Aleksandar Vučić: Unsere Beziehungen zu Russland und China sind unsere Sache

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Von Isabelle KumarSabine Sans
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Der serbische Präsident im Interview auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos.

Die Tür zur EU bleibt Serbien verschlossen. Es bleibt unklar, wann sie sich auftun könnte. Belgrad hofft weiter auf eine EU-Mitgliedschaft, stärkt aber auch die Beziehungen zu Russland. Zu Hause muss sich Präsident Aleksandar Vučić mit Protesten gegen Korruption und für Medienfreiheit auseinandersetzen.

Euronews-Reporterin Isabelle Kumar:
Über all diese Themen spreche ich in Davos mit Präsident Vučić . Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen.

Aleksandar Vučić, Präsident Serbiens:
Vielen Dank für die Einladung.

Andauernde Proteste in Serbien

Euronews:
In Serbien gibt es seit mehr als einem Jahr Proteste. Jetzt sind Sie hier. Das trägt nicht unbedingt zu Ihrem Ansehen hier bei, wenn Sie mit führenden Persönlichkeiten der Welt zusammentreffen. Was ist also Ihre Botschaft an die Staats- und Regierungschefs hier aus Davos?

Aleksandar Vučić:
Ich habe keine großen Probleme mit Protesten. Das ist eine demokratische Art und Weise, politische Positionen, politische Haltungen auszudrücken. Wir erlauben unseren politischen Gegnern seit mehr als einem Jahr, Proteste zu organisieren. Aber nach den jüngsten Umfragen sind unsere Werte gestiegen, ihre Zahlen sind sehr niedrig. Als Information für den Zuschauer: Es sind etwa 53 Prozent für uns und 8,5 für die Opposition.

Euronews:
Dieses Jahr wird es Parlamentswahlen geben.

Aleksandar Vučić:
Ende April wird es Parlamentswahlen geben. Das ist in Ordnung. Sie finden überall auf der Welt statt und es ist gut, dass es sie gibt, weil man dann immer die Chance hat, seine Politik an der Politik der anderen zu messen.

Euronews:
Aber Sie werden sich der Politik der anderen nicht stellen können, da die Opposition ankündigte, diese Wahl vielleicht zu boykottieren. Würde das nicht letztendlich diese Abstimmung diskreditieren?

Aleksandar Vučić:
_Nein, denn es wird sowieso eine große Wahlbeteiligung geben. Viel größer, als viele Leute vielleicht erwarten. Es ist ihr Recht: Ob sie die Wahlen boykottieren oder daran teilnehmen. Wir haben unser Bestes getan, um wirklich alle ihre Forderungen zu erfüllen, alle Forderungen der Europäischen Union, damit sie an den Wahlen teilnehmen können. Es liegt an ihnen.
_

Keine Medienfreiheit in Serbien?

Euronews:
Wird es unabhängige Beobachter geben? Ich denke an Transparency International, Freedom House. Bei denen Sie, Ihre Regierung, in den Umfragen abgerutscht sind. Die Ihnen - wie ich bereits sagte - eine Beschränkung der Medien vorwerfen. Und die behaupten, dass Sie versucht haben, zu viel Macht zu erlangen, Kapital aus Ihrer Position als Präsident zu ziehen, um die Macht im Griff zu behalten. Das ist undemokratisch.

Aleksandar Vučić:
Natürlich ist das undemokratisch. So verhalte ich mich auch nicht. Um bei der Wahrheit zu bleiben, wir haben viel getan, um die Wahlvoraussetzungen zu verbessern - vor allem in Bezug auf die Medien. Aber 90 Prozent der Serben nutzen soziale Netzwerke. Und in diesem Bereich gibt es keine Einschränkungen, keine Zwänge. Aber, wissen Sie, wenn man Politik oder Medien definiert, dann ist dabei das Wichtigste, dass man auch Verlieren können muss.

Euronews:
Aber freie Medien sind einer der Grundpfeiler der Demokratie, ebenso wie unabhängige Organisationen.

Aleksandar Vučić:
Sie sind einer der Pfeiler der Demokratie, aber sie haben nichts mit Politik zu tun. Und politische Inhalte sind wichtiger.

Euronews:
Sie werden Mitglieder der Trump-Regierung treffen - vor dem Hintergrund der Sorge um die zunehmende Instabilität in der Balkanregion. Was sind da Ihre Themen?

Aleksandar Vučić:
Ich werde mich bei ihnen bedanken. Denn sie haben zusammen mit uns einen Direktflug zwischen Belgrad und Pristina eingerichtet. Ich bedanke mich beim nationalen Sicherheitsberater der USA, Robert C. O'Brien, beim US-Gesandten für Serbien Richard Grenell, denn das haben wir gemeinsam gemacht.

Serbiens EU-Beitrittshoffnungen

Euronews:
Das Abkommen steht. Aber wann werden diese Flüge tatsächlich wieder aufgenommen?

Aleksandar Vučić:
Es geht nicht um eine Wiederaufnahme. Das wird meiner Meinung nach in den kommenden Monaten festgelegt.

Euronews:
Das ist der Schlüssel ihrer Beziehungen zum Kosovo. Und vor dem Hintergrund ihrer EU-Beitrittshoffnungen: Können Sie angesichts der Spannungen zwischen Ihren beiden Territorien realistischerweise auf eine Normalisierung der Beziehungen hoffen.

Aleksandar Vučić:
Serbien ist nicht sehr optimistisch. Aber wir blicken immer noch Richtung EU, weil wir keine wirkliche Alternative zu diesem Weg sehen. Und das ist viel wichtiger für das serbische Volk, für den serbischen Staat. Aber, wissen Sie, wir sind bereits seit 20 Jahren auf diesem Weg. Ich glaube, abgesehen von der Türkei hat kein einziges Land so viele Jahre gewartet.

Euronews:
Was meinen Sie, warum dauert das so lange?

Aleksandar Vučić:
Manche Leute sagen, es gab eine Menge außenpolitische Fehler. Aber ich würde Ihnen zustimmen, dass es vorallem an der Beziehungen zwischen Belgrad und Pistina liegt. Aber ich habe dieses Thema - auch heute - nicht nur mit Vertretern der EU, sondern auch mit Mike Pompeo besprochen. Und ich habe ihn gefragt: Ok, selbst wenn wir ein Abkommen mit Pristina aushandeln, wenn wir eine Lösung finden. Würde das für einen Beitritt zur Europäischen Union ausreichen oder nicht? Und keiner - weder die Vertreter der EU noch aus den USA - denn sie kooperieren sehr eng miteinander - konnten uns versichern, dass das für einen EU-Beitritt ausreichend wäre. Das bedeutet, dass wir die Entscheidung der Europäischen Union abwarten müssen, ob sie Serbien als Teil der Europäischen Union sehen wollen oder nicht.
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Serbien in der Warteschleife

Euronews: Laut Ihrer Aussage verlieren die Serben den Appetit auf die EU. Trifft das auch auf Sie zu, da Sie ja seit einigen Jahren in der Warteschleife hängen?

Aleksandar Vučić:
Wenn Sie mich persönlich fragen, ob ich über die Beziehungen zur EU und über das, was sie meinem Land in jüngster Zeit an Zugeständnissen machten, glücklich bin, kann ich Ihnen sagen, dass ich das nicht bin. Aber ich bin der Europäischen Union zutiefst dankbar, weil sie uns bei den schrecklichen Überschwemmungen 2014 sehr geholfen hat. Ich bin ihnen sehr dankbar, weil sie immer noch Reformen unterstützen. Sie haben unsere Finanzreformen, unsere Wirtschaftsreformen unterstützt. Und um Serbien in ein besseres Licht zu rücken: Serbiens Wirtschaft ist gut aufgestellt, unsere Wachstumsrate betrug im vergangenen Jahr 4,5 Prozent, dieses Jahr 4,1 Prozent. Wir haben das vierte Jahr in Folge einen Haushaltsüberschuss. Und wir sind mit Abstand die größte Wirtschaft des Westbalkans. Es geht uns immer besser und besser.

Euronews:
Ihre Beziehungen zu Russland haben sich verbessert. Aber es wird der Punkt kommen, an dem Sie sich tatsächlich entscheiden müssen, ob sie Richtung Moskau oder EU gehen. Sie sagen zwar immer, dass man sich mit beiden Seiten arrangieren kann. Aber eine EU-Mitgliedschaft erfordert eine außenpolitische Angleichung.

Aleksandar Vučić:
Wissen Sie, was Ihr Problem ist? Ihr Problem und das Problem der meisten westlichen Medien ist, dass sie in Schablonen denken: Serbien hat ein gutes Verhältnis zu Moskau. Ja, das haben wir und das werden wir weiter pflegen. Und um ehrlich zu sein, ich habe es satt, von all den anderen über unsere Zusammenarbeit mit China und Russland belehrt zu werden. Denn all die anderen treffen Xi Jinping und Wladimir Putin öfter als ich. Sie sollen ihre Arbeit als souveräne Staaten erledigen. Serbien ist ein souveräner Staat. Wir tun alles, was das Beste für unser Volk und für unser Land ist.

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