Ein neuer Bericht zeigt, dass die "chronische" Arzneimittelknappheit in der EU in den letzten zwei Jahren ein Rekordniveau erreicht hat. Ein gängiges Antibiotikum, das zur Behandlung vieler Infektionen eingesetzt wird, steht auf der Liste.
Laut einem neuen Bericht des Europäischen Rechnungshofs (ERH) kam es in der Europäischen Union zwischen 2022 und Oktober 2024 zu Engpässen bei 136 Arzneimitteln, die als "kritisch" für die Gesundheit der Bevölkerung gelten.
In den Jahren 2023 und 2024 wurden mit 48 bzw. 46 kritischen Engpässen pro Jahr Rekordwerte erreicht.
Insgesamt meldeten nicht weniger als 21 von 27 Mitgliedstaaten kritische Engpässe von Anfang 2024 bis Ende Oktober 2024.Dabei meldeten Belgien, Spanien und Frankreich die höchsten kritischen Arzneimitteldefizite.
Im Januar 2024 gab es in 19 Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) Engpässe bei Winterantibiotika, wobei 11 Länder kritische Engpässe meldeten.
"Medikamentenknappheit ist ein anhaltendes Problem in der gesamten EU und bereitet der Union nach wie vor chronische Kopfschmerzen. Sie haben jedoch an Häufigkeit und nicht an Schwere zugenommen und in den Jahren 2023 und 2024 ein Rekordniveau erreicht", sagte Klaus-Heiner Lehne vom Europäischen Rechnungshof bei der Vorstellung des Berichts vor Journalisten.
Was ist die Ursache für dieses Problem?
Diese Engpässe sind auf mehrere Faktoren zurückzuführen, darunter eine erhöhte Nachfrage, Verzögerungen bei der Herstellung, Probleme mit der Produktionskapazität und steigende Energiekosten.
"Die geringe Belohnung für Widerstandsfähigkeit in nationalen Beschaffungsverfahren hat den Preisdruck erhöht", heißt es in dem Bericht.
Die Produktionskosten in der EU sind schätzungsweise 20 bis 40 % höher als in Asien.
Dies führt dazu, dass die EU nach Angaben des Analyseunternehmens IQVIA bei 70 % ihrer pharmazeutischen Wirkstoffe und 79 % ihrer Arzneimittelvorprodukte (die biochemischen Substanzen, aus denen sie gebildet werden) von Asien abhängig ist.
Diese Situation hat Auswirkungen auf die Patienten und verursacht erhebliche wirtschaftliche Kosten für die nationalen Gesundheitssysteme.
Wie melden die EU-Länder ihren Versorgungsmangel?
Vergleiche zwischen den EU-Ländern sind jedoch schwierig, da es Unterschiede in der Art und Weise gibt, wie die Länder Arzneimittelengpässe melden.
So muss Italien beispielsweise die Behörden vier Monate vor einer Unterbrechung der Versorgung informieren.
Österreich hingegen muss verschreibungspflichtige Arzneimittel nur dann unverzüglich melden, wenn sie länger als zwei Wochen nicht mehr verfügbar sind.
Auch die Maßnahmen zur Bevorratung von Arzneimitteln sind unterschiedlich.
In Dänemark beispielsweise beträgt die nationale Vorratshaltung sechs Wochen der erwarteten Verkäufe, während in Deutschland Pufferbestände für sechs Monate vorgeschrieben sind.
Amoxicillin, ein gängiges Antibiotikum, das zur Behandlung zahlreicher Infektionen eingesetzt wird, und Verteporfin, das zur Behandlung eines breiten Spektrums von Augenerkrankungen eingesetzt wird, standen Ende 2024 auf der Liste der kritischen Engpässe.