Laschet: "Keine nationalstaatlichen Reflexe" als Corona-Reaktion

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im Gespräch mit Brüssel-Korrespondent Stefan Grobe
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Von Stefan Grobe
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In einem Interview mit @Euronews spricht sich Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und potenzieller Merkel-Nachfolger @ArminLaschet bei der Bewältigung der #Coronavirus-Krise gegen nationalstaatliche Reflexe aus: bei Schengen, Wettbewerbsregeln und der Gesundheitspolitik.

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Die Coronavirus-Krise ist nicht nur ein Test für die Belastbarkeit des Gesundheitswesens, sie ist auch eine Herausforderung für das politische und wirtschaftliche System in Europa.

Ist der freie Reiseverkehr des Schengen-Raums nur eine Schönwetter-Errungenschaft? Gelten Wettbewerbsregeln nur bis zur nächsten Krise? Braucht es eine größere Koordination und Kooperation auf europäischer Ebene im Falle einer Pandemie?

Fragen an den Ministerpräsidenten des größten deutschen Landes Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, der sich derzeit auch um die Nachfolge von Bundeskanzlerin Angela Merkel bewirbt.

Das Gespräch führte Stefan Grobe aus Brüssel.

Euronews: Herr Ministerpräsident, nichts symbolisiert die europäische Einigung so sehr wie der freie Reiseverkehr.

In der Coronavirus-Krise beschlossen die Mitgliedstaaten die Schließung der EU-Binnengrenzen, jeder für sich.

Läuft der Schengen-Raum künftig Gefahr, zu einer politischen Beliebigkeit zu werden, die man nach Gutdünken respektiert oder auch nicht?

Laschet: Also, das hoffe ich nicht. Wir müssen jetzt alles tun, diesen Schengen-Raum wiederzubeleben. Es war leider ein Rückfall in nationalstaatliche Reflexe, die wir während der Pandemie erlebt haben.

Die Illusion zu glauben, mit einer Grenzschließung könne man ein internationales Virus aufhalten, hatte schon etwas Skurriles, insbesondere, wenn Sie sich die deutschen Süd-Grenzen vor Augen führen. Da reisten die Touristen ja zurück aus den Skigebieten in Ischgl und anderswo. Das waren aber deutsche Staatsbürger, die auch ein Schlagbaum an der Grenze nicht aufhalten kann.

Also, die Maßnahme war aus meiner Sicht falsch. Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen in einem starken Ringen mit dem Bundesinnenminister erreichen können, dass die Grenze zu Belgien und zu den Niederlanden in der gesamten Krisenzeit offen war. Und das brauchen wir jetzt auch für die anderen Grenzen.

Die deutsch-französische Grenze muss weiter geöffnet werden, die deutsch-luxemburgische Grenze ist wieder offen, sodass wir recht bald wieder ein funktionierendes Schengen-System haben und bei der nächsten Krise daran denken, dass man besser europäische Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung beschließt als Grenzen zu schließen.

Euronews: Ein anderes EU-Prinzip wird gerade ebenfalls auf seine größtmögliche Dehnbarkeit getestet, ich rede von den Wettbewerbsregeln etwa beim Thema Staatsbeihilfen für die Luftfahrtindustrie. Müssen die Wettbewerbsregeln künftig neu formuliert werden?

Laschet: Das ist eine Forderung, die ich schon länger habe, aber die durch die Krise noch einmal verschärft ist.

Das europäische Wettbewerbsrecht, auch das Beihilferecht, muss aus meiner Sicht viel stärker europäische Champions möglich machen und nicht so sehr ausschließlich den Blick auf den Binnenmarkt richten, sondern auf die Wettbewerber aus den USA und in China.

Das wird die Auseinandersetzung der nächsten Jahre sein. Wie wettbewerbsfähig sind unsere Unternehmen? Drohen Übernahmen aus China und den USA?

Und deshalb brauchen wir für die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten jetzt ergreifen, um Champions zu retten, ein Fast-Track-Verfahren in der Europäischen Union, wo schneller über Beihilferecht entschieden wird und wo dieser größere globale Rahmen stärker im Blick sein muss als der reine nationalstaatliche oder europäische.

Euronews: Die EU hat zu Beginn der Krise keine glänzende Figur gemacht, was daran gelegen haben mag, dass der Bereich Gesundheit Sache der Mitgliedstaaten ist.

Im Lichte der jetzt gewonnenen Erfahrung, könnten Sie sich vorstellen, der EU hier mehr Kompetenzen zu geben, auch wenn es eine Änderung der EU-Verträge mit sich bringen würde?

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Laschet: Also, wir haben ja unterschiedliche Zuständigkeiten erlebt. In Deutschland waren ja viele Fragen, die während der Pandemie zu entscheiden waren, auch beim Infektionsschutzgesetz, die Länder zuständig.

Da war auch gar nicht der Bund zuständig für Kita-Schließungen, für Schulschließungen, für die Frage von Beschäftigungsverboten, Ladenöffnungszeiten und vielem anderen.

Wir haben da einen Weg gefunden, möglichst geschlossen als deutsche Länder mit der Bundeskanzlerin in der Krise zu agieren, aber wir haben auch Bereiche gemerkt, wo wir mehr europäische Kompetenz brauchen.

Wenn eine Pandemie herrscht, herrscht die ja über Grenzen hinweg, und dies besser zu koordinieren und einen europäischen Blick auf die Virus-Bekämpfung zu haben, wird, glaube ich, eine Aufgabe sein, der wir uns nach der Krise widmen sollten.

Das betrifft auch europäische Bevorratung, beispielsweise von Masken und ähnlichem, die man ja auf den Weltmärkten zu extrem teuren Bedingungen kaufen musste.

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Und ich glaube, wir brauchen auch wieder eine europäische pharmakologische Produktion. Das sollte ein Teil der deutschen Ratspräsidentschaft sein, hier europäische Schutzmechanismen für die Bürger zu entwickeln.

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