"Die Verwaltung der Goldreserven liegt in der alleinigen Verantwortung der Bank von Italien", stellt die EZB ihren Standpunkt klar. Die Partei von Ministerpräsidentin Georgia Meloni möchte das ändern.
Die Partei von Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni, Fratelli d'Italia, will die rund 280 Milliarden Euro schweren Goldreserven des Landes zum Eigentum des "italienischen Volkes" erklären lassen. Verwaltet werden sie von der italienischen Notenbank Bankitalia, um deren Unabhängigkeit sich die Europäischer Zentralbank offenbar sorgt.
"Das ist keine Bagatelle", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde zur aktuellen Debatte über Italiens gigantischen Goldreserven. Lagarde stellte klar, dass nach den europäischen Verträgen der Besitz und die Verwaltung der Reserven in die ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Zentralbank eines jeden Mitgliedstaates falle.
Fratelli d'Italia hatte einen Änderungsantrag des Haushaltsgesetztes eingebracht. Die europäischen Währungshüter fordern eine sofortige Rücknahme. Das Manöver der Partei schürt den Verdacht, die Regierung von Meloni wolle eine der größten Goldreserven der Welt anzapfen, um womöglich Haushaltslöcher damit zu stopfen.
Italienische Zentralbank ist drittgrößter Goldhalter der Welt
"Die Banca d'Italia unterscheidet sich in keiner Weise von anderen Zentralbanken", betonte die EZB-Präsidentin und wies erneut darauf hin, dass die operative, buchhalterische und vertriebliche Verwaltung des Goldes weiterhin in ihrer vollen Verantwortung liege. Lagarde warnte vor jedem Versuch, die Unabhängigkeit der Zentralbank und das internationale Vertrauen in ihre Reserven in Frage zu stellen.
Die Haltung der EZB ergibt sich aus der Notwendigkeit, einen wesentlichen Punkt der europäischen institutionellen Architektur zu sichern, denn die Frage der Goldreserven ist kein technisches Detail.
Italien ist unter den Zentralbanken der drittgrößte Goldhalter der Welt, und dieser Vermögenswert ist ein wesentlicher Bestandteil der nationalen und europäischen Reserven. Genau aus diesem Grund kann die Frage nicht als eine einfache regulatorische Änderung behandelt werden: Sie berührt die grundlegenden Prinzipien der Unabhängigkeit der Zentralbanken in der Eurozone.
Was die europäischen Verträge über die Verwaltung der Goldreserven sagen
Lagarde verwies auf den Inhalt der europäischen Verträge, wonach die Haltung und Verwaltung der Reserven in die Zuständigkeit der nationalen Zentralbanken fällt. Es ist nicht die Rede von formalem Eigentum oder Rechtstitel - diese werden in den Verträgen nicht definiert -, aber es ist ganz klar, wer die operative und buchhalterische Kontrolle über die Reserven ausübt.
Die Autonomie der Zentralbanken ist die Garantie dafür, dass die Reserven, insbesondere die Goldreserven, vor politischem Druck oder Versuchen, sie für Haushaltszwecke zu verwenden, geschützt bleiben. Eine Übertragung des Eigentums oder eine zweideutige Umformulierung der Regel könnte den Weg für die politische Verwendung von Gold freimachen und einen gefährlichen Präzedenzfall in der gesamten Eurozone schaffen.
Warum der italienische Vorschlag die EZB beunruhigt
Die EZB hat reagiert, weil der italienische Vorschlag seinen Zweck nicht klärt und die Gefahr besteht, dass das Gleichgewicht in Frage gestellt wird, das die Glaubwürdigkeit des Euro und die finanzielle Stabilität der einzelnen Mitgliedstaaten über die Jahre hinweg gewährleistet hat.
Die Goldreserven stellen eine Art Anker des internationalen Vertrauens dar: Sie sind ein Vermögenswert, den die Anleger sorgfältig beobachten, um die Solidität eines Landes zu beurteilen.
Eine plötzliche Änderung der Regeln für ihre Verwaltung könnte die wahrgenommene Stabilität Italiens und im weiteren Sinne des gesamten europäischen Systems untergraben.
Italiens Rolle als wichtiger Goldhalter
Noch heikler wird die Situation durch die Position Italiens, das über 2.450 Tonnen Gold hält und daher mehr als andere Länder ein großes Interesse daran hat, eine klare, stabile und unabhängige Regelung für die Verwaltung der Reserven zu haben.
Die EZB befürchtet, dass eine politische Intervention in dieser Frage die Zentralbank schwächen, zu regulatorischer Unsicherheit führen und Zweifel daran aufkommen lassen könnte, dass Gold als "Staatsschatz" für unvorhergesehene Zwecke wie den Schuldenabbau oder die Deckung öffentlicher Ausgaben verwendet werden kann. Das könnte sich in einem sensiblen Markt wie dem italienischen unmittelbar auf das Vertrauen der Anleger und die Kosten der Schulden auswirken.
Das Risiko eines Präzedenzfalls für die Eurozone
Schließlich möchte die EZB vermeiden, einen Präzedenzfall zu schaffen: Wenn ein Land einseitig den Rahmen für seine Reserven ändert, könnten sich andere Länder berechtigt fühlen, das Gleiche zu tun, was sich möglicherweise gefährlich auf die Stabilität der Eurozone auswirken könnte.
Aus diesem Grund bekräftigte Lagarde, dass sich der Standpunkt der EZB von 2019 bis heute nicht geändert hat: Die operative Verwaltung des Goldes muss in den Händen der Zentralbank bleiben, und jeder Versuch, diesen Grundsatz neu zu definieren, ist mit äußerster Vorsicht zu betrachten.
Der italienische Änderungsantrag: die Etappen der Debatte
In der ursprünglichen Fassung des Änderungsantrags hieß es, dass "die von der Bank von Italien verwalteten und gehaltenen Goldreserven dem Staat im Namen des italienischen Volkes gehören". In den vergangenen Tagen wurde der Änderungsantrag in einem Auslegungsschlüssel umformuliert. Dem neuen Text zufolge ist die im konsolidierten Währungsgesetz enthaltene Bestimmung über die Verwaltung der offiziellen Reserven "so auszulegen, dass die von der Bank von Italien verwalteten und gehaltenen Goldreserven dem italienischen Volk gehören".
Der Erstunterzeichner des Änderungsantrags, FdI-Fraktionsvorsitzender Lucio Malan, wies darauf hin, dass die aktualisierte Fassung des Änderungsantrags derzeit von der Europäischen Zentralbank geprüft wird.