Steigende Mieten, zu wenig Sozialwohnungen und drohende Kürzungen verschärfen die Wohnungslosigkeit. Hilfsverbände warnen: Ohne politische Lösungen wächst das Problem weiter.
Mit Blick auf die angekündigten Minusgrade schlägt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe Alarm: Für Menschen ohne festen Wohnsitz könne die Kälte schnell lebensbedrohlich werden. „Wer keinen Zugang zu warmen und sicheren Schlafplätzen hat, ist den extremen Temperaturen schutzlos ausgeliefert“, erklärte Geschäftsführerin Sabine Bösing dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Der Deutsche Wetterdienst rechnet in den kommenden Tagen mit einem deutlichen Temperaturabfall. Besonders über die Weihnachtsfeiertage soll sich laut Prognosen in weiten Teilen Deutschlands trockene Frostluft durchsetzen.
Viele obdachlose Menschen seien gesundheitlich stark belastet, betonte Bösing. Vorerkrankungen, unzureichende Ernährung und körperliche Erschöpfung erhöhten das Risiko von Unterkühlungen erheblich. Gleichzeitig gebe es in zahlreichen Städten zu wenige Hilfsangebote oder sie seien für Betroffene nur schwer erreichbar.
Als Hauptursachen für Wohnungs- und Obdachlosigkeit nennt die Bundesarbeitsgemeinschaft Armut sowie den anhaltenden Mangel an bezahlbarem und bedarfsgerechtem Wohnraum. Zudem warnt der Verband vor den Folgen möglicher Einsparungen im sozialen Sicherungssystem, die die Lage weiter verschärfen könnten.
Mehr Wohnungslose in Deutschland
Nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe lebten im Jahr 2024 mindestens 1.029.000 Menschen in Deutschland ohne eigene Wohnung, darunter rund 50.000 ohne jegliche Unterkunft. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen Anstieg von etwa elf Prozent.
Der Verband sieht die Entwicklung auch als Folge politischer Versäumnisse. Kürzungen in der Wohnungslosenhilfe, Einsparungen im Sozialbereich sowie der kontinuierliche Rückgang an Sozialwohnungen – bedingt durch auslaufende Bindungen und zu geringe Neubautätigkeit – verschärften die Situation zunehmend.
Die gestiegene Zahl an Bedürftigen ist auch für Helfer spürbar. An manchen Tagen versorgt die Leipziger Bahnhofsmission mehr als hundert Bedürftige. Gründe dafür sind unter anderem steigende Mieten und fehlender Wohnraum. Neben Essen und Kleidung erhalten die Gäste auch Beratung durch Sozialarbeiter, etwa bei der Wohnungssuche oder bei Anträgen.
Bahnhofsmission hilft
Dank zahlreicher Spenden sind die Vorräte rund um Weihnachten meist gut gefüllt, erklären die Mitarbeitenden dem MDR. Außerhalb der Feiertage sehe das jedoch oft anders aus, wenn die Unterstützung spürbar nachlasse.
"Ich war vorhin als Weihnachtsperson verkleidet. Es waren aber nicht so viele, die mitmachen wollten", erklärt Caritas-Mitarbeiterin Becky Mohring. Mit Musik und Deko versuchen Mohring und ihre Kollegen Stimmung für die Feiertage aufkommen zu lassen.
An den Weihnachtsfeiertagen ist die Bahnhofsmission nur eingeschränkt geöffnet, damit auch die Helfer Zeit mit ihren Familien verbringen können.
Angesichts der eisigen Temperaturen wird einmal mehr deutlich, wie dringend nachhaltige Lösungen gebraucht werden. Notunterkünfte und ehrenamtliches Engagement können akute Not lindern, ersetzen jedoch keine langfristige Sozial- und Wohnungspolitik.
Gerade in der kalten Jahreszeit entscheidet ausreichende Hilfe über Gesundheit und Leben – und darüber, ob Solidarität in der Gesellschaft mehr ist als ein Wort, das nur zu Weihnachten besondere Aufmerksamkeit erhält.