Am Montag beginnt in Paris der Prozess gegen drei aus Syrien zurückgekehrte Frauen. Ihnen wird vorgeworfen, sich der Terrororganisation IS angeschlossen zu haben. Sie müssen sich bis zum 26. September vor einem Sonderschwurgericht verantworten.
"Die Rückkehrerinnen" sind jene Frauen, die Frankreich verlassen haben, um in dem vom Islamischen Staat (IS) Mitte der 2010er Jahre selbsternannten "Kalifat" zu leben.
Ihre Aufgaben unterschieden sich von denen der Männer: Zwar nahmen die Frauen nicht direkt an Kämpfen teil, dennoch spielten sie eine zentrale Rolle für das Funktionieren der Gesellschaft im sogenannten Kalifat. Sie waren verantwortlich für Reproduktion, die Erziehung der Kinder im Sinne der Ideologie der Gruppe sowie für logistische Unterstützung.
Seit 2010 haben sich schätzungsweise mehr als 500 Französinnen dem IS angeschlossen. Einige sind verschwunden oder wurden getötet, andere befinden sich seit dem Fall des Kalifats noch immer in Gefangenenlagern.
Bei einer Rückkehr nach Frankreich werden sie grundsätzlich wegen "krimineller terroristischer Vereinigung" angeklagt - einem Straftatbestand, der 1996 ins französische Recht aufgenommen wurde. Er sieht für Komplizen Haftstrafen von bis zu 30 Jahren vor, für Anführer sogar lebenslange Freiheitsstrafe.
Wer sind die beiden Frauen?
Jennyfer Clain, 34 Jahre alt, ist die Nichte von Jean-Michel und Fabien Clain, die für die Propaganda des sogenannten Islamischen Staates verantwortlich waren und sich in den Kanälen der Terrorgruppe zu den Anschlägen vom 13. November bekannten. Die beiden Männer sollen inzwischen getötet worden sein. Jennyfer Clain selbst wurde 2019 festgenommen und nach Frankreich abgeschoben.
Eine weitere Angeklagte ist die 67-jährige Christine Allain. Die ehemalige Sonderpädagogin war zum Islam konvertiert, bevor sie sich dem IS anschloss.
Schließlich Mayalen Duhart die angeheiratete Schwägerin von Christine Allain, die 2014 gemeinsam mit Allain Frankreich in Richtung Syrien verließ.
Im September 2019 wurden die drei Frauen aus der Türkei nach Frankreich zurückgeschickt, wo sogleich Anklage gegen sie erhoben wurde. Sie reisten mit ihren neun Kindern im Alter von 3 bis 13 Jahren. Zwei Monate zuvor waren sie in der türkischen Provinz Kilis in der Nähe von Syrien festgenommen worden.
Die Ausreise der drei Angeklagten nach Syrien ist der Höhepunkt eines "Weges, der sich seit etwa zehn Jahren mit der salafistisch-jihadistischen Ideologie beschäftigt", schrieben die Richter der Nationalen Anti-Terrorismus-Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift, die Agence France Presse einsehen konnte.
Zudem wird ihnen vorgeworfen, die Gesundheit, Sicherheit, Moral und Bildung ihrer neun Kinder gefährdet zu haben, indem sie diese in von Terrorgruppen kontrollierte Kriegsgebiete brachten.
Was steht bei dem Verfahren im Mittelpunkt?
Das Gericht muss die tatsächliche Beteiligung jeder einzelnen Angeklagten bewerten: den Grad ihres Engagements, ihren Anteil an den Verbrechen des IS und die Funktion, die sie innerhalb der Organisation innehatten.
Die Herausforderung des Prozesses besteht darin, mit Sicherheit zu beweisen, ob diese Frauen nur als Opfer von Indoktrination oder als aktive Mitglieder, die freiwillig zu terroristischen Unternehmungen beigetragen haben, zu betrachten sind.
In dem Prozess spielen auch die Kinder der Angeklagten eine besondere Rolle: Sie treten als Nebenkläger auf. Die vier Kinder von Mayalen Duhart sowie die fünf Kinder von Jennyfer Clain werden dabei von der Opferorganisation SOS Victimes 93 aus Seine-Saint-Denis bei Paris vertreten.
Die Organisation unterstützt minderjährige Rückkehrer aus Syrien dabei, die Erfahrungen von Krieg, Exil und Lageraufenthalten zu verarbeiten, und bietet ihnen zugleich rechtlichen Beistand.