Vermittlung von Leiharbeitern: "Bessere Kontrolle und Betrug bestrafen"

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Von Euronews
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Wie Wanderarbeiter in Frankreich arbeiten und leben.

Nach Angaben der Europäischen Kommission gab es 2015 mehr als zwei Millionen Leiharbeiter in der EU. Ein heikles Thema: Bis zum 23. Oktober, dem Tag der Sitzung der europäischen Arbeitsminister, möchte insbesondere Frankreich eine Vereinbarung über die Überarbeitung der diesbezüglichen Entsenderichtlinie. Unsere Reporterin reiste in die Weinberge von Tourraine, um zu sehen, wie Leiharbeiter arbeiten und leben.

Für die Weinlese kommt der Bulgare Mladen bereits seit einigen Jahren – zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter. Nach drei Wochen Lese bleiben sie für weitere Arbeiten auf dem Weingut – ein Segen, sagt er:

“In Bulgarien gibt es sehr wenig zu verdienen, in Frankreich ist es besser.”

Euronews-Reporterin Valerie Gauriat: “Es ist besser?”

“Aber ja, wir haben zwei Töchter, die können dann in Bulgarien eine Ausbildung machen”, sagt der Bulgare. “Zum Studieren?”, fragt die Reporterin nach.

“Ja, wir arbeiten und verdienen unser Geld hier, und danach geht sie zurück nach Bulgarien zum Studieren. In Bulgarien gibt es nicht viel Möglichkeiten, Geld zu verdienen.”

Die Familie gehört zu den 12 Leiharbeitern, die Jacky Blot über eine bulgarische Vermittlungsfirma rekrutiert hat, um seine rund 100 Mann zählende Mannschaft zur Weinlese zu vervollständigen. Eine unumgängliche Lösung für den Winzer, um seine Tradition der Handlese und die Qualität seiner Weine zu sichern:

“Meine Reben ergeben 1000 Fässer, das sind 300.000 Flaschen, die auf die Lese warten, da darf man den richtigen Moment nicht verpassen. Vor zwei Tagen war es vielleicht zu früh, zwei Tage danach zu spät, man muss die Trauben pflücken, wenn sie reif sind. Es ist wirklich schwierig, genügend Arbeiter zu finden, um jede Parzelle im richtigen Moment abernten zu können. Unser Metier ist ein wirklich schwieriges Handwerk, harte Arbeit. Jahr für Jahr wird es schwieriger, dafür Leute vor Ort zu finden, man muss Arbeiter aus der Ferne suchen,” so Jacky Blot.

Leiharbeiter sind teurer als lokale Kräfte

Da Leiharbeiter teurer als französische Arbeiter sind, bleibt ihr Einsatz begrenzt:

“Ich bezahle der Vermittlungsagentur einen Stundenlohn von 18 Euro, ein französischer Erntehelfer kostet mich alle Nebenkosten inbegriffen ein bisschen unter 13 Euro die Stunde. Das sind 40 Euro pro Tag, die mich ein ausländischer Leiharbeiter mehr kostet. Ich beschäftige 12, das sind fast 500 Euro Mehrkosten pro Tag. Aber das liegt in meinem Interesse, denn dafür kann ich sicher sein, dass die Arbeit gemacht wird”, rechnet der Winzer vor.

Auch dieser Winzer hat früher den Dienst einer bulgarischen Arbeitsagentur genutzt. Jetzt nicht mehr. Neben Wanderarbeitern, die er leit langem kennt und beschäftigt, hat er zwei Bulgaren dauerhaft eingestellt. Wie Anatoliy, der einst als Leiharbeiter anfing, und jetzt seit sieben Jahren ohne Mittler direkt für den Winzer arbeitet:

“Hier verdiene ich 1200 Euro im Monat, sechs Mal mehr als in Bulgarien, das macht einen Unterschied”, sagt Anatoliy Todorov.

Form der modernen Sklaverei</h3)

Auch für seinen Arbeitgeber ist es sinnvoll, die Mitarbeiter an sich zu binden, denn Erntehelfer vor Ort sind schwer zu finden. Außerdem kann er so den Erhalt des kleinen Familienguts sichern und gegen die Praktiken bestimmter Vermittler, die die Regeln nicht einhalten, rebellieren:

“Bei dem System der Leiharbeiter gibt es eine Kommission für die, die die Arbeitsverträge organisieren und für die, die für Kost und Logis verantwortlich sind, was nicht immer gute Qualität bedeutet. Ein Teil des Lohns ist für die Finanzierung der Sozial- und Arbeitslosenversicherungssysteme in Bulgarien oder Rumänien gedacht, Beiträge, die nur selten einbezahlt werden. Es ist eine Form der modernen Sklaverei, die mich schockiert. Dabei möchte ich nicht mehr mitmachen. Meine Arbeiter sollen unter der französischen Gesetzgebung arbeiten. Ich will, dass die Bedingungen sowohl für sie wie für mich klar sind”, sagt der Winzer Nicolas Brunet.

Einige Kilometer weiter treffen wir die Bürgermeisterin des Dorfs Saint Martin le Beau. Die Europaabgeordnete betreibt einen großen Gemüseanbau. Da sie vor Ort nur schwer Arbeitskräfte findet, greift sie regelmäßig auf Leiharbeiter zurück.

“Es ist auf jeden Fall so, dass die Leiharbeiter, die seit der EU-Erweiterung hauptsächlich aus den östlichen Ländern kommen, aus ländlichen Gebieten stammen. Sie sind noch Feldarbeit gewohnt und eher bereit, diese Art von Arbeit zu akzeptieren. Aus meiner Sicht liegt der Knackpunkt an dem Mangel von Kontrollen in den Mitgliedsstaaten. Und da steht weder die Kommission noch das Parlament in der Pflicht, denn es obliegt jedem Mitgliedsstaat, die Richtlinien dieser Kontrollen in seine Gesetzgebung zu integrieren. Wenn also in Frankreich jemand betrügt, muss es Kontrollen geben und die Betrüger bestraft werden. So einfach ist das”, sagt Angélique Delahaye.

Sozialbetrug von Vermittlungsdiensten

Wir treffen Saisonarbeiter, die regelmäßig für das Unternehmen arbeiten, einige davon ohne Vermittler. Einer von ihnen, will ohne Namensnennung über die Praxis einer bulgarischen Vermittlungsagentur reden:

“Es gab Probleme mit dem Gehalt, den Stunden, dem Arbeitsvertrag und der Sozialversicherung. Ich bin deswegen schon zur Gewerbeaufsicht gegangen: Von acht Monaten Arbeit haben sie nur drei Monate Sozial- und Krankenversicherung bezahlt. Ich habe also fünf Monate schwarz gearbeitet”, sagt der Arbeiter.

Wir treffen Anatoliy auf dem Hof wieder, den er von seinem Arbeitgeber gemietet hat. Früher war er selbst Opfer dieser ausbeuterischen Arbeitspraktiken. Und er hört noch oft davon. Deshalb ziehen viele Arbeiter es vor, ohne Vermittlung zu arbeiten. Anatoliys Ziel ist es, für seine Frau, die nach vielen Zeitverträgen arbeitslos ist, eine feste Arbeitsstelle zu finden. Und die Mittel zu verdienen, um ihren Traum zu verwirklichen:

“Mein Sohn war zweieinhalb Jahre alt, als ich das erste Mal in Frankreich arbeitete. Als ich nach Bulgarien zurückkam, wollte er einen anderen Papa haben, denn er erkannte mich nicht wieder. Er wuchs acht Jahre ohne mich auf, ich war hier, er in Bulgarien. Das Wichtigste für mich ist jetzt unser Haus zu bauen, mit meiner Familie. Es wäre gut, wenn ich ein Haus in Frankreich bauen könnte, es wäre mein Haus. Und vielleicht könnten wir dann die Familie vergrößern, mal sehen…”, sagt er.

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