Wochenrückblick: Eine neue Regierung und Vorfreude bei Macron

Der neue deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz
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Von Euronews
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Olaf Scholz ist seit Mittwoch neuer deutscher Bundeskanzler. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stellt seine ehrgeizigen Pläne für die EU-Ratspräsidentschaft vor.

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An diesem Mittwoch hat Olaf Scholz im deutschen Bundestag seinen Amtseid abgelegt und ist damit neuer deutscher Bundeskanzler. Er löst Angela Merkel ab, die nach 16 Jahren an der Spitze der Regierung zurücktrat.

Die neue Regierung wird als ein neues politisches Experiment gesehen: Die drei Koalitionsparteien – SPD, Grüne und FDP – haben noch nie gemeinsam auf Bundesebene regiert.

Und ein ganzes Bündel Fragen drängt sich auf. Etwa das Verhältnis zu Russland oder der Kampf gegen die Pandemie könnten das Bündnis sofort auf die Probe stellen.

Deutschland ist keine abgelegene Insel. Weder sind wir autark, noch wollen wir es sein.
Frank-Walter Steinmeier
Bundespräsident Deutschland

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach die Herausforderungen an, vor denen die neue Regierung steht. Im Schloss Bellevue erklärte das deutsche Staastsoberhaupt, dass die neue Regierung, neben großen innenpolitischen Vorhaben, die Verantwortung für das Handeln Deutschlands in Europa und in der Welt trage.

"Deutschland ist keine abgelegene Insel. Weder sind wir autark, noch wollen wir es sein. Wir stehen im Zentrum Europas und tun gut daran, bei der Vermessung unserer eigenen Interessen die Interessen unserer Nachbarn zu berücksichtigen."

Ändert sich die China-Politik?

Euronews sprach mit dem Professor für Internationale Beziehungen und Außenpolitik an der Universität Heidelberg, Sebastian Harnisch über die neue Regierung.

Euronews: Ist diese neue Koalition stabil? Welchen Herausforderungen wird sie sich in naher Zukunft stellen müssen?

Sebastian Harnisch: "Ich glaube, dass die Koalition, jetzt wo sie startet, stabil ist, doch es gibt gewisse Spaltungen innerhalb der Koalition, sogar in außenpolitischen Fragen, wo es zwischen den drei Parteien einen breiten Konsens gibt. Ein Beispiel ist die China-Politik, es ist jetzt eine grüne Außenministerin im Amt, Frau Baerbock, die jetzt das Sagen hat, die möglicherweise, zumindest lautstark und verbal, eine härtere Gangart gegenüber China einschlagen wird, vor allem in Bezug auf die Menschenrechte, Xinjiang und die Situation der Minderheit der Arbeitnehmerschaft, aber auch in anderen Fragen. Da könnte der Kanzler zukünftig eine klarere Linie verfolgen, als der eher pragmatische Ansatz Angela Merkels gegenüber China."

Euronews: Können wir erwarten, dass Olaf Scholz eine härtere Gangart gegenüber Russland oder China anschlägt?

Harnisch: "Ich glaube, bezüglich Russland und weitestgehend auch in Bezug auf den Ukraine-Konflikt hat man sehen können, dass die deutsche Regierung ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen zurückgestellt hat, weil Deutschland seine Sanktionspolitik gegenüber Russland verfolgt hat. Ich glaube, eine der Ausnahmen ist natürlich das Nord-Stream-2-Projekt."

Euronews: Hat er Präsident Biden bezüglich der Pipeline zugestimmt? Wird er Nord-Stream-2 abschalten, falls Russland die Situation eskalieren lassen sollte?

Harnisch: "Ich glaube, die neue Koalition ist bereit, dies zu tun, wenn es nötig ist. Das haben sie der US-Regierung mitgeteilt, doch wir werden sehen, wo für Deutschland und die Koalition die endgültige rote Linie bezüglich Russland liegt."

Wie geht es weiter mit Russland?

Diese Botschaft kommt zu einem Zeitpunkt, an dem es gewaltige Spannungen zwischen Russland und dem Westen gibt.

In einem seltenen und lang erwarteten Videogespräch mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin äußerte sich US-Präsident Joe Biden in dieser Woche besorgt über die russische Truppenaufstockung an der Grenze zur Ukraine und rief zur Deeskalation auf.

Biden drohte Putin andernfalls mit ernsthaften Wirtschaftssanktionen, einschließlich einer möglichen Stilllegung der umstrittenen, noch nicht in Betrieb gegangenen Pipeline Nord Stream 2.

Und während Merkel oft vorgeworfen wurde, die wirtschaftlichen Beziehungen über die Politik zu stellen, wird von der Regierung Scholz nun erwartet, gegenüber Russland und China härter vorzugehen, falls die Spannungen zunehmen.

Ein US-Sprecher sagte, dass Putin vielleicht nicht das Risiko einer Invasion in der Ukraine eingehen würde, wenn er wolle, dass Gas durch die Pipeline fließt. Zwischen den USA und Deutschland sei eine entsprechende Vereinbarung getroffen worden, hieß es aus dem Weißen Haus.

Macron mit ehrgeizigen Zielen für 2022

Und während Merkel geht, bleibt Emmanuel Macron, jedenfalls vorerst. Der französische Präsident bereitet sich auf die EU-Ratsvorsitz vor, die Frankreich in der ersten Jahreshälfte 2022 übernimmt.

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Macron stellte seine sehr ehrgeizigen Pläne vor - vom wirtschaftlichen Aufschwung über die Verteidigung bis hin zur Migration. Aber er fand auch deutliche Worte bezüglich der europäischen Werte.

"Es gibt politische Kräfte, die in Frage stellen, was die Grundlage der Werte ist, die unser Europa ausmachen. Deshalb müssen wir nicht nur über Sanktionen, sondern auch über Unterstützung nachdenken." Das sei eine tiefgreifende politische Arbeit. Man müsse sich auch mit den Ländern befassen, die Zweifel an der Relevanz dieser Werte hätten, so Macron.

Und tatsächlich wird der 43-Jährige am kommenden Montag den ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orban treffen, den er als politischen Kontrahenten, aber auch als Teil der europäischen Familie bezeichnete.

Euro wird 20 und verändert sich

Bei ihrem letzten Zusammentreffen in diesem Jahr feierten die Finanzminister der Eurozone das 20-jährige Bestehen des Euro.

Die Europäische Zentralbank will die Banknoten, unter der Mitwirkung der europäischen Bürgerinnen und Bürger, neu gestalten. Einer der Gründungsväter der gemeinsamen Währung, der ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, erklärte gegenüber Euronews, für wie wichtig er den Euro hält.

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"Es war ein großartiger Start. Doch aufgrund mehrerer Krisen und Fehler, die gemacht wurden, hat sich die Situation verschlechtert und der Euro verlor seinen Glanz. Ich glaube, dass die Notwendigkeit des Euro immer noch sehr stark ist und er heute einer der wichtigsten globalen Akteure ist."

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