Nach Mladic-Urteil: Hoffnung auf Aussöhnung auf dem Balkan

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Von Stefan Grobe
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Im Mittelpunkt dieser Ausgabe von State of the Union steht das Berufungsurteil gegen den "Schlächter von Bosnien", Ratko Mladic. Dazu ein Interview mit UN-Chefankläger Serge Brammertz. Ausserdem: französische Ohrfeigen, Lukaschenkos Belarus und wilde Elefanten in China.

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Politiker leben gefährlich. Normalerweise sind sie gut beschützt, doch wenn sie in Kontakt mit der Öffentlichkeit kommen, in Wahlkampfzeiten etwa, dann können Dinge schon mal schief gehen. So geschehen diese Woche in einer Kleinstadt in Südfrankreich.

Präsident Emmanuel Macron bekam eine Ohrfeige, als er einige Bewohner begrüßen wollte. In Frankreich ist das bei weitem nicht der erste Zwischenfall dieser Art.

So wurde 2012 der Wahlkämpfer François Hollande mit einer Packung Mehl beworfen. Das gleiche passierte 2017 Premierminister François Fillon.

Emmanuel Macron spielte die Ohrfeige später herunter und sprach von einem isolierten und dummen Vorfall. Aber er sagte auch, dass physische Gewalt in der politischen Arena nichts zu suchen habe.

Der frühere serbische Militärchef mit dem Spitznamen “Schlächter von Bosnien” erfuhr diese Woche, dass sein Einspruch gegen seine Verurteilung für Kriegsverbrechen abgelehnt wurde. Das UN-Kriegsverbrechergericht schickte ihn also wieder lebenslänglich ins Gefängnis zurück.

Dazu unser Interview mit UN-Chefankläger Serge Brammertz.

Euronews: Hat Mladic irgendwelche emotionalen Reaktionen während der Urteilsverkündung gezeigt?

Brammertz: Brammertz: Er hat auf keine sichtbare Weise reagiert und gab sich so, wie während der meisten Zeit des Verfahrens.

Euronews: Hat er überhaupt einmal Reue gezeigt?

Brammertz: Absolut nicht. Er war genauso wie während des Krieges. Gegenüber den Opfern, die ein paar Meter entfernt auf der Besucherbank saßen, war er von oben herab und legte ihnen gegenüber eine aggressive Haltung an den Tag. Ich denke, den Mladic, den wir im Gerichtssaal gesehen haben, war genau der Mann, der einst Süßigkeiten an Kinder ausgab und gefangenen Soldaten wie Zivilisten sagte, sie würden wieder mit ihren Familien vereint, nur um sie anschließend brutal in Srebrenica hinrichten zu lassen.

Euronews: Sie haben die Opferfamilien erwähnt, können nach diesem Urteil die Spaltungen auf dem Balkan überwunden werden?

Brammertz: Das Urteil ist für Opfer und Überlebende extrem wichtig. Was die Aussöhnung betrifft, so sind wir davon heute noch weit entfernt. Das Leugnen des Völkermords, die Verherrlichung von Kriegsverbrechern finden wir allerorten.

Zu hoffen ist aber, dass die politisch Verantwortlichen die juristische Waffenruhe akzeptieren und Mladic nicht länger als Helden betrachten, sondern als das, was er ist, nämlich ein verurteilter Kriegsverbrecher. Wenn man der Aussöhnung eine Chance geben will, dann müssen zuvor die Kriegsverbrecher zur Verantwortung gezogen werden.

Euronews: Das Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien ist formal aufgelöst, waren sie mit seiner Arbeit zufrieden oder sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten?

Brammertz: Wenn wir zurückblicken seit 1993, so wurden 161 Personen angeklagt und 90 verurteilt. Ich denke, dass das Gericht nicht eine Menge erreicht hat, um Kriegsverbrecher im ehemaligen Jugoslawien zur Verantwortung zu ziehen.

Aber wissen Sie, dies ist nur ein Kapitel in dem Bemühen, so viel wie möglich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. 161 Fälle, wichtige Fälle wie Karadzic, Mladic und andere, aber allein in Sarajewo gibt es immer noch mehr als 500 Fälle mit mehr als 3000 Personen.

Während wir also auf internationaler Ebene ein wichtiges Kapitel fast geschlossen haben, so sind viele Fälle noch über viele Jahre hinaus offen. Tausende Opfer in Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina warten noch immer auf Gerechtigkeit.

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