neurologische Störungen hervorruft.
Etwa 60–90 % der Bevölkerung in Deutschland tragen das Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1), in sich, das Virus, das für die Entwicklung der lästigen Lippenbläschen verantwortlich ist. Laut neueren Studien lag der Antikörpernachweis von HSV-1 bei Erwachsenen bei etwa 78 %.
Auch Europaweit ist HSV-1 bei Erwachsenen bei etwa drei Vierteln der Bevölkerung verbreitet, was ungefähr dem Anteil in Deutschland entspricht.
Im Vergleich zwischen Regionen zeigt sich ein Nord–Süd-Gefälle: Länder in Südeuropa und Osteuropa haben im Schnitt höhere Werte, nördliche Länder niedrigere.
Was die wenigsten wissen: Das Virus kann sich in seltenen Fällen bis ins Gehirn ausbreiten — und, wenn nicht schnell gehandelt wird, eine Entzündung hervorrufen, die zum Tod führen kann. Das Krankheitsbild heißt Herpes-simplex-Enzephalitis (HSVE).
Die gute Nachricht: Diese Art von Gehirnentzündung ist äußerst selten. Die weltweite Inzidenz liegt bei ca. 2–4 Fällen pro 1 Million Einwohner pro Jahr. Für Deutschland (mit ungefähr 84 Mio Einwohnern) entspricht das etwa 170–340 neuen Fällen pro Jahr.
Trotzdem: Falls das Virus von der Nase ins Hirn gelangt, bleibt es generell gefährlich.
Bleibende neurologische Störungen
Eine aktuelle neurowissenschaftliche Studie der Universität Illinois (UIC) zeigt nun, dass HSV-1, wenn es denn über die Nasenhöhle seinen Weg ins Gehirn findet, für schwere, dauerhafte neurologische Symptome verantwortlich ist: In Tierversuchen führte eine nasale HSV-1-Infektion zu anhaltenden neurologischen Störungen und kognitiven Beeinträchtigungen.
Die Forschung ist die erste, die zeigt, dass das Virus tatsächlich Verhaltenssymptome hervorrufen kann.
Die Studie stammt aus dem College of Medicine unter der Leitung von Deepak Shukla, Marion H. Schenk Esq. Professor für Ophthalmologie mit dem Schwerpunkt Forschung am alternden Auge sowie Professor für Mikrobiologie und Immunologie an der UIC. (Die Marion H. Schenk Esq. Professur ist eine angesehene, durch Spenden finanzierte Professur, die zugleich die Anerkennung zur Forschung auf diesem Gebiet signalisiert.)
In früheren Untersuchungen seines Labors wurde erforscht, wie das Virus Auge und Gehirn infizieren kann und so zu Blindheit, Enzephalitis und weiteren Erkrankungen führt. Die aktuelle Studie konzentrierte sich ausschließlich auf die intranasale Infektion, bei der das Virus über die Nase in den Körper gelangt und dadurch direkten Zugang zum Nervensystem erhält, berichtet das Fachmagazin Neuroscience News.
Virus gelangt zum Beispiel durch Tränen in den Nasenhöhle
"Wenn eine infizierte Person das Virus über Tränen ausscheidet, könnte es die Nasenhöhle erreichen und von dort direkt ins Gehirn gelangen", erklärt Shukla. "Wir glauben, dass diese Infektionen oft unterdiagnostiziert und zu wenig erforscht werden. Die neurologischen Folgen könnten deutlich schwerwiegender sein, als man es von Fieberbläschen oder Augeninfektionen gewohnt ist."
In ihren Tierversuchen stellten die Forschenden bereits wenige Tage nach der HSV-1-Infektion hohe Entzündungswerte und neuronale Schäden fest. Mehrere Monate später — entsprechend mehreren Jahrzehnten im menschlichen Leben — zeigten die infizierten Tiere schlechtere Ergebnisse bei Tests zur motorischen Koordination und zum Gedächtnis und zeigten im Vergleich zu Kontrolltieren ein stärker ausgeprägtes angstähnliches Verhalten.
"Es gibt definitiv Nervenschäden, wenn das Virus den intranasalen Weg nimmt, und die Auswirkungen sind langfristig, was alarmierend ist", betont Shukla.
Interessant: Die Forschenden beschäftigten sich außerdem mit Heparanase, einem zellulären Enzym, das die Gruppe bereits zuvor im Zusammenhang mit HSV-1-Reinfektionen und deren langfristigen Folgen untersucht hatte. Tiere, bei denen das Gen für Heparanase deaktiviert war, entwickelten nach der Infektion nicht die gleichen neurologischen Defizite wie die Kontrolltiere.
Heparanase wirkt wie ein "Aufschließwerkzeug", das HSV-1 benutzt, um die Zell- und Gewebebarrieren zu überwinden und ins Gehirn vorzudringen. Ohne die Aktivierung dieses Enzyms wäre der direkte Zugang ins Gehirn deutlich schwieriger.
Heparanase ist derzeit noch ein Forschungsziel für Virusinfektionen (und tatsächlich auch für Krebs). In Zukunft könnten Medikamente entwickelt werden, die dieses Enzym gezielt hemmen und damit eine Virusausbreitung oder Gewebeschädigungen verhindern.
Beruhigend, zu wissen: Der überwiegende Teil der mit HSV-1 Infizierten bleibt symptomfrei bzw. hat "nur" Lippen-/Mund-/Hautbefall.
Hier ist, für alle Fälle, eine Auflistung von Symptomen. Sollten Sie diese jemals bei sich bemerken, heißt es: Schnell handeln und sofort in eine Notaufnahme.
Frühe / allgemeine Symptome: Fieber, außergewöhnlich heftige Kopfschmerzen, Müdigkeit/Abgeschlagenheit, Übelkeit und Erbrechen
Neurologische Symptome: Verwirrtheit oder Desorientierung, Gedächtnisstörungen (besonders Kurzzeitgedächtnis), Sprachstörungen (z. B. Probleme beim Sprechen oder Verstehen), Krampfanfälle/epileptische Anfälle, Veränderungen im Bewusstsein (kann bis hin zu Koma führen)
Verhaltens- und Stimmungssymptome: Reizbarkeit oder Aggressivität, Angstzustände, Persönlichkeitsveränderungen
Seltene oder späte Symptome: Lähmungen einzelner Körperteile (wenn bestimmte Hirnregionen betroffen sind), Koordinationsstörungen oder Gleichgewichtsstörungen
Wichtig: HSVE entwickelt sich meist sehr schnell, innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen. Frühe Behandlung mit antiviralen Medikamenten (z. B. Aciclovir) ist entscheidend, um bleibende Schäden oder Todesfälle zu verhindern.
Grundsätzlich gilt: Immer möglichst auf ein starkes Immunsystem achten, denn ein HSV-1-Ausbruch erfolgt in der Regel, wenn die Abwehrkräfte schwächeln.