Im Exklusiv-Interview mit Euronews hat der rumänische Präsident Nicușor Dan den pro-europäischen Wahlausgang im Nachbarland Moldawien gelobt und sich zuversichtlich zu dessen EU-Beitritt geäußert. Ungarns Vetorecht focht er an.
Der rumänische Präsident Nicușor Dan, dessen Land enge Beziehungen zur Republik Moldau hält, hat in Aussicht gestellt, dass nach dem entscheidenden pro-europäischen Votum in Moldawien bei den Parlamentswahlen am Sonntag nun "technische Verhandlungen" über einen EU-Beitritt beginnen würden - "auch wenn die Verhandlungen nicht offiziell eingeleitet werden."
"Ich hoffe, dass die Verhandlungen offiziell beginnen werden, aber wenn nicht, werden sie so stattfinden, dass Moldawien aus struktureller und administrativer Sicht so schnell wie möglich für den Beitritt bereit sein wird", sagte Dan in einem ausführlichen Interview mit Euronews am Dienstag, bevor er zum informellen EU-Gipfel in Kopenhagen aufbrach.
Der rumänische Präsident scheint auch eine Anfechtung des ungarischen Vetorechts gegen den EU-Beitritt der Ukraine durch die EU zu unterstützen und bezeichnete dies als eine Frage der "loyalen EU-Zusammenarbeit", aber er hofft weiterhin, dass ein "Mittelweg" gefunden werden kann.
Rumänien unterstütze aktiv den EU-Beitritt der Republik Moldau und der Ukraine, wiederholte Präsident Dan. Ungarn hat jedoch sein Veto gegen die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine eingelegt und damit einen politischen Showdown mit den übrigen EU-Staaten ausgelöst.
"Unabhängig vom Kontext oder dem formalen Zeitplan für die Verhandlungen werden viele Fragen in den technischen Verhandlungen mit Moldawien erörtert werden", erklärte der rumänische Präsident entschieden.
In dem Interview sagte Dan weiter, dass es einen typischen formalen Zeitplan für die Beitrittsverhandlungen zwischen Moldawien und der Ukraine gebe, dass er aber "sehr, sehr optimistisch sei, dass Moldawien der Europäischen Union beitreten wird", nachdem die Moldauer inmitten einer russischen Desinformationskampagne eine "absolut lobenswerte" Wahl durchgeführt hätten.
Dem rumänischen Präsidenten zufolge hat Russland in Moldawien "auf mehreren Ebenen Druck ausgeübt", unter anderem mit "Narrativen, die besagen, dass sich der Westen auf einen Krieg mit Russland vorbereitet oder dass sich die Bevölkerung auf einen Krieg vorbereitet".
"Ich habe gesehen, dass dies in Moldawien sehr intensiv geschah, und die Menschen vor Ort haben rational über ihre Zukunft geurteilt", sagte Dan.
Wir müssen einen Mittelweg aushandeln
Denselben technischen Prozess in Bezug auf die Ukraine betrachtet Dan nuancierter, sowohl wegen des ungarischen Vetos als auch - und das ist ein Novum - wegen einer, wie er es nannte, "anstehenden Diskussion" über die Landwirtschaft.
Dem rumänischen Präsidenten zufolge hat die Ukraine eine bedeutende landwirtschaftliche Produktion, die die bestehenden (EU-)Mechanismen durcheinanderbringen würde. "Andererseits erfüllt die Ukraine derzeit nicht die Standards, die wir in der Europäischen Union für den Agrarsektor vorschreiben", erläuterte er weiter. "Die Diskussionen gehen also dahin, dass die Ukraine in Bezug auf die Landwirtschaft einen Sonderstatus haben sollte, damit sie weiterhin bedeutende Exporte in außereuropäische Länder tätigen kann, während sie in allen anderen Bereichen als gleichberechtigt behandelt werden sollte."
"Natürlich hat die Ukraine derzeit ein noch größeres Problem, das uns aber alle angeht, nämlich den Krieg", räumte er ein. Doch auch wenn Rumänien enge Beziehungen zu Ungarn unterhält, sprach der rumänische Präsident das Veto Ungarns in Bezug auf die Ukraine klar an.
"Wir müssen einen Weg finden, um über einen Mittelweg zu verhandeln", sagte Dan. Letztlich gehe es bei der ganzen politischen Auseinandersetzung jedoch um eine "loyale Zusammenarbeit" der EU-Länder, verbunden mit dem Prinzip der Souveränität.
"Meiner Meinung nach steht es zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht zur Debatte, das Vetorecht der Länder prinzipiell abzuschaffen. Aber in bestimmten Fragen, die sozusagen operativer sind, müssen wir natürlich in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen", so das rumänische Staatsoberhaupt in Euronews-Interview.
In seiner Logik "verlangt der Vertrag über die Europäische Union, und das wird auch ausdrücklich gesagt, eine loyale Zusammenarbeit. Ein systematisches Veto bedeutet keine loyale Zusammenarbeit. Um dies festzustellen, muss man jedoch vor den Gerichtshof gehen, was Zeit braucht, und deshalb müssen wir diplomatische Wege finden, um voranzukommen."
Diese Situation hänge mit "einer alten Debatte innerhalb der Union über den Entscheidungsprozess" zusammen, nämlich dass "dieses Prinzip der Einstimmigkeit ein Prinzip der Souveränität widerspiegelt".
"Als die Länder der Europäischen Union beitraten, war die Garantie, oder zumindest der Vertrag, dass sie souveräne Länder waren. Und dann für andere Länder im Namen eines Landes zu entscheiden, wäre eine Verletzung der Souveränität. Das ist das eine Extrem. Das andere Extrem ist, dass, wenn wir zum Beispiel über Geld sprechen, es sehr legitim ist, dass Länder, die einen finanziellen Beitrag leisten, ein Mitspracherecht haben, dass aber Länder, die keinen oder nur einen sehr geringen Beitrag leisten, nicht in der Lage sein sollten, einen Prozess zu blockieren, bei dem Mittel für eine Sache bereitgestellt werden, die viele Länder wollen."
"Hier halte ich es natürlich für legitim, dass es keine Vetomöglichkeit geben sollte. Und jetzt, zwischen diesen beiden Extremen, gibt es Politik, wir haben Politik innerhalb der Europäischen Union. Wir müssen einen Weg finden, um zu verhandeln."
Rumänien gehört zu den osteuropäischen Ländern, deren Luftraum in den vergangenen Wochen von der Russischen Föderation verletzt worden ist.
Der rumänische Präsident lobte "die sehr, sehr schnelle und konkrete Reaktion der NATO-Mitgliedsländer" auf diese Verletzungen und betonte, dass diese Reaktion "eine Botschaft an die Bürger dieser Länder ist, dass die Dinge unter Kontrolle sind".
Auf die Frage nach der rumänischen Strategie gegen die russischen Übergriffe auf den rumänischen Luftraum antwortete Dan, dass Rumänien nach der verschärften Gesetzgebung nun "die Art von Reaktion hat, die unsere Gegenmaßnahmen definiert", die "rumänische Luftstreitkräfte bei Einsätzen in anderen Ländern und ausländische Luftstreitkräfte bei Einsätzen in Rumänien einbezieht, gerade um ein Signal der Abschreckung für jede Art von möglichem Angriff zu senden."