Ist Frankreich weniger sicher als Ruanda und Bangladesch? Der neue Welt-Sicherheits-Index hat Fragen zur Sicherheit in Europa aufgeworfen.
Einem neuen Bericht zufolge fühlen sich die Menschen in Italien und Frankreich weniger sicher, wenn sie nachts allein unterwegs sind, als in Dutzenden anderen Ländern, darunter Irak, Ruanda und Bangladesch.
Tatsächlich findet sich in der Ausgabe 2025 des Global Safety Report nur ein einziges europäisches Land unter den Top 10 der Länder mit dem höchsten Sicherheitsempfinden: Norwegen (91 Prozent).
Dänemark und der Kosovo sind mit jeweils 89 Prozent die zweitbesten europäischen Länder und liegen weltweit auf Platz 11 bzw. 12.
Italiener fühlen sich in Europa am wenigsten sicher
Mit 60 Prozent ist das Sicherheitsempfinden der Italiener das niedrigste in Europa und das 95. in der Welt, hinter der vom Krieg geprägten Ukraine (62 Prozent), Nicaragua (63 Prozent), Mauretanien (64 Prozent) und Niger (67 Prozent).
Frankreich, das mit 73 Prozent auf Platz 56 rangiert, schneidet besser ab als Italien, liegt aber hinter ähnlichen europäischen Volkswirtschaften wie Spanien (81 Prozent), Deutschland (78 Prozent) und dem Vereinigten Königreich (76 Prozent) sowie hinter außereuropäischen Ländern wie Ägypten (82 Prozent), Bangladesch (74 Prozent) und Belize (74 Prozent).
Für den Gallup-Bericht wurden 145.170 Erwachsene im Alter von 15 Jahren und älter in 144 Ländern und Gebieten befragt.
Wie steht Europa im Vergleich zum Rest der Welt da?
Weltweit gaben 73 Prozent der Erwachsenen an, dass sie sich sicher fühlen, wenn sie nachts in der Stadt oder in der Gegend, in der sie leben, allein unterwegs sind.
Das ist der höchste Wert in den Gallup-Aufzeichnungen (die 2006 begannen) und ein Anstieg um 13 Prozent in den letzten zehn Jahren.
"Das Paradoxon ist frappierend", so die Forscher in ihrem Bericht. "Wir erleben derzeit mehr bewaffnete Konflikte als jemals zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. Und dennoch sagen laut Gallup mehr Menschen als je zuvor, dass sie sich in ihren Gemeinschaften sicher fühlen."
Die Weltregion mit dem höchsten Sicherheitsempfinden ist der asiatisch-pazifische Raum (79 Prozent).
Westeuropa folgt an zweiter Stelle (77 Prozent), vor dem Nahen Osten und Nordafrika (74 Prozent).
Sicherheitsempfinden: Post-sowjetisches Europa überholt fast Amerika
Mit einem Anstieg um 34 Prozentpunkte in den letzten zwei Jahrzehnten hat der ehemalige Sowjetblock mit 71 Prozent den größten Zuwachs in der Sicherheitswahrnehmung aller Makroregionen zu verzeichnen.
Wenn sich der Trend fortsetzt, könnten die Länder der ehemaligen UdSSR - ohne Russland - Nordamerika überholen, das derzeit bei 72 Prozent liegt.
Neben den afrikanischen Ländern südlich der Sahara ist Nordamerika die einzige Weltregion, in der das Sicherheitsempfinden seit 2006 zurückgegangen ist (-4 Prozent).
Die Region, in der sich die Menschen weltweit am wenigsten sicher fühlen, ist Lateinamerika und die Karibik (50 Prozent).
Geschlechtsspezifisches Gefälle: Viel mehr Frauen fühlen sich unsicher als Männer
Der Gallup-Bericht zeigt auch ein deutliches Geschlechtergefälle auf: Weltweit geben 32 Prozent der Frauen an, dass sie sich nicht sicher fühlen, gegenüber 21 Prozent der Männer.
Fünf der zehn Länder mit den größten Unterschieden zwischen den Geschlechtern in diesem Bereich sind EU-Mitgliedstaaten.
Auch hier schneidet Italien in Europa am schlechtesten ab, mit einem Unterschied von 32 Prozentpunkten zwischen dem Sicherheitsempfinden der italienischen Männer und dem der italienischen Frauen - 76 Prozent der Männer fühlen sich sicher, wenn sie nachts allein unterwegs sind, gegenüber 44 Prozent der Frauen.
In dem Bericht heißt es, dass 56 Prozent der vorsätzlichen Tötungsdelikte, bei denen das Opfer eine Frau oder ein Mädchen ist, von einem Intimpartner oder einem Familienmitglied verübt werden, verglichen mit 11 Prozent, wenn das Opfer ein Mann ist".
"Während Männer häufiger Opfer von tödlicher Gewalt in der Öffentlichkeit werden, liegen die Raten der gemeldeten nicht-tödlichen Gewalt zwischen den Geschlechtern viel näher beieinander", heißt es weiter.
Wahrnehmung und Realität: Welche Länder sehen sich besser - oder schlechter - als sie wirklich sind?
Ein geringes Sicherheitsempfinden bedeutet nicht immer, dass ein Land tatsächlich unsicher ist und umgekehrt.
Der Global Peace Index - der das Sicherheitsempfinden von Gallup zusammen mit anderen, pragmatischeren Daten wie Mordraten, Gewaltverbrechen, Zugang zu Schusswaffen, Terrorismus und politischer Instabilität berücksichtigt - zeichnet oft ein differenzierteres Bild.
In ganz Europa erweisen sich viele Länder als sicherer, als deren Einwohner glauben.
Deutschland zum Beispiel liegt im Global Peace Index weltweit auf Platz 20, aber nur auf Platz 34, wenn es um die Wahrnehmung der Bürger geht.
Auch die Italiener und die Briten scheinen ihr Sicherheitsniveau zu unterschätzen, denn zwischen der Wahrnehmung und der geschätzten Realität klafft eine Lücke von 62 bzw. 15 Positionen.
Frankreich hingegen neigt dazu, sich selbst als sicherer wahrzunehmen, als es sein könnte - nach eigener Einschätzung liegt es auf Platz 56, im Global Peace Index jedoch auf Platz 74.
Dennoch ist das Land sicherer als mehrere außereuropäische Länder, darunter das bereits erwähnte Ruanda (Platz 91) und Bangladesch (Platz 123).
Spanien scheint eine geerdete Wahrnehmung der Realität zu haben. Das Land belegt Platz 25 im Weltfriedensindex und Platz 29 in der Sicherheitswahrnehmungstabelle von Gallup.