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So abhängig ist Deutschland von chinesischen Medikamenten

Medikamente
Medikamente Copyright  Copyright 2006 AP. All rights reserved.
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Von Laura Fleischmann
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Ob Schmerzmittel, Antibiotika oder Diabetespräparate: Ohne Medikamente made in China läuft in deutschen Apotheken kaum etwas. Was einst als Sparstrategie begann, hat Deutschland in eine gefährliche Abhängigkeit geführt. Könnte Peking Medikamente als Druckmittel einsetzen?

Viele bunte Pillen und Pulver gehen in China täglich vom Band und landen später in deutschen Mägen. Drei Viertel (76 %) aller nach Deutschland importierten Wirkstoffe für Antibiotika stammen mittlerweile aus der Volksrepublik, wie ein Bericht des Pharmaverbands Pro Generika e. V. zeigt.

Selbst wenn Medikamente in Indien oder den Vereinigten Staaten, den anderen großen Akteuren auf dem globalen Pharmamarkt, hergestellt werden, stecken trotzdem meist chinesische Bestandteile darin.

Am Beispiel des Diabetes-Medikaments Metformin zeigt sich Chinas Monopolstellung besonders deutlich. Ein zentraler Bestandteil des Arzneimittels wird fast ausschließlich in China produziert. Fünf der sechs größten Hersteller weltweit haben dort ihren Sitz.

Ein Problem, das auch "made in Germany" ist. Wegen der von den Krankenkassen ausgehandelten Rabattverträge, müssen Hersteller möglichst günstig produzieren, und am billigsten ist das meist im Ausland.

Medikamente als Druckmittel

Generika sind Medikamente, deren Patentschutz abgelaufen ist, weswegen sie von jedem hergestellt werden können. Sie machen laut einem Bericht der Critical Medicines Alliance90 % der in der EU als kritisch eingestuften Medikamente aus. Kritische Medikamente sind Arzneimittel, die für die medizinische Versorgung essenziell sind, aber durch Lieferengpässe bedroht sein könnten.

Ihre niedrigen Preise verdanken sie der Produktion in Ländern wie China oder Indien, wo chemische Komponenten und Tabletten deutlich günstiger hergestellt werden können. Arbeitskräfte sind dort günstiger, Umweltauflagen sind weniger anspruchsvoll. Die Kehrseite: In Deutschland mussten zahlreiche Fabriken schließen.

"Die Billigproduktion im Ausland war das Ergebnis einer 'Geiz-ist-geil'-Mentalität. Dass Fabriken zurück nach Deutschland geholt werden könnten, ist politisches Wunschdenken. Die Kosten wären enorm, und uns fehlen die Fachkräfte", erklärt Michael Müller, Professor für pharmazeutische und medizinische Chemie an der Universität Freiburg.

Selbst ein Wiederaufbau deutscher Produktionsstätten würde das Problem kaum lösen: "Wir können die benötigten Rohstoffe nicht selbst herstellen. Wir sind klar abhängig von China", so Müller.

Apothekerin zeigt Medikamente im Regal
Apothekerin zeigt Medikamente im Regal Copyright 2006 AP. All rights reserved.

Hunderte Medikamente knapp

Im Jahr 2024 exportierte Deutschland pharmazeutische Erzeugnisse im Wert von 4,1 Milliarden Euro nach China. Importiert wurden pharmazeutische Wirkstoffe, Tabletten und Co. aus China im Wert von 722 Millionen Euro, wie Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen. Doch die Geldsummen täuschen.

Beim Blick auf das Gewicht zeigt sich: Deutschland verkaufte 15 Millionen Tonnen pharmazeutischer Erzeugnisse an China. Andersherum verkaufte China 33 Millionen Tonnen nach Deutschland.

Fällt ein Produktionsstandort aus, fehlen häufig Alternativen. Die Folge sind Lieferengpässe. Erst kürzlich warnte der Apothekerverband, dass etwa 500 Medikamente knapp sind. Vor allem Antibiotika für Kinder und Mittel gegen ADHS und Asthma sind betroffen.

"Deutschland war früher die Apotheke der Welt, jetzt steht die Apotheke der Welt in China oder Indien. Und wenn dort Werke Produktionsprobleme haben, dann schlägt sich das sofort in der Versorgung in Europa und in Deutschland nieder", sagte Thomas Preis gegenüber der Bild am Sonntag. Er ist der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

Leere Apothekenregale?

Hinzu kommt die Sorge, China könnte Deutschland oder der EU den Medikamenten-Hahn zudrehen. Pekings Bereitschaft dazu, wirtschaftliche Abhängigkeiten als Druckmittel einzusetzen, zeigte sich schon im Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump.

Damals erließ Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping Ausfuhrbeschränkungen für seltene Erden. Trump lenkte zunächst ein. Doch bei seiner aktuellen Asienreise unterzeichnete der US-Präsident gemeinsam mit Japans Regierungschefin Sanae Takaichi ein Abkommen. Beide Länder wollen bei seltenen Erden künftig enger zusammenarbeiten und sich so unabhängiger von China machen.

Dass in einem ähnlichen Fall in Deutschland die Apothekenregale wirklich leer bleiben, daran zweifelt der Chemiker Müller: "Im Ernstfall öffnet Deutschland lieber den Geldbeutel und kauft teure Medikamente." Das habe sich schon während der Corona-Pandemie gezeigt.

Medikamente mit chinesischer Aufschrift
Medikamente mit chinesischer Aufschrift Copyright 2019 The Associated Press. All rights reserved

Zudem profitieren Deutschland sowie die Europäische Union massiv von der ausländischen Produktion: "Der Medikamentenmarkt ist miteinander vernetzt. Länder wie China oder Indien sind auch abhängig von Deutschland. Ohne die Handelsbeziehung stünden riesige Mengen chinesischer Arbeiter ohne Arbeit da."

Um sich langfristig unabhängiger zu machen, fordert der Gesundheitsökonom, mehr auf Innovation zu setzen. "Das globale Netzwerk ist kein Feind, sondern unsere Chance, wenn wir es klug nutzen." Bei der Entwicklung neuer Medikamente oder neuer Herstellungsprozesse könne Deutschland punkten.

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