EU-Kommissarin Elisa Ferreira: "Frisches Geld für den Green Deal"

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Von Oleksandra VakulinaSabine Sans
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Im euronews-Interview sprach die EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen über die Auswirkungen des ökologischen Wandels für die EU-Bürger.

Der europäische Green Deal soll Europas Markenzeichen werden. Das erklärte die neu EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits bei der Vorstellung ihres neuen Teams. Ziel ist, bis 2050 der erste "klimaneutrale" Kontinent der Erde zu werden. Der Geschäftsführende Vizepräsident der Kommission Frans Timmermans ist für den Green Deal und Klimaschutz zuständig. Es soll das erste europäische Klimagesetz erarbeiten. Diese Gesetzgebung muss die Verpflichtung des Blocks beinhalten, bis 2050 klimaneutral zu werden.

Das bedeutet, dass endlich alle Mitgliedstaaten das 2050er-Ziel einstimmig unterstützen. Polen ist das einzige EU-Land, das sich bei einem Gipfel im Dezember geweigert hat, das Klimaneutralitätsziel der EU zu unterschreiben. Mit der Begründung, es brauche mehr Garantien für die Finanzierung, bevor es dem neuen europäischen Ziel für 2050 zustimmen könne.

Die Unterstützung Polens soll mit dem neuen Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fund) und dem Mechanismus für einen gerechten Übergang (Just Transition Mechanism) erreicht werden. Das ist ein Finanzinstrument, das mit dem Kohlenstoffmarkt der EU verbunden ist und sich gerade an Länder wie Polen richtet. Mit ihm sollen die wirtschaftlichen, finanziellen und auch sozialen Folgen des Kohleausstiegs abgefedert werden.

Insgesamt will die Kommission im Rahmen des neuen Instruments, das einen Fonds von rund 30 Mrd. EUR umfassen wird, rund 100 Mrd. EUR mobilisieren.

Der Fonds wird nach den Regeln der Kohäsionspolitik verwaltet und wird Mittel aus dem langfristigen EU-Haushalt beziehen, über den noch verhandelt wird, einschließlich des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und des Europäischen Sozialfonds Plus.

Timmermans wurde mit der Koordination der Umsetzung beauftragt; der Fonds selbst wird aber von der für Regionalpolitik zuständigen Kommissarin Elisa Ferreira verwaltet.

Mir ihr sprach euronews-Reporterin Sasha Vakulina am 14. Januar - dem Tag, an dem der Gerechte Übergangsmechanismus im Straßburger EU-Parlament vorgestellt wurde.

Euronews-Reporterin Sasha Vakulina:
Der neue Fonds für einen gerechten Übergang ist ein wichtiges Finanzinstrument innerhalb des von der EU vorgestellten europäischen Green Deals. Was bedeutet das für die europäischen Bürger? Darüber spreche ich mit der EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen Elisa Ferreira. Vielen Dank, dass Sie hier sind.

Elisa Ferreira, EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen:
Vielen Dank.

Euronews:
Frau Kommissarin, können Sie mir erklären, warum der gerechte Übergangsfonds, warum dieses Instrument im Rahmen des gerade vorgestellten europäischen Green Deals so wichtig ist und natürlich in Bezug auf die Bemühungen der Europäischen Union um Kohlenstoffneutralität?

Elisa Ferreira, EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen:
Es ist ein entscheidendes Instrument, weil sich der Green Deal in bestimmten Regionen sehr stark auswirken wird, das ist sicher. Diese Regionen, die vollständig oder fast vollständig von der Kohle oder sehr kohlenstoffintensiven Industrien abhängen. Deshalb brauchen wir ein Instrument, das diesen Regionen hilft, den Übergang ohne große sozialwirtschaftliche Kosten zu schaffen. Der gerechte Übergangsfonds und der Mechanismus für einen gerechten Übergang werden also nicht das einzige Finanzinstrument für den Green Deal sein, sie (Fonds und Mechanismus) sind nur ein Teil davon.

Was ist neu am gerechten Übergangsfonds?

Euronews:
Was ist neu am gerechten Übergangsfonds? Dass er für die kohle-abhängigen Regionen gedacht ist?

Elisa Ferreira, EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen:
Ja, für kohle-abhängige Regionen und Regionen, die von Industrien abhängig sind, die viel Kohlenstoff und andere Gase ausstoßen, die wir reduzieren müssen. Die Basis ist also regional, sie ist darauf ausgerichtet, große Auswirkungen in ganz bestimmten Regionen abzufedern.

Euronews:
Schauen wir uns die Regionen an, um die es geht: Da gibt es Polen, ein Land, das sehr abhängig von der Kohle-Industrie ist. Und es gibt Deutschland, das auch sehr abhängig von der Kohle ist. Aber das Gesamtbild der wirtschaftlichen Entwicklung ist in den beiden Ländern sehr unterschiedlich.

Elisa Ferreira, EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen:Sie haben völlig Recht. Wir haben entschieden, kein Land völlig auszuschließen. Nicht alle Länder erhalten gleich viel Unterstützung. Denn es gibt ein Element in der Regionalpolitik - dieses Element ist der 'relative Wohlstand'. Was meine ich damit? Ein Land, das reich ist, das eine sehr nachhaltige und robuste Entwicklung, ein sehr hohes Entwicklungsniveau hat, ist eher in der Lage, diesen Übergang aus eigener Kraft zu bewältigen, als ein Land, das extrem schwach und das gleichzeitig mit vielen Entwicklungsproblemen konfrontiert ist. Das nennen wir das Element des 'relativen Wohlstands'. Und das wird berücksichtigt, wenn man berechnet, wie viel man den verschiedenen Mitgliedsstaaten für diesen Zweck zur Verfügung stellen wird. Kein Land wird also ausgeschlossen, aber natürlich wird ein Land, das ärmer ist, proportional mehr Geld für die Einführung dieses Übergangs bekommen.

Euronews:
Werden Instrumente wie die Kohäsionsförderung, der Kohäsionsfonds und der gerechte Übergangsfonds parallel eingesetzt?

Elisa Ferreira, EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen:
Der gerechte Übergangsfonds ist finanziell am wichtigsten. Er ist ein neues Instrument für neue Probleme. Dennoch ist er im sozialen Finanzrahmen verankert, dem Finanzrahmen für den sozialen Zusammenhalt, dem Finanzrahmen des Europäischen Sozialfonds, den das Land erhalten hat. Wie kann man den gerechten Übergangsfonds auslösen? Man muss sich die Regionen anschauen, um zu sehen, 'okay, was wollen sie hier tun'. Natürlich hängt die Auswahl der Regionen vom Dialog zwischen dem Mitgliedsstaat und der Kommission ab. Es ist also der Mitgliedsstaat, der die Region auswählt. Und wenn die Region ausgewählt ist, muss der Mitgliedsstaat - zusammen mit lokalen Akteuren - einen Plan erstellen und erklären, was die Bestandteile dieses Übergangsplans sind. Mit diesem Übergangsplan gibt es dann eine Reihe von Finanzinstrumenten, die einem Mitgliedsstaat helfen werden, diesen Übergang zu schaffen. Das ist sozusagen das "Startkapital", es ist frisches Geld, das aus dem gerechten Übergangsfonds kommt.

Die Mittel für den Übergang sind begrenzt

Euronews:
Es gibt Tausende und Hunderttausende von Arbeitsplätzen in der Kohleindustrie, die mit diesen Geldern erhalten werden. Die Menschen bekommen Hilfe und Unterstützung, um ihre Arbeit zu behalten, während andere Arbeitsplätze verschwinden. Während also einige Bürger unterstützt werden, könnten sich andere Sorgen darum machen, welche Auswirkungen dieses "frische Geld" auf sie hat.

Elisa Ferreira, EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen:Das frische Geld ist dafür gedacht, dieses spezielle Problem anzugehen.

Euronews:_
Kann das den Mittelzugang für andere EU-Bürger beschneiden?_

Elisa Ferreira, EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen:
Kein Mitgliedstaat kann seinen Regionalfonds oder seinen Sozialfonds in vollem Umfang für diese spezifischen Probleme einsetzen. Nein, es gibt eine Grenze, und diese Grenze liegt bei 20 Prozent.

Euronews:
Warum braucht man dieses Limit?

Elisa Ferreira, EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen:
Weil man sonst alle anderen Bedürfnisse des Landes vergessen würde. Um also die übermäßige Konzentration auf den Übergang zu vermeiden - diese Regionen haben ein Problem, aber andere Regionen haben andere Probleme. Es gibt Regionen, die sehr weit von allem entfernt sind, die sehr arm sind. Es gibt also all die anderen Probleme, die ein Land angehen muss. Für diesen speziellen Zweck kann man nicht mehr als 20 Prozent der Mittel einsetzen.

Die Kohäsionspolitik muss modernisiert werden

Euronews:
Genau darum dreht sich meine nächste Frage: Welche anderen Prioritäten und Herausforderungen sehen Sie neben der Umweltproblematik für die Kohäsionspolitik?

Elisa Ferreira, EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen:
Die Kohäsionspolitik verfolgt schon lange ihre eigenen Ziele. Es gibt Regionen, die Randgebiete sind, die unter Abwanderung von Menschen leiden, die überaltern. Es gibt Probleme in den Städten, es gibt Gebiete innerhalb der Städte, sogar von Großstädten, die Zonen der Ausgrenzung sind. Es gibt also eine ganze Reihe von Problemen, die man ebenfalls angehen muss. Man kann sich also nicht nur damit befassen. Aber wenn wir dieses Thema, den Green Deal, ernst nehmen - und wir nehmen ihn sehr ernst, wir brauchen eine ökologische Wende in Europa, dann muss auf jeden Fall der ganze EU-Haushalt ökologisch augerichtet werden. Also muss die übliche Kohäsionspolitik entsprechend dem Niveau der Regionen und ihrer Entwicklung diesen modernen Aspekt des Zusammenhalts berücksichtigen. Es gibt also keine alten und keine neuen Strategien. Die Kohäsionspolitik wird grüner, sie wird digitaler und, wenn möglich, integrativer. Man muss sie modernisieren und sie wird modernisiert.

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