360° Menschen zur Bundestagswahl: Passau - eine 2. Heimat auf Zeit?

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Von Carolin Kuter
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Ein Gespräch mit dem Afghanen Masih Rahimi in Passau

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Was beschäftigt die Menschen in Deutschland? Was wünschen sie sich von der Politik? In den Wochen vor der Bundestagswahl reisen wir mit einer 360°-Kamera durch die Republik und befragen sie. Bei allen neun Folgen arbeiten wir mit Regionalmedien zusammen, die für uns vor der Kamera die Interviews geführt haben. Die Protagonistinnen und Protagonisten erzählen uns, was ihre Sorgen, Hoffnungen und Wünsche sind. Unsere InterviewpartnerInnen haben unterschiedliche Berufe, sie stammen aus verschiedenen Regionen und haben ganz unterschiedliche Hintergründe.

Die erste von neun Folgen hat uns nach Passau geführt, wo wir mit der Passauer Neuen Presse zusammengearbeitet haben. Dort haben wir mit Masih Rahimi gesprochen. Der Afghane ist einer von mehreren Millionen Migranten in Deutschland, die nicht wählen können. Er ist vor vier Jahren nach Deutschland gekommen und hat in der bayerischen Kleinstadt mittlerweile eine zweite Heimat gefunden. Der 21-Jährige hat seine Mittlere Reife in Deutschland gemacht und macht eine Ausbildung zum Informatiker.

Korbinian Klinghardt, Redakteur Passauer Neue Presse: “Was bedeutet Passau für dich?”

Rahimi: “Als ich neu hierhergekommen bin, habe ich gedacht, Passau, das kann schwierig werden, weil ich in Afghanistan in einer großen, modernen Stadt gewohnt habe. Mit der Zeit habe ich gedacht, dass Passau eine schöne Stadt ist und man viel machen kann, das ist wirklich gut.”

"Die Menschen in Passau sind wirklich gut"

Klinghardt: “Was ist das Schönste, was du bisher in Passau oder Fürstenzell in deiner Zeit hier in Deutschland erlebt hast?”

Rahimi: “Ich habe viele schöne Dinge erlebt. Die Menschen hier sind nett. Die helfen uns, wenn jemand kein Deutsch sprechen kann, Unterricht zu bekommen. Wenn jemand zum Arzt muss, gehen sie mit und erklären dem Arzt die Krankheit. Die Menschen in Passau sind wirklich gut.”

Passau liegt an der Grenze zu Österreich und damit am Ende der Balkanroute. Im Sommer 2015 war die bayerische Kleinstadt eines der Haupteinfallstore für die Einwanderung nach Deutschland. Hunderte bis mehrere Tausend Menschen pro Tag kamen damals dort an. Mittlerweile sind es nur noch etwa 200 im Monat.

Sommer 2015: "Das war der Wahnsinn"

Rahimi lebte 2015 schon zwei Jahre in Passau und hat bei der Versorgung der Neuankömmlinge als Ehrenamtlicher geholfen. “Das war der Wahnsinn”, sagt er rückblickend. Deutschland stehe mit der Integration der Flüchtlinge eine große Aufgabe bevor. Zu den Diskussionen darüber, ob Afghanistan als sicheres Herkunftsland eingestuft werden sollte, sagt er nur: “Es wäre gut, wenn die Politiker, die das sagen, einen Tag in einer als sicher geltenden Stadt in Afghanistan verbringen würden.”

Wenn jemand fliehe, dann aus gutem Grund, so Rahimi aus eigener Erfahrung.

Klinghardt: Die CSU sagt, dass die Forderung nach einer Obergrenze zu ihrem Markenkern gehört. Wie geht es dir dabei, wenn du hörst, dass die Flüchtlingsaufnahme begrenzt werden soll?

Rahimi: “Die sagen vielleicht, dass es in Deutschland schon zu viele Flüchtlinge gibt, wir brauchen nicht mehr. Auf der einen Seite gebe ich zu, dass das stimmt. Aber auf der anderen Seite geht es nicht, dass sie sagen, die Flüchtlinge dürfen nicht mehr ins Land kommen, denn deren Leben sind in ihren Ländern in Gefahr.”

Bruder wurde von den Taliban erschossen

Der junge Afghane kam 2013 mit seinen Eltern und seinen zwei Geschwistern nach Bayern, erst nach München und dann in den Landkreis Passau. Zunächst wohnte die Familie in Fürstenzell, einem kleinen Ort neben Passau. Seit ein paar Wochen leben sie mitten in der Stadt.

Die Familie war aus Afghanistan geflohen, nach dem Masihs Brüder von den Taliban entführt worden waren. Einer der Brüder wurde von den Islamisten erschossen. Derjenige, der heute auch in Passau lebt, konnte fliehen. Er ist wie seine Eltern und die jüngere Schwester offiziell als Flüchtling anerkannt. Masih Rahimi wird nur geduldet. Die Behörden gehen davon aus, dass ihm keine Gefahr droht, da er damals nicht zusammen mit seinen beiden Brüdern entführt wurde. Er war nicht zu Hause, als die Taliban kamen. Dem 21-Jährigen droht damit nach dem Ende seiner Ausbildung 2018 die Abschiebung, wenn er keine Arbeit findet.

Klinghardt: Inwiefern beschäftigt dich das, denkst du schon darüber nach, dass es sein könnte, dass du keinen Job bekommst und nach Afghanistan zurück gehen musst?

Angst vor Abschiebung? "Für mich ist das Glas immer halb voll"

Rahimi: “Ich sehe immer die positive Seite. Ich sage mir, wenn die Firma mich nach meiner Ausbildung nicht als fester Mitarbeiter übernimmt, dann suche ich mir eine andere Firma, die mich einstellt. Für mich ist das Glas immer halb voll.”

Rahimi ist gut in Deutschland angekommen. Bevor er nach Bayern kam, hat er mit der Bundesrepublik vor allem eins verbunden: Fußball. Er hat bereits in Afghanistan gekickt und trainiert auch in Passau. Drei Mal die Woche spielt er in der 2. Herrenmannschaft des FC Fürstenzell.

Klinghardt: Hilft dir der Sport dabei, Freunde zu finden und die Sprache zu lernen?

Rahimi: “Ja klar, wir sprechen vor und nach dem Spiel oder bei Meetings. Nach dem Spiel gehen wir, wenn wir gewinnen, in ein Wirtshaus oder ins Vereinsheim.”

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Flüchtlinge in Passau: Wie wichtig ist das Thema im Wahlkampf?

Produziert von: Carolin Küter
in Zusammenarbeit mit Korbinian Klinghardt, Passauer Neue Presse
Schnitt: Julien Bonetti

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