Wie 2005? Lage in Frankreichs Vorstädten explosiv

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Von Anelise BorgesAnja Bencze
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Seit Tagen kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei in Pariser Banlieues. Ein Hilferuf? Der Bericht von Euronews-Reporterin #AneliseBorges

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In Frankreichs Vorstädten schwelt ein neuer Konflikt. Besonders in den verarmten Banlieues der Hauptstadt kommt es seit Tagen zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Anwohner werfen den Sicherheitskräften Übergriffe unter dem Deckmantel der Coronakrise vor. Auslöser war ein Vorfall in Villeneuve-la-Garenne in der vergangenen Woche.

Euronews-Reporterin Anelise Borges berichtet vom Ort des Geschehens: "Genau an dieser Stelle wurde ein 30-jähriger Motorradfahrer von einer Zivilstreife angefahren. Augenzeugen zufolge hatten die Beamten absichtlich die Autotür geöffnet, um den Mann zu verletzen."

Von seinem Krankenhausbett aus bat der junge Mann um Deeskalation. Die Polizei hat bislang nicht auf die Anschuldigungen reagiert. Viele Bewohner der Cités unterstreichen, dass sie keine Gewalt wollen, aber es leid seien, eingeschüchtert und gedemütigt zu werden.

Bürger zweiter Klasse

Mohsen Troudi wohnt in Villeneuve-la-Garenne und berichtet, dass es viel mehr Vorfälle gab, als bislang bekannt ist. "Auf einen jungen Mann hier gleich nebenan, wurde 8 Mal geschossen, weil er sich weigerte, von der Polizei kontrolliert zu werden.

Wir wollen gleichberechtigt sein. Denn das ist Frankreich: Gleichheit und Brüderlichkeit. Aber wir haben nicht das Gefühl, gleichberechtigt behandelt zu werden. Wenn man aus einem Vorort kommt, und vor allem aus einem Vorort, der als Brennpunkt gilt, ist man ein Bürger zweiter Klasse. Und noch mehr, wenn man Araber, Schwarzer oder Muslim ist."

Frankreichs strikte Ausgangssperre hat die jahrzehntealten Spannungen in den einkommensschwachen Vororten neu entflammt. Das Leben dort ist komplizierter als zuvor. Vor den Lebensmittelbanken bilden sich immer längere Schlangen. Viele neue Familien, die sonst zurechtkamen, sind dabei.

Soziale- und Gesundheitskrise

Eine Mutter, die nicht will, dass man ihr Gesicht erkennt sagt: "Das schwierigste sind die Kinder, die sagen, Mama, ich will dies oder das. Man kann die Rechnungen nicht bezahlen."

Olivier Klein. Bürgermeister von Clichy-sous-Bois meint, man habe die Auswirkungen der Ausgehverbote unterschätzt. "In den Arbeitervierteln kommt zur Gesundheits- noch eine Sozialkrise hinzu.  Zu Hause zu bleiben und nicht mehr zu arbeiten, auch wenn es nur ein Billiglohnjob ist, verschärft die Schwierigkeiten."

Ein junger Mann, der die Spannungen in seinem Vorort gefilmt und uns das Video für diesen Bericht zur Verfügung gestellt hat, befürchtet, dass die wirtschaftliche Verschärfung und das fehlende Vertrauen in die Polizei das Fass zum Überlaufen bringen könnten.

Ein Hilferuf an den Präsidenten

"Für mich sind das keine Ausschreitungen nur um der Ausschreitungen willen. Es ist ein Hilferuf, an die Regierung, an den Staat, an den Präsidenten. Es ist vielleicht nicht der beste Weg, aber es ist der einzige Weg für viele hier, sich Gehör zu verschaffen."

Manche befürchten, dass es zu ähnlichen Unruhen wie 2005 kommen könnte. Oder gar noch schlimmer.

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