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"Kleinbusse voller Ukrainer" - CDU macht Druck bei Bürgergeldfrage

Die Aufschrift „Reception“ weist Flüchtlingen aus der Ukraine den Weg zu einem Willkommenszentrum am Hauptbahnhof in Köln, Deutschland, am Montag, den 4. April 2022.
Die Aufschrift „Reception“ weist Flüchtlingen aus der Ukraine den Weg zu einem Willkommenszentrum am Hauptbahnhof in Köln, Deutschland, am Montag, den 4. April 2022. Copyright  AP Photo
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Von Nela Heidner
Zuerst veröffentlicht am Zuletzt aktualisiert
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Die CDU verschärft ihre Rhetorik in der Flüchtlingspolitik angesichts der wachsenden Zahl ukrainischer Geflüchteter, die derzeit weiterhin direkt Anspruch auf Bürgergeld erhalten. Dabei war im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD eigentlich etwas anderes vereinbart worden.

Eigentlich war zwischen Union und SPD vereinbart worden, dass alle ukrainischen Flüchtlinge, die ab dem 1. April 2025 nach Deutschland kommen, kein Bürgergeld mehr erhalten. Stattdessen sollen sie – wie alle anderen Flüchtlinge auch – Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Die "Sonderbehandlung" ukrainischer Geflüchteter war ursprünglich von der einstigen Ampel-Regierung nach dem russischen Angriff auf die Ukraine beschlossen worden.

Der Görlitzer CDU-Bundestagsabgeordnete Florian Oest, dessen Wahlkreis an der deutsch-polnischen Grenze liegt, drängt nun auf ein Ende des Sonderstatus für ukrainische Flüchtlinge – und fordert die konsequente Umsetzung des Koalitionsvertrags, berichtet die Bild-Zeitung.

Das hat einen aktuellen Hintergrund: Bei einem Besuch an der deutsch-polnischen Grenze in Görlitz-Ludwigsdorf haben Bundespolizisten Oest und der Innen-Staatssekretärin Daniela Ludwig (CSU) eine neue Entwicklung geschildert: Seit einigen Wochen reisen zunehmend junge Männer aus der Ukraine nach Deutschland ein. Hintergrund ist die Entscheidung der ukrainischen Regierung vom August, die Ausreisesperre für 18- bis 21-jährige Männer aufzuheben.

Oest sagte zu Bild: "Wir konnten die neue Lage selbst in Augenschein nehmen. Mehrfach haben Kleinbusse mit Dutzenden jungen Männern die Grenze nach Deutschland überquert." Das sei per se vollkommen legal. Das Problem sei aber, so Oest: "Die jungen Männer reisen direkt ins Bürgergeld ein. Das kann so nicht weitergehen. Wir helfen niemandem, wenn wir zum Magneten werden."

Die Zahl der ankommenden Ukrainer hat sich tatsächlich deutlich erhöht – von 7.961 im Mai auf fast 19.000 im September.

"Wer arbeiten kann, muss auch arbeiten – sonst verlieren wir die Akzeptanz in der Bevölkerung", fordert Oest. Nach drei Monaten Unterstützung solle Schluss sein mit dem Bürgergelb. "Einen Sonderstatus für Ukrainer darf es in Deutschland nicht länger geben."

Im August hatte bereits Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ein Bürgergeld-Stopp für ukrainische Flüchtlinge gefordert.

Söder begründete seine Haltung damit, dass kein anderes Land ukrainischen Flüchtlingen so umfassende Sozialleistungen wie Deutschland gewähre. Das Bürgergeld wirke im europäischen Vergleich als Sonderfall – und sei mitverantwortlich dafür, dass trotz guter Qualifikationen bislang nur vergleichsweise wenige Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland eine Beschäftigung aufgenommen hätten.

Wie handhaben andere EU-Länder die Lage?

Frankreich hat nach Angaben der UNO-Flüchtlingshilfe rund 70.000 ukrainische Geflüchtete aufgenommen. Sie erhalten dieselben Leistungen wie andere Asylbewerber: 607,75 Euro pro Monat für Alleinstehende sowie eine Unterbringung in einem Aufnahmezentrum. Einen Sonderweg wie in Deutschland gibt es hier nicht.

Seit Kriegsbeginn beantragten rund 200.000 Ukrainer in Italien Asyl, wie aus Daten der UNO-Flüchtlingshilfe hervorgeht. Ein Großteil von ihnen (etwa 170.000) lebt heute mit vorübergehendem Schutzstatus in Italien. Durch diesen Status haben die Geflüchteten aus der Ukraine Zugang zum Arbeitsmarkt, dem Bildungssystem, Programmen zur Berufsausbildung und der Gesundheitsversorgung.

Bis April 2025 erhielten Geflüchtete, die privat leben, einen Zuschuss zum Unterhalt von bis zu 300 Euro. Diese Regelung ist ausgelaufen. Geflüchtete ohne Unterkunft haben das Recht, in dezentralen Aufnahmesystemen, Hotels oder religiösen Einrichtungen zu leben.

In Tschechien leben derzeit rund 375.000 ukrainische Geflüchtete, wie Radio Prague International unter Berufung auf das tschechische Innenministerium berichtet. Nach Angaben der tschechischen Regierung tragen sie mit etwa einer Milliarde Kronen – rund 40 Millionen Euro – zur Wirtschaft des Landes bei. Demnach haben etwa 130.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Tschechien eine legale Arbeit. Weitere stellen Anträge, um eine Beschäftigung zu erhalten. "Insgesamt sind rund 70 Prozent der in Tschechien lebenden Ukrainer berufstätig", zitiert Radio Prague International Innenminister Vit Rakusan.

In Polen sind rund 65 Prozent der ukrainischen Geflüchteten erwerbstätig – damit etwa doppelt so viele wie in Deutschland. Dies geht aus einer Studie des ifo Instituts vom Oktober 2024 hervor. Ein Grund dafür sind vermutlich auch geringere sprachliche Barrieren: Polnisch und Ukrainisch sind einander deutlich näher als Deutsch und Ukrainisch. Zudem weist ntv darauf hin, dass bereits vor Kriegsbeginn rund 1,5 Millionen Ukrainer in Polen beschäftigt waren, wodurch die Geflüchteten auf bestehende Netzwerke zurückgreifen können.

Bulgarien nur ein Transitland

Bulgarien dient für Geflüchtete aus der Ukraine eher als Transitland. Das ärmste Land der Europäischen Union nahm nach Kriegsbeginn etwa 3,4 Millionen Ukrainer auf. Im November 2024 lebten laut Angaben der ukrainischen Botschaft in Bulgarien allerdings nur noch rund 60.800 Geflüchtete. Etwa 14.000 von ihnen waren erwerbstätig. Ukrainische Geflüchtete dürfen in Bulgarien arbeiten und erhalten eine einmalige Unterstützung von 806 Euro; dauerhafte Sozialleistungen gibt es nicht.

Norwegen hat nach einem Bericht des Deutschlandfunks etwa 85.000 ukrainische Geflüchtete aufgenommen. Ihnen wurde zunächst kollektiver Schutz gewährt – eine Praxis, die sich nun ändert. Das Land hat im April 2025 den Westen der Ukraine als sicher eingestuft, weshalb die Asylverfahren künftig strenger geprüft werden.

Während der Bearbeitung werden die Geflüchteten in Aufnahmezentren untergebracht. Wer aber eine Vollzeitstelle findet und an einem Einführungsprogramm teilnimmt, kann anschließend mit einer Unterstützung von 20.000 Euro pro Jahr rechnen, die unter anderem für die Finanzierung einer Wohnung genutzt werden kann.

Nach Angaben der UNO-Flüchtlingshilfe sind rund 125.000 Ukrainer in die Niederlande geflüchtet. Ihnen steht das sogenannte Leefgeld zu, eine Beihilfe zur Deckung der Lebenshaltungskosten. Das Leefgeld beträgt durchschnittlich 315 Euro pro Person und Monat.

Belgien zahlt Ukrainern die höchste Sozialhilfe

Kurz nach Kriegsbeginn beschloss Belgien, ukrainischen Geflüchteten einen temporären Schutz zu gewähren, wie das Arbeitsamt der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens erklärt. Im Hauptsitz der EU in Brüssel und im übrigen Land sind die Geflüchteten dadurch gesetzlich krankenversichert und erhalten staatliche Sozialhilfe: Alleinstehende bekommen 1.288,46 Euro, Haushalte mit zwei Personen jeweils 858,97 Euro, Paare mit Kindern insgesamt 1.741,29 Euro. Zusätzlich werden Zuschüsse für Kleidung, Strom, Lebensmittel und Möbel gewährt. Der Schutzstatus wurde Anfang 2025 bis zum 4. März 2026 verlängert. Seit Kriegsbeginn haben rund 66.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Belgien Zuflucht gefunden.

In Deutschland ist es noch unklar, wie die Situation weitergeht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat einen Referentenentwurf vorgelegt, der, so heißt es, "den Koalitionsvertrag eins zu eins umsetzt und derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wird".

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