Die Woche in Europa - Selenskyjs militärische Wunschliste

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seinem Besuch in Berlin am 14. Mai.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seinem Besuch in Berlin am 14. Mai. Copyright Markus Schreiber/Copyright 2023 The AP. All rights reserved
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Von Stefan Grobe
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Die ukrainische Regierung versucht, eine "Koalition der Kampfjets" zu bilden. Bisher unmöglich, doch nun eine realistische Chance. Unterdessen kommt die EU-Wirtschaft wieder auf Kurs.

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In dieser Woche kam es zu erneuten heftigen russischen Luftangriffen auf Kiew.

Doch zum ersten Mal konnten die Ukrainer nach eigenen Angaben mehrere hochmoderne Hyperschallraketen abschießen, die Moskau für unbezwingbar hielt.

Die russische Seite wies dies zurück.

Sollten sich die Behauptungen jedoch bestätigen, so wäre dies ein Beweis für die Wirksamkeit der neu installierten westlichen Luftabwehr der Ukraine.

Für Kiew ist das noch nicht genug. Auf einer Blitzreise durch die wichtigsten europäischen Hauptstädte versuchte Präsident Selenskyj, eine "Koalition der Kampfjets" zu schmieden, wie er es nannte.

Der Westen hat sich mit deren Lieferung bislang zurückgehalten, aber einige Länder signalisierten jetzt eine Kehrftwende.

Dies folgte der Zusage Deutschlands eines neuen Militärhilfepakets im Wert von 2,7 Milliarden Euro und weiterer Unterstützung.

Beim Gipfel des Europarats in Reykjavik sagte Budenskanzler Olaf Scholz: “Irgendwann wird Russlands Krieg gegen die Ukraine enden. Und eines ist sicher: Er wird nicht mit einem Sieg des Putins'schen Imperialismus enden. Denn wir werden die Ukraine so lange unterstützen, bis ein gerechter Frieden erreicht ist.”

Unterdessen scheint die EU den durch den russischen Krieg gegen die Ukraine ausgelösten wirtschaftlichen Sturm überstanden zu haben.

Diese Woche legte die Kommission eine recht positive Prognose vor: die Gefahr einer Rezession gebannt, das Wachstum wieder auf Kurs, rückläufige Inflation und der Arbeitsmarkt stark wie eh und je.

Aber, aber, aber: Die Kluft zwischen den Besitzenden und den Habenichtsen wird immer größer.

Darauf machte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni aufmerksam: "Die Prognosen zeigen bemerkenswerte Länderunterschiede bei den öffentlichen Finanzen, aber auch bei Wachstum und Inflation. Diese Divergenzen müssen beobachtet werden, damit sich sich nicht verfestigen."

Beispiel Verbraucherpreise: In Osteuropa ist die Inflationsrate mehr als doppelt so hoch wie in der Eurozone.

Zuständig für Osteuropa ist die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).

In ihrem jüngsten Ausblick, der diese Woche veröffentlicht wurde, äußerte sich die EBRD wesentlich zurückhaltender als die EU-Kommission.

Dazu ein Interview mit Beata Javorcik, der Chefvolkswirtin der EBRD.

Euronews: Ihre jüngste Prognose trägt den Titel "Gerade so hinkommen", was eigentlich eine Untertreibung ist, wenn man bedenkt, dass Sie die Wachstumsaussichten für dieses Jahr zurückschrauben. Was sind die Gründe dafür?

Javorcik: Nun, im Durchschnitt kommen die Haushalte gerade so über die Runden, aber die Situation ist in den verschiedenen Teilregionen, in denen wir tätig sind, sehr unterschiedlich. Am einen Ende des Spektrums, in Mitteleuropa und den baltischen Staaten, werden wir ein sehr schwieriges Jahr erleben, da es so gut wie kein Wachstum geben wird. Auf der anderen Seite wird Zentralasien eine starke Leistung zeigen, da es vom Zustrom von Kapital und Arbeitskräften aus Russland profitiert. Diese Region hat sich auch zu einem Zwischenhändler für Exporte aus Europa auf den russischen Markt entwickelt.

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Euronews: Die hohe Inflation bereitet den Verbrauchern nach wie vor große Sorgen, vor allem die privaten Haushalte bekommen sie zu spüren. Haben die Menschen finanzielle Puffer, um die Situation zu überstehen?

Javorcik: Unsere Befragungen haben gezeigt, dass die Haushalte ihre Ersparnisse aufgrund der Abfolge zweier Krisen - der Pandemie und des Krieges - aufgebraucht haben. Und die meisten Haushalte kommen gerade so über die Runden. Wenn aber ein Haushalt seine Haupteinkommensquelle verliert, würde das für die Mehrheit der Familien bedeuten, dass sie nicht mehr als einen Monat lang ihre Grundausgaben decken können.

Euronews: Für die Ukraine prognostizieren Sie für dieses und nächstes Jahr ein bescheidenes Wachstum - für ein Land, das sich im Krieg befindet, klingt das für mich überraschend robust...

Javorcik: Nun, lassen Sie mich das einordnen. Im vergangenen Jahr schrumpfte die Wirtschaft der Ukraine um fast ein Drittel. Wir gehen also im Wesentlichen davon aus, dass sich der Status quo fortsetzt. Es ist sehr schwer zu erkennen, woher das Wachstum kommen könnte. Acht Millionen Menschen sind im Ausland, sechs Millionen sind innerhalb der Ukraine vertrieben. Viele Menschen sind an den Kriegsanstrengungen beteiligt. Und die Investitionen decken nur noch den Notbedarf.

Euronews: Ich hoffe, es ist nicht alles düster - gibt es irgendwelche optimistischen Entwicklungen, von denen Sie uns berichten können?

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Javorcik: Nun, es gibt zwei optimistische Entwicklungen. Die eine ist die Neugestaltung der globalen Wertschöpfungsketten. Viele deutsche Unternehmen sind auf der Suche nach neuen Lieferanten, um die Widerstandsfähigkeit ihrer Lieferketten zu verbessern. Sie schauen nach Mitteleuropa, nach Osteuropa, in die weit gefasste europäische Nachbarschaft. Und zweitens ist das aufstrebende Europa viel begeisterter von der grünen Transformation, weil diese jetzt durch das Prisma der Energiesicherheit betrachtet wird. Und das ist gut für den Planeten und für uns alle.

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