Referendum in Tunesien: Mehrheit für Neuverfassung, Beteiligung gering

Geringe Beteiligung bei Verfassungsreferendum
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Tunesien steht vor schwierigen Zeiten: Armut und Arbeitslosigkeit sind hoch. Ob die neue Verfassung daran etwas ändert? Das Referendum war umstritten.

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Die Tunesier haben bei einer umstrittenen Volksbefragung für die von Präsident Kais Saied vorgeschlagene neue Verfassung gestimmt. Mit über 90 Prozent Ja-Stimmen scheint das Ergebnis eindeutig, allerdings gingen nur wenige Bürger zur Urne, die Beteiligung lag bei 28 Prozent.

Mit der neuen Verfassung erhält der Präsident Tunesiens künftig mehr Machtbefugnisse. Kais Saied kündigte weitreichende Reformen an: "Wir werden eine neue Republik errichten, die auf wirklicher Freiheit, tatsächlicher Gerechtigkeit und nationalier Würde beruht. Es gibt keine Würde der Nation ohne die Würde der Bürger."

Reform oder Gefahr?

Vor einem Jahr hatte Saied den Regierungschef abgesetzt und wenig später das Parlament aufgelöst. Außerdem entließ er mehrere Richter. Da viele Tunesier die Elite als korrupt einstufen, stießen manche Maßnahmen auf Zustimmung. Andere Bürger befürchten hingegen Gefahr für die Demokratie.

Bei einer Straßenumfrage sagte Fatma, eine Bürgerin der Hauptstadt: "Ich habe lange auf diese Gelegenheit gewartet. Ich hoffe, dass sich nun etwas zum Guten ändert, für das tunesische Volk und das Land."

Der Wahlberechtigte Samia Dridi sagte nach Verlassen des Wahllokals: "Ich habe Ja gestimmt, für Saied, damit er hier aufräumt."

Gestörte Gewaltenteilung?

Mit dem sogenannten "arabischen Frühling" vor zwölf Jahren hatten die Tunesier die Diktatur abgeschüttelt. Als einzigem Land der Region gelang Tunesien der Wandel zur Demokratie. Die jüngsten Aktionen des Präsidenten lassen Zweifel aufkommen, ob das System der Gewaltenteilung noch reibungslos funktioniert. Die Opposition hatte das Verfassungs-Referendum boykottiert, der ganze Prozess sei "illegitim".

In der Hauptstadt waren auch nach Ende der Auszählung Sicherheitskräfte präsent. Offenbar wird mit Protesten gerechnet. Die geringe Wahlbeteiligung wird von Beobachtern der politischen Szene in Tunesien auch als Stimmungstest interpretiert, bei dem der Präsident nicht gut abschneidet. Das Land steht vor schwierigen Monaten, wenn nicht Jahren: Die Arbeitslosigkeit ist hoch und viele Tunesier leben in Armut.

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