Sotheby’s schreibt in der Katalognotiz: Das Gemälde wirkt wie eine geisterhafte Meditation über die durchlässige Grenze zwischen Schlaf und Tod.
Ein eindringliches Selbstporträt von 1940 der berühmten mexikanischen Künstlerin Frida Kahlo wechselte am Donnerstag für 54,7 Millionen Dollar (47,4 Millionen Euro) den Besitzer. Es ist damit das teuerste Werk einer Künstlerin, das je bei einer Auktion verkauft wurde.
Das Gemälde, das Kahlo schlafend im Bett zeigt, trägt den Titel „El sueño (La cama)“, auf Englisch „The Dream (The Bed)“. Es übertraf den Rekord von Georgia O’Keeffes „Jimson Weed/White Flower No. 1“, das 2014 für 44,4 Millionen Dollar (38,5 Millionen Euro) verkauft wurde.
Auch Kahlos eigener Auktionsrekord für ein Werk eines lateinamerikanischen Künstlers fiel bei Sotheby’s in New York. Das Gemälde „Diego and I“ von 1949, das die Künstlerin und ihren Ehemann, den Muralisten Diego Rivera, zeigt, erzielte 2021 34,9 Millionen Dollar (30,2 Millionen Euro). Ihre Bilder sollen privat sogar für noch mehr verkauft worden sein.
Kahlo-Selbstporträt zuletzt in den neunziger Jahren öffentlich gezeigt
Das Selbstporträt zählt zu den wenigen Kahlo-Werken, die außerhalb Mexikos in Privatbesitz geblieben sind. In ihrem Heimatland ist ihr Œuvre zum künstlerischen Monument erklärt worden. Werke in öffentlichen wie privaten Sammlungen im Land dürfen weder ins Ausland verkauft noch zerstört werden.
Das Bild stammt aus einer Privatsammlung; der Eigentümer ist nicht bekannt und es ist rechtlich für den internationalen Verkauf zugelassen.
Einige Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker kritisieren den Verkauf aus kulturellen Gründen. Andere sorgen sich, das Bild, zuletzt Ende der neunziger Jahre öffentlich gezeigt, könnte nach der Auktion erneut aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwinden. Es wird bereits für kommende Ausstellungen in Städten wie New York, London und Brüssel angefragt.
Die Identität der Käuferin oder des Käufers wurde nicht bekannt gegeben.
„Eine gespenstische Meditation über die durchlässige Grenze zwischen Schlaf und Tod“
Das Bild zeigt Kahlo schlafend in einem hölzernen Bett im Kolonialstil, das in den Wolken schwebt. Sie ist in eine goldene Decke gehüllt und von rankenden Reben und Blättern umwoben. Über dem Bett liegt eine Skelettfigur, in Dynamit gewickelt.
Kahlo stellte sich selbst und die Ereignisse ihres Lebens leuchtend und ungeschönt dar. Ein Busunfall mit 18 stellte ihr Leben auf den Kopf. Sie begann im Krankenbett zu malen, ließ sich wegen ihrer beschädigten Wirbelsäule und ihres Beckens mehrfach schmerzhaft operieren und trug bis zu ihrem Tod 1954 im Alter von 47 Jahren Gipse.
In den Jahren, in denen sie ans Bett gefesselt war, sah sie es als Brücke zwischen den Welten. So setzte sie sich mit ihrer Sterblichkeit auseinander.
In der Katalognotiz schreibt Sotheby’s, das Gemälde biete „eine gespenstische Meditation über die durchlässige Grenze zwischen Schlaf und Tod“.
„Das schwebende Skelett wird oft als Visualisierung ihrer Angst gedeutet, im Schlaf zu sterben, eine allzu plausible Furcht bei einer Künstlerin, deren Alltag von chronischen Schmerzen und vergangenen Traumata geprägt war“, heißt es weiter.
„Eine der höchstgeschätzten Frauen“
Vor der Auktion würdigte ihre Großnichte, Mara Romeo Kahlo, in einem Interview mit der Associated Press in Mexiko-Stadt die Bedeutung des anstehenden Verkaufs.
„Ich bin sehr stolz, dass sie eine der höchstgeschätzten Frauen ist. Denn mal ehrlich: Welche Frau identifiziert sich nicht mit Frida, oder welcher Mensch?“, sagte sie. „Ich glaube, jeder trägt ein kleines Stück meiner Tante im Herzen.“
Das Gemälde war der Star einer Versteigerung mit mehr als hundert surrealistischen Werken von Künstlerinnen und Künstlern wie Salvador Dalí, René Magritte, Max Ernst und Dorothea Tanning.
Kahlo wehrte sich dagegen, als Surrealistin bezeichnet zu werden, eine Kunstrichtung, die Traumhaftes in den Mittelpunkt stellt und von einer Faszination für das Unbewusste lebt.
„Ich habe nie Träume gemalt“, sagte sie einmal. „Ich malte meine eigene Realität.“
Anfang der Woche wurde bei Sotheby’s ein Gemälde von Gustav Klimt für 236,4 Millionen Dollar (204,7 Millionen Euro) verkauft, das seiner jüdischen Porträtierten während des Holocaust das Leben rettete.
Klimts „Porträt von Elisabeth Lederer“ zählt damit zu den teuersten Kunstwerken, die je versteigert wurden. Teurer war nur Leonardo da Vincis „Salvator Mundi“ mit 450 Millionen Dollar (389,7 Millionen Euro), der Gesamtrekord und zugleich die Bestmarke unter männlichen Künstlern.