Weihnachten mitten im Krieg: Ukrainische Flüchtlinge feiern fern von Familie und Heimat

Weihnachtsbaum in der ukrainischen Hauptstadt Kiew
Weihnachtsbaum in der ukrainischen Hauptstadt Kiew Copyright AP Photo/Vasilisa Stepanenko
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Von Lauren Chadwick, Alessio Dell'Anna und Estelle Nilsson-Julien
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"Der Krieg hat alles verändert": Ukrainische Flüchtlinge verbringen Weihnachten fern von Familie und Heimat

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Auch in der Weihnachtszeit fallen weiter russische Bomben auf die Ukraine. Viele Familien müssen die Festtage getrennt verbringen.

"Familie ist so wichtig"

Das gilt besonders für die Millionen von Menschen, die in diesem Jahr aus ihrer ukrainischen Heimat ins Ausland geflohen sind. Viele von ihnen mussten Familie und Verwandte in den Kriegsgebieten zurücklassen, so auch Anna Polukhina.

Die 37-Jährige ist vor Monaten aus Mariupol geflohen, das zum Symbol der russischen Zerstörung geworden ist. Inzwischen hat sie in Italien Unterschlupf gefunden.

Sie lebt in einem Flüchtlingszentrum in Mailand. Hier erzählt sie im Gespräch mit Euronews, wie schwierig es ist, Weihnachten zu feiern, während Teile der Familie an der Front sind oder in umkämpften Gebieten ausharren.

Das Haus ihrer Familie ist von russischen Bomben zerstört worden. Doch ihre Mutter lebt nach wie vor in der Ukraine. "Familie ist so wichtig. Alles, was zählt. Aber der Krieg hat alles verändert. Ich kann dieses Jahr zum Fest wohl nicht einmal mit meiner Familie telefonieren“, sagt sie. 

Es sei schwierig, die Verwandtschaft in Mariupol zu erreichen, das unter ständigen Stromausfällen leidet und nach wie vor von russischen Streitkräften besetzt ist.

"Es fällt mir sehr schwer. Ich möchte so gern die Stimme meiner Mutter hören, mit ihr sprechen", sagt Anna Polukhina.

Feststimmung im Flüchtlingsheim

Die Mitarbeitenden im Flüchlingszentrum tun ihr Bestes, um den Geflüchteten zumindest ein kleines Gefühl von Heimat zu geben. An Weihnachten wird ein großes Festessen aufgetischt, auch traditionelle ukrainische Gerichte stehen auf dem Menü.

"Sie haben zwei Weihnachtsbäume aufgestellt, die Deko ist wirklich schön", sagt Polukhina. "Vielleicht gibt es Überraschungen für uns und vor allem für die Kinder. Sie haben Wunschzettel an den Weihnachtsmann geschrieben, vielleicht gibt es ja Geschenke für uns alle."

Elisabeth Pulvas ist in einer ähnlichen Situation wie Anna. Für die 23-jährige Ukrainerin wird es das erste Weihnachten ohne ihre Familie in Kiew. Die junge Frau ist nach Ausbruch des Kriegs im Frühjahr nach Rumänien geflohen.

"Es fällt mir schwer, dass wir dieses Jahr nicht alle an einem Ort zusammenkommen können", sagt Pulvas. Sie erinnert sich an glücklichere Zeiten im vergangenen Jahr und ein großes Essen zum orthodoxen Weihnachtsfest im Januar mit all ihren Freunden. Zur Feier des Tages hatte sie zwölf Gerichte gekocht.

"Alle sagten zu mir: ‘Oh, du bist verrückt. Warum machst du dir so viel Mühe?’ Aber ich dachte, nein, ich will das machen", erzählt sie. Damals hätte sie noch nicht geahnt, wie sehr ihr schöne Erinnerungen wie diese heute in Kriegszeiten Kraft schenken würden.

Elizabeth Pulvas
Traditionelles Weihnachtsessen vor einem Jahr in der Ukraine.Elizabeth Pulvas

Weihnachten mitten im Krieg

"Das Schlimmste ist nicht, dass ich nicht bei meiner Familie sein kann. Sondern dass viele Menschen Weihnachten mitten im Krieg feiern müssen", sagt Elisabeth Pulvas.

Sie denkt an ihre 87-jährige Großmutter, die in der Ukraine geblieben ist und bei der wegen der Raketenangriffe ständig der Strom ausfällt. "Kein Wasser, keine Heizung… Für eine 87-jährige Frau ist das eine große Katastrophe. Niemand in der Ukraine wird ein richtiges Weihnachten erleben", sagt Pulvas nachdenklich.

In der Ukraine herrsche keine Weihnachtsstimmung, obwohl die Regierung versuche, die Menschen zumindest etwas aufzuheitern. Mehrere Städte wurden mit festlichen Dekorationen geschmückt.

In Charkiw steht in einer U-Bahn-Station ein Weihnachtsbaum. Auch in Kiew erklärte Bürgermeister Vitali Klitschko, die Russen würden der Ukraine Weihnachten nicht stehlen.

Zum jüdischen Lichterfest Chanukka wurde außerdem ein großer Siebenarmiger Leuchter im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt aufgestellt. Bis zum 26. Dezember wird jeden Tag ein neues Licht entzündet. Ein Funken der Hoffnung in einer Stadt, in der durch Russlands gezielte Angriffe auf das Energienetz tagtäglich das Licht ausgeht.

Das Beste aus den Feiertagen machen

Julia Matalinets hat ihre Heimatstadt Odessa vor zwei Monaten verlassen. Heute lebt die 32-Jährige in Großbritannien und freut sich darauf, das Weihnachtsfest mit ihrer Gastfamilie zu feiern.

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"Es ist das erste Mal, dass ich Weihnachten so weit weg von zu Hause verbringe, aber ich bin ja zum Glück von sehr lieben Menschen umgeben", sagt Matalinets.

"Ich bin weit weg von zu Hause und vermisse meine Familie natürlich. Es ist vielleicht noch zu früh, um das zu sagen, aber ich glaube, ich habe hier eine Art zweite Familie gefunden", fügt sie hinzu.

Sie ist gespannt darauf, die britischen Weihnachtstraditionen zu entdecken und gleichzeitig auch an Bräuchen aus ihrer Heimat festzuhalten, wie dem orthodoxen Weihnachtsfest am 7. Januar.

Sie will den Tag auch in ihrer neuen Heimat feiern und auch dieses Mal 12 traditionelle Gerichte aufzutischen – wie vor einem Jahr in der Ukraine.

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