Mikrokredite in Europa: Kleines Geld für große Ideen

Mikrokredite in Europa: Kleines Geld für große Ideen
Von Euronews
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Wie helfen uns Mikrokredite in Europa Großes zu vollbringen und Leben zu verändern? Und welche alternativen online Finanzmöglichkeiten gibt es?

Die Mikrokredite sind auf dem Vormarsch, auch in Europa, wo die traditionellen Banken lange die Vorherrschaft hatten. Was gibt es in dieser Welt der Mikrokredite? Was für Mikrokredite werden in Rumänien angeboten? Und welche Online-Kredite helfen Menschen und Firmen in Westeuropa, die keinen Zugang zu herkömmlichen Banken haben? Und können mit Mikrokrediten Stellen und Wachstum geschaffen werden?

Crash-Kurs: Sinn und Nutzen von Mikrokrediten

Mikrokredite waren einst vor allem ein Phänomen in Entwicklungsländern, doch auch hier in Europa können sie eine große Lücke füllen. Händler, kleine Geschäfte und Menschen mit wenig Einkommen sind auf Kleinkredite angewiesen.

Viktor war einst Teil des großen Bankkreislaufs. Er hatte ein Gehalt, Ersparnisse und dadurch Zugang zu Krediten. Viktor ist aus dem Kreislauf rausgeschmissen worden als er seinen Job verlor und anfing in der informellen Wirtschaft zu arbeiten. Er hatte weder einen Kredit noch Sicherheiten. Dennoch konnte er in den kleineren Kreislauf der Mikrofinanz-Institutionen gelangen. Sie vergeben Kleinkredite an Menschen mit niedrigem Einkommen.

Viktor konnte so einen Mikrokredit aufnehmen, um für Miete, ungeplante Ausgaben und Bildung aufzukommen. Und er konnte sich Geld ausleihen, um ein Geschäft aufzumachen. Doch die Mikrofinanz-Institutionen haben ihm nicht nur Geld geliehen, sondern er konnte durch sie auch Geld zurücklegen und Versicherungen abschließen. Der Mikrofinanz-Kreislauf hat Viktor geholfen, einen Zugang zur Finanzwelt zu haben, den ihm die traditionellen Banken verwehrten.

Mikrokredite in Rumänien: Geld und Ratschläge

Werfen wir einen Blick auf die Statistiken. 2013 wurden 1,5 Milliarden Euro im Rahmen der Mikrofinanz verliehen mit einem durchschnittlichen Kredit von 8500 Euro. Knapp 80 Prozent dieser Kredite wurden von Firmen aufgenommen und rund 20 Prozent von Privatpersonen – weniger als 2011.

Wood for cellos is expensive, but Rudolph was able to buy some thanks to his #microcredit#Romania#RealEconomypic.twitter.com/FL3R8nnhxj

— Guillaume Desjardins (@GuilDesjardins) 25. März 2016

In osteuropäischen Ländern wie Rumänien sind Mikrokredite für viele Menschen die Rettung. Die Kleinkredite haben sich weiterentwickelt, weil die Bürger jahrlang keinen Zugang zu herkömmlichen Banken hatten. Guillaume Desjardins hat sich das System angeschaut. Rudolf Florea ist ein begnadeter Cellobauer. Doch Talent allein reicht nicht aus, denn die Werkzeuge und das Holz, die er benötigt, sind teuer.
Mikrofinanzinstitutionen waren bereit, ihn zu unterstützen. Er nahm mit zwei Krediten insgesamt 13.700 Euro auf. Er erzählt: “Die anderen Banken verlangten sehr viele Papiere von uns. Wir hatten gerade erst angefangen. Wir hatten nicht genügend verkauft, um zu beweisen, dass wir das Geld zurückzahlen können. Mit unseren Verkäufen und dem Einkommen, das wir damals hatten, gab uns nur die FAER Stiftung eine Chance und einen Mikrokredit.”

2013 wurden in Rumänien 47.000 Mikrokredite vergeben. Rund 9000 wurden von Unternehmen aufgenommen. Es waren meist Kredite in Höhe von 7000 Euro. In Westeuropa gibt es ebenfalls Mikrokredite. Und die Kredite sind meist höher. Im Osten sind die Kredite kleiner, doch mehr Menschen können davon profitieren, und das macht für die reale Wirtschaft einen riesigen Unterschied.

Ioan Vlasa,Direktor der FAER-Stiftung erklärt: “Die Mikrokredite haben einen großen Einfluss. Dank dieser Kredite kommen die Menschen über die Runden. Sie kommen zurecht, sie können sich weiterentwickeln. Es dauert eine gewisse Zeit. Meistens fangen sie ganz klein an, aber Stück für Stück gelingt es ihnen, sich wirtschaftlich weiterzuentwickeln bis sie eines Tages kreditwürdig sind.”

Euronews-Journalist Guillaume Desjardins hat herausgefunden, dass die Mikrofinanz weit mehr als nur ein Kredit ist: “‘Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben.’ Das ist das Motto von vielen Mikrofinanz-Institutionen. Sie bieten ihren Kunden Weiterbildungen an, um sie bei ihrem Projekt zu begleiten.”

Dumitru Vlasa ist Milchbauer. Er hat im Laufe eines Jahres fünf Kredite bekommen. Er investierte das Geld in seinen Traktor und seinen Bauernhof. Er sagt: “Ich habe auch an den Kursen, die von der Stiftung angeboten werden, teilgenommen. Es wurden sogar Kurse hier in unserem Dorf organisiert. Mehrere Bauern haben hier an einem Kurs, der auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten war, teilgenommen. Die Weiterbildung war wirklich nützlich.”

Along with #Microcredit, Dumitru was able to attend training sessions to improve his project. #RealEconomypic.twitter.com/4CjEBICvPJ

— Guillaume Desjardins (@GuilDesjardins) 26. März 2016

Mikrofinanz allein wird nicht ausreichen, um die Wirtschaft in Osteuropa anzukurbeln, aber es ist ein Anfang.

Crowdlending: Ist der Internet-Kredit die Alternative?

Für kleine Unternehmen und Einzelpersonen ist es so schwierig geworden einen Kredit zu bekommen, dass immer mehr nach Alternativlösungen suchen. Die Banken und die Institutionen, die Mikrokredite anbieten, denken um. Die Technologie eröffnet neue Möglichkeiten für die Mikrofinanzierung wie Crowdfunding und Crowdlending. Aber die Summen, die dabei ins Spiel kommen, sind nicht mehr klein.

Wer sich in Westeuropa Geld leihen will, hat viele Möglichkeiten. Seit der Krise 2008 gibt es im Netz neue Leihmodelle. Sie haben den Kreditmarkt von Grund auf verändert. Diese alternativen Finanzdienste im Internet bieten Einzelpersonen an, in kleine Unternehmen wie La Petite Poissonnerie in London zu investieren. Nicolas versuchte vergeblich von seiner Bank einen Kredit zu bekommen, um sein kleines Geschäft zu vergrößern. Er wandte sich also an Funding Circle, eine Plattform für kleine und mittlere Unternehmen auf der sich Menschen untereinander Geld leihen. “Sie haben eine Lösung gefunden und innerhalb von ein oder zwei Wochen war das Geld auf meinem Bankkonto. Sie verlangen Zinsen, die ein wenig höher sind als die der Bank, aber in meinem Fall bringt die Bank mir nichts, denn sie wollte mir nicht helfen,” so Nicolas.

Einzelpersonen und Unternehmen leihen sich also gegenseitig Geld. Das System funktioniert mit einer großen Anzahl Menschen, die kleine Summen ausleihen. Dank der etwas höheren Zinsen lohnt es sich für sie. Robert Wardrop, Direktor des Cambridge Zentrums für alternative Finanzierung, erklärt: “Diese alternativen Programme bieten diesen Firmen eine Möglichkeit, Kapital zu bekommen. Es ist billiger, diese neuen Finanzierungsprogramme als die Banken zu betreiben, die eine traditionelle Infrastruktur haben.”

We're passionate about small #businesses. Find out how Funding Circle works here https://t.co/lDiY0wzq7ppic.twitter.com/npQcnQcK1a

— Funding Circle UK (@FundingCircleUK) 21. März 2016

Aber es gibt natürlich ein Risiko. Funding Circles unterliegt in Großbritannien gewissen Verbraucherschutzregeln. Kleine und mittlere Unternehmen, die zwischen 5000 und einer Million Euro ausleihen wollen, werden geprüft. David De Koning von Funding Circles sagt: “Die Firmen müssen mindestens zwei Jahre alt und gut etabliert sein. Wir haben ein Team, das den Antrag prüft und das Risiko einstuft. Die Risikostufe reicht von A bis E. Demnach werden die Zinsen ausgerechnet und erst dann landen die Firmen auf dem Markt. Investoren, Einzelpersonen, Institutionen oder sogar die britische Regierung, können diesen Firmen direkt Geld leihen.”

Robert Wardrop fügt hinzu: “Mikrofinanz-Institutionen haben in der Vergangenheit nicht sehr viel Technologie genutzt. Jetzt können sie dank der Technologie ihre Aktivität ausweiten und effizienter gestalten. Offline wäre das nicht möglich.” Innerhalb Europas gibt es in Großbritannien die meisten alternativen Finanzmöglichkeiten. Ein Gleichgewicht zwischen Innovation und Schutz, das könnte für die Mikrofinanz die Lösung sein. Geschäfte, wie das von Nicolas, würden davon profitieren.

EIF-Direktor: “Es gibt in Europa noch einen Finanzierungs-Bedarf von fünf bis sechs Milliarden.”

Das Europäische Mikrofinanz-Programm wird vom EaSI-Unterprogramm Mikrofinanzierung und soziales Unternehmertum abgelöst. Beide werden von dem Europäischen Investitionsfonds, EIF, gemanagt. Ich habe mich in Luxemburg mit Pier Luigi Gilibert, dem Direktor des EIF, getroffen.

Maithreyi Seetharaman:
“Was gibt es in Punkto Mikrofinanz in Europa für Angebote?”

Pier Luigi Gilibert:
“Der Markt hat sich durch die Krise 2007-2008 geändert. Viele Menschen, die keinen Job finden konnten, haben sich überlegt, sich selbstständig zu machen. Aber sie hatten keinen Zugang zu den Krediten der traditionellen Banken. Es ging danach nicht mehr nur um die soziale und wirtschaftliche Integration von Arbeitslosen, sondern auch um die Integration von UnternehmerInnen und morgen vielleicht um die von Einwanderern. Mikrokredite sind also ein sehr vielseitiges Werkzeug. Wir gehen davon aus, dass es in den 28 EU-Mitgliedsstaaten noch einen Bedarf von ungefähr fünf bis sechs Milliarden Euro gibt, der noch nicht befriedigt ist.”

Maithreyi Seetharaman:
“Könnten Gesetze und Föderungen von den EU-Mitgliedsstaaten den Wachstum der Mikrofinanz weiter ankurbeln?”

Pier Luigi Gilibert:
“Der Europäische Investitionsfonds und die Europäische Investitionsbank sind dort, wo der private Sektor aus verschiedenen Gründen nicht anwesend ist. Wir stellen das Startkapital zur Verfügung, damit dieser Sektor sich entwickeln kann und und wir ziehen uns zurück, wenn der private Sektor aktiv wird und das Ganze übernimmt. Es ist sehr teuer einen kleinen Kredit, unter 25.000 Euro zu vergeben, denn es gibt feste Kosten, die gleich hoch sind, unabhängig von der Höhe des Kredits.
Für eine Bank ist es also sinnvoller einen Kredit in Höhe von einer Million zu vergeben, der 1 Prozent kostet, denn einen Kleinkredit zu vergeben ist teuer. Die Banken sind also nicht daran interessiert, deswegen muss es öffentliche Unterstützung in West- und in Osteuropa geben.”

#tech & #Microfinance future chat w/ European Investment Fund CEO Pier Luigi Gilibert EIB</a> <a href="https://twitter.com/hashtag/realeconomy?src=hash">#realeconomy</a> <a href="https://twitter.com/euronews">euronewspic.twitter.com/EbtMYMwbN5

— Maithreyi (@maithreyi_s) 29. März 2016

Maithreyi Seetharaman:
Was bedeutet also das Anzapfen von Privatvermögen für kleine Geschäfte und für die Zukunft der Mikrofinanz? Ich habe diese Frage dem Direktor des Europäischen Investitionsfonds gestellt.

Pier Luigi Gilibert:
“Es gibt in der Tat Zeichen, dass Leihplattformen, Crowdfunding und direktes Geld eine größere Rolle spielen werden. Diesen Plattformen gelingt es, die Kosten zu senken, das ist die größte Schwierigkeit, wenn man versucht, diese Industrie autark zu machen.”

Maithreyi Seetharaman:
“Könnte es sein, dass wir die soziale Integration vernachlässigen, wenn wir die Finanztechnologie im Netz weiter vorantreiben?

Pier Luigi Gilibert:
“Ja, Sie haben recht. Es ist schwierig, eine selbstständige Mikrofinanzierungsindustrie ohne Beratung zu haben. Und dieser Teil wird nicht von diesen neuen FinTech Initiativen berücksichtigt.”

Maithreyi Seetharaman:
“Hat die Mikrofinanzbranche genügend dazugelernt, um Problemkredite und andere Risiken, die die kommerziellen Banken nicht eingehen wollen, zu vermeiden?”

Pier Luigi Gilibert:
“Ich glaube nicht, dass Problem- oder faule Kredite ein besonders großes Problem der Mikrofinanz sind. Das wichtigste Problem der Mikrofinanz sind die Bearbeitungs und Informationskosten, die erforderliche Sorgfalt, die Ueberwachung und das Problem der Preisgestaltung. Jede Innovation, durch die die Bearbeitungskosten gesenkt werden können, ist ein Anlass zur Freude.”

Looking for a micro-loan? Contact one of the EaSI intermediaries! https://t.co/kG6pz8xddM#EUFunds#microfinancepic.twitter.com/VZ6oQqhNAa

— EU Social (@EU_Social) 8. Februar 2016

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