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NRW-Wahl: Erster Stimmungstest für die Merz-Regierung - ein Überblick

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Von Sonja Issel
Zuerst veröffentlicht am Zuletzt aktualisiert
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Am 14. September wird Nordrhein-Westfalen gewählt. Es ist die erste Wahl seit Amtsantritt der neuen Bundesregierung. Warum die Kommunalwahl als weit mehr als ein lokales Ereignis wahrgenommen wird, welche Themen die Menschen bewegen und wie die Parteien in den Umfragen stehen - der Überblick.

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Am 14. September wählen rund 13,7 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen neue Volksvertretungen in Gemeinden, Städten und Kreisen. Es ist die erste Wahl in Deutschland seit dem Amtsantritt der schwarz-roten Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD im Mai - viele sehen darin einen Stimmungstest für die große Koalition.

NRW vor der Wahl: Stimmungstest für die Bundesregierung?

Offiziell handelt es sich nur um eine Kommunalwahl. Doch Beobachter sehen in ihr ein Signal für die politische Großwetterlage in Berlin. „Das ist gewissermaßen der Lackmustest für die Bundesregierung“, sagt Oliver Lembcke, Politikwissenschaftler an der Universität Bochum, gegenüber der Deutschen Welle (DW).

NRW ist nicht nur das bevölkerungsreichste Bundesland mit rund 18 Millionen Einwohnern, sondern auch ein politisches Abbild der Republik im Kleinen: Metropolen wie Köln, Düsseldorf und Dortmund, dazu ländliche Räume, Industrie, Dienstleistungen und Landwirtschaft. Der Strukturwandel im Ruhrgebiet von Kohle und Stahl hin zu Dienstleistungen steht exemplarisch für Entwicklungen im ganzen Land. Rund jeder vierte Einwohner hat einen Migrationshintergrund - ähnlich wie im Bundesdurchschnitt.

Historisch gilt NRW zudem als „Herzkammer der Sozialdemokratie“. Dass auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) aus Nordrhein-Westfalen stammt, verleiht der Wahl zusätzliche Brisanz. Merz versucht jedoch, die politische Tragweite der Abstimmung abzumildern. „Kommunalwahlen sind Kommunalwahlen“, so der Bundeskanzler kürzlich bei einem Besuch in NRW. Natürlich gebe es „einen gewissen Blick auf die Landespolitik und auf die Bundespolitik“ - mehr aber auch nicht.

Was wird gewählt?

Neben Stadt- und Gemeinderäten werden Kreistage sowie Bürgermeister und Landräte bestimmt. Anders als bei Bundestagswahlen spielen Parteien dabei oft eine geringere Rolle. Persönlichkeiten vor Ort, die sich um konkrete Themen wie Schulen, Kitas, Nahverkehr oder Wirtschaft kümmern, prägen das Bild stärker. Entsprechend weicht das Wahlverhalten vieler Bürger von den Mustern auf Bundesebene ab.

Dazu zählen Themen wie Wohnungsnot, marode Schulen und Kitas, Probleme im ÖPNV und der Infrastruktur, der Ausbau von Radwegen oder auch ganz Alltägliches wie der Umgang mit Gänsen auf Grünflächen. Ebenso prägen Fragen von Armut, Integration und sozialer Ungerechtigkeit die Agenda.

Die jüngsten Umfragewerte im Überblick

Die jüngste Forsa-Umfrage für NRW-Tageszeitungen zeigt ein klares Bild der aktuellen Kräfteverhältnisse. In Klammern sind die Veränderungen im Vergleich zur Wahl 2020 angegeben:

  • CDU: 32 % (–2,3)

  • SPD: 22 % (–2,3)

  • Grüne: 14 % (–6,0)

  • AfD: 14 % (+8,9)

  • Linke: 6 % (+2,2)

  • FDP: 3 % (–2,6)

  • BSW: 2 % (neu)

  • Sonstige: 7 % (–0,1)

SPD und Grüne unter Druck

Lange galt das Ruhrgebiet als Herzstück der Sozialdemokratie. Doch diese Zeiten sind vorbei. Die einst unangefochtene Vormachtstellung der Sozialdemokraten ist in vielen Städten längst Geschichte. Schon bei der Kommunalwahl 2020 konnte die CDU in traditionell roten Hochburgen wie Essen, Mülheim, Oberhausen und Recklinghausen die Spitze übernehmen. Zwar hält die SPD in Städten wie Dortmund, Bochum oder Gelsenkirchen noch die Stellung, doch auch dort muss sie zunehmend um den Machterhalt kämpfen.

Der laut den Umfragewerten wohl stärkste Verlierer könnten die Grünen sein. Mit rund 14 Prozent liegen sie deutlich unter ihrem Ergebnis von 2020, als sie noch auf 20 Prozent kamen. Ein Minus von sechs Punkten bedeutet für die Partei empfindliche Verluste – gerade in NRW, wo die Grünen in den vergangenen Jahren bei jungen Wählern und in den Großstädten besonders stark waren. Nun droht der Partei, einen Teil dieser Erfolge wieder einzubüßen.

Gelsenkirchen im Fokus - AfD im Aufwind

In Gelsenkirchen schaffte es die AfD bei der Bundestagswahl erstmals, gemessen an den Zweitstimmen, stärkste Kraft zu werden. Dort könnte es nun zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD kommen. Auch in anderen Ruhrgebietsstädten rechnen Beobachter mit Zugewinnen. Bürgermeisterämter dürften der AfD dennoch verwehrt bleiben - zu groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich andere Parteien gegen sie verbünden.

Besonders im Gelsenkirchener Programm zeigt sich ein harter Kurs. Die lokale AfD hat den Begriff „Remigration“ aus dem Bundesprogramm übernommen. Politikwissenschaftler Marschall erklärt gegenüber dem ZDF, dort werde "ein durchaus radikaler Kurs gefahren mit einer klaren Abgrenzung zum Islam". In dieser Schärfe finde sich das nicht einmal in den Landesprogrammen.

Sicherheit, Stimmung und Teilhabe - Themen rund um die Wahl

In der Vergangenheit kam es bei Kommunalwahlen in NRW immer wieder zu Anfeindungen gegen politisch Engagierte – von verbalen Attacken bis hin zu tätlichen Übergriffen.

Dieses Mal fällt die Zwischenbilanz deutlich günstiger aus. NRW-Innenminister Herbert Reul spricht wenige Tage vor der Wahl von einem positiven Trend: Die Zahl politisch motivierter Straftaten sei spürbar zurückgegangen. Im September habe man landesweit lediglich 13 Fälle registriert, darunter Übergriffe und Schmierereien an Parteizentralen. „Das geht in die richtige Richtung – auch wenn die Stimmung weiterhin angespannt bleibt“, sagte Reul.

Als Erklärung verweist er zum einen auf die breitere Zustimmung zu den Themen des laufenden Wahlkampfs, die weniger Konfrontationen nach sich ziehe. Zum anderen spiele die Stabsstelle „Sicher im Dienst“, die vor einigen Jahren eingerichtet wurde, eine Rolle. Sie berät kommunale Wahlkämpfer und Mandatsträger darin, wie sie auf Belästigungen oder Angriffe reagieren können.

Ein anderes Thema im Umfeld der Wahl ist die politische Teilhabe von Migrantinnen und Migranten. Der Vorsitzende der Integrationsräte, Tayfun Keltek, forderte im Deutschlandfunk: Wer seit fünf Jahren in Deutschland lebt, solle automatisch auf kommunaler Ebene wählen dürfen – unabhängig von der Staatsangehörigkeit. „Dies sei in vielen europäischen Ländern selbstverständlich“, sagte Keltek. Bislang sind in Deutschland lediglich EU-Bürgerinnen und -Bürger wahlberechtigt.

Parallel zur Kommunalwahl werden vielerorts auch die Integrationsräte neu gewählt. Dort dürfen auch Nicht-EU-Ausländer ihre Stimme abgeben. Doch die Wahlbeteiligung bleibt gering. Keltek macht dafür vor allem strukturelle Gründe verantwortlich: fehlende finanzielle Unterstützung durch die Kommunen und damit kaum Möglichkeiten für sichtbaren Wahlkampf.

Der Wahlsonntag: Was zu erwarten ist

Wenn die Wahllokale um 18 Uhr schließen, bleibt die Spannung zunächst bestehen: Erste Prognosen und Hochrechnungen wie bei Bundestags- oder Landtagswahlen wird es nicht geben. Doch im Laufe des Abends dürfte sich abzeichnen, wo zwei Wochen später - am 28. September – Stichwahlen nötig sein werden. In den 22 kreisfreien Städten sowie bei den Landratswahlen entscheidet eine zweite Runde immer dann, wenn kein Kandidat im ersten Durchgang die absolute Mehrheit erreicht.

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