Entlang der geschlossenen Grenze zwischen Finnland und Russland

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Von Julián López
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Finnland beschuldigt Russland, illegale Migranten an die Grenze zu schleusen und sie mit Geld, Lebensmitteln, Unterkünften oder Transportmitteln zu versorgen. Das sei ein "hybrider Angriff" auf Finnland. Was passiert an der 1400 Meter langen Grenze? Darum geht es in dieser Witness-Folge.

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Die finnische Regierung hat im Herbst alle acht Grenzübergänge ihres Landes zu Russland geschlossen. Die fast 1400 Kilometer lange Grenze wird bis mindestens Mitte April geschlossen bleiben.

Finnische Behörden führten Gründe der "nationalen Sicherheit" an. Nichtregierungsorganisationen prangern jedoch an, dass die Maßnahme das Leben hunderter Asylbewerber aufs Spiel setzt. Euronews-Korrespondent Julián López fuhr die Grenze entlang, um alle Standpunkte zu erfahren.

Finnland beschuldigt Russland, illegale Migranten an die Grenze zu schleusen und sie mit Geld, Lebensmitteln, Unterkünften oder Transportmitteln zu versorgen. Das sei ein "hybrider Angriff" auf Finnland. Das jüngste NATO-Mitglied hat sich vehement gegen die russische Invasion in der Ukraine ausgesprochen.

Russland bestreitet die Vorwürfe

Finnland gibt an, dass im November etwa 500 illegale Migranten seine Ostgrenze überquert haben, der monatliche Durchschnitt lag bei etwa 30 Personen.

Die finnische Regierung bezeichnete diese Ankömmlinge als "ernste Bedrohung für die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung".

Viele dieser illegalen Einwanderer sind nun im Dorf Joutseno untergebracht. Dort werden ihre Asylanträge geprüft. Das Aufnahmezentrum für Asylbewerber liegt kaum 10 Kilometer Luftlinie von der russischen Grenze entfernt. Derzeit leben hier etwa hundert Menschen. Die Behörden haben uns weder Zugang zu der Einrichtung gewährt, noch waren sie zu Interviews bereit. Bewohner des Aufnahmezentrums erklärten sich jedoch bereit, ihre Geschichten zu erzählen. Nabil aus Marokko bestätigte beispielsweise, dass "die (russische) Politik und die Armee uns geholfen haben. Das war gut für uns, weil es so einfacher war, hierherzukommen".

Asylbewerber können nicht abgeschoben werden, solange ihre Anträge geprüft werden. Das kann bis zu zwei Jahre dauern. Es wurden offenbar keine Rückschiebungen nach Russland gemeldet.

Finnland befürchtet einen Massenzustrom von Migranten

Wir besuchten auch das Hauptquartier des finnischen Grenzschutzes in Helsinki. Marek Saareks, ein stellvertretender Abteilungsleiter dort, sagte, dass die See- und Luftgrenzen des Landes weiterhin offen sind, dass Finnland aber nur wenige Möglichkeiten hat, wenn es um die Landgrenze zu Russland geht: "Wir haben Informationen, dass es in der Gegend von St. Petersburg Tausende von Personen gibt, die über diese Route nach Finnland kommen könnten", behauptete er. 

80 % der Finnen sind mit der Grenzschließung einverstanden

Finnische NGOs haben die Maßnahme kritisiert. Pargol Miraftab, Rechtsberater bei Amnesty Finnland, sagte uns, dass "wir Menschenrechte haben, die für jeden einzelnen Menschen gelten. Und die Regierung hat die Pflicht, diese Rechte zu respektieren". Ein Verband finnisch-russischer binationaler Unternehmen hat sogar rechtliche Schritte eingeleitet.

Jüngste Umfragen zeigen jedoch, dass bis zu 80 % der Finnen mit der Grenzschließung einverstanden sind.

Einige behaupten, dass bei einem Nichthandeln innerhalb von zwei Jahren eine Million illegale Einwanderer nach Finnland kommen würden.

Verschärfung der Asylpolitik

Obwohl die Schließung nicht Teil des Regierungsprogramms ist und durch andere Gründe ausgelöst wurde, erscheint sie einigen Beobachtern als weiterer Schritt in Richtung einer Verschärfung der finnischen Migrationspolitik. Die Regierung, eine von Konservativen und Rechtspopulisten geführte Koalition, hat Pläne zur Halbierung der Quoten für Asylbewerber und zur Einschränkung ihres Schutzes, zur Beschränkung der Familienzusammenführung und zum Chartern gemeinsamer Rückführungsflüge mit anderen nordischen Ländern ins Spiel gebracht.

Die Verhandlungen sind noch im Gange und es wurden noch keine neuen spezifischen Gesetze verabschiedet, aber Beobachter sind sich einig, dass das Land, wie andere in Europa auch, einen Paradigmenwechsel in der Einwanderungspolitik vollzieht, zum Entsetzen der NGOs.

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