Online-Nutzer, darunter die EU-Abgeordnete Manon Aubry, rufen zum Boykott israelischer Waren auf und verbreiten dabei die teils falsche Behauptung, Strichcodes mit "729" kennzeichneten Produkte aus Israel.
Das Waffenstillstandsabkommen, das Israel und die Hamas Anfang Oktober vereinbart haben, wird die seit langem bestehenden Boykottaufrufe gegen israelische Produkte wohl kaum aus der Welt schaffen. Initiiert werden die Aufrufe u.a. von der sogenannten Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS).
Online-Nutzer, darunter die französische Europaabgeordnete Manon Aubry, Co-Vorsitzende der Linken im Europäischen Parlament und Mitglied der Partei "La France insoumise", verbreiten die Behauptung, dass Strichcodes, die mit den Ziffern "729" beginnen, in Israel hergestellt werden.
"Prüfen Sie Ihre Einkäufe: Strichcodes, die mit 729 beginnen, sind israelische Produkte", erklärte Aubry in einem am 27. September geteilten X-Post, der mehr als eine Million Mal aufgerufen wurde.
GS1, die Organisation, die die internationalen Standards für Strichcodes überwacht, erklärte jedoch gegenüber The Cube, dass die ersten drei Zahlen eines Strichcodes nicht angeben, wo ein Produkt hergestellt wurde.
"Das Präfix einer GS1-Barcode-Nummer (die ersten drei Ziffern) gibt nur die GS1-Mitgliedsorganisation an, die die Nummer an einen Hersteller lizenziert hat", so ein Sprecher von GS1 gegenüber Euronews.
Die GS1 Website listet die Präfixe auf, die mit jeder Mitgliedsorganisation verbunden sind. Demnach bedeuten die Ziffern "729", dass ein Barcode in Israel vergeben wurde.
Aber: Unternehmen in der ganzen Welt können jede der 120 GS1-Mitgliedsorganisationen wählen, der sie angehören möchten, unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben oder wo sie ihre Produkte herstellen.
Das bedeutet, dass zwar viele israelische Unternehmen diesen Code verwenden dürften, die Produkte aber nicht unbedingt dort hergestellt werden.
GS1 lehnte es ab, sich zu den möglichen Gründen zu äußern, aus denen sich ein Unternehmen für die Registrierung bei einer Mitgliedsorganisation in einem Land entscheiden könnte, in dem es keine Waren herstellt.
Zu den möglichen Gründen gehört jedoch der Wunsch, sich auf einem lokalen Markt zu etablieren oder bestimmte Online-Plattformen anzusprechen.
Es steht israelischen Unternehmen auch frei, sich einer anderen GS1-Mitgliedsorganisation anzuschließen, wodurch sie Boykotte umgehen könnten.
Was ist die BDS-Bewegung?
Die weltweite BDS-Bewegung wurde 2005 von mehr als 170 palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen ins Leben gerufen und "von der südafrikanischen Anti-Apartheid-Bewegung inspiriert", mit dem Ziel, "Druck auf Israel auszuüben, damit es das Völkerrecht einhält".
Die BDS-Kampagne verfolgt eine Reihe von Zielen. Sie prangert die israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete an und unterstützt ein Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge.
Die Bewegung unterstützt den Boykott von mit Israel verbundenen Unternehmen sowie den Boykott israelischer Akademiker und kultureller Einrichtungen.
Kritiker haben diese Strategie als diskriminierende Form der kollektiven Bestrafung gebrandmarkt, weil offenbar sämtliche Akteure und Einzelpersonen für die Handlungen der israelischen Regierung verantwortlich gemacht werden. Andere haben sie als antisemitisch bezeichnet.
Die Spannungen zwischen der israelischen Regierung und den Abgeordneten des Europäischen Parlaments wurden schon früher durch Boykottaufrufe von Politikern angeheizt.
Im Februar wurde Rima Hassan - eine französisch-palästinensische Europaabgeordnete, die in einem Flüchtlingslager geboren wurde und im Alter von 10 Jahren nach Frankreich kam - die Einreise nach Israel mit der Begründung verweigert, sie unterstütze den Boykott gegen das Land.
Hassan wurde von den französischen Behörden befragt, nachdem jüdische Organisationen Beschwerde gegen sie eingelegt hatten. Diese warfen ihr vor, den "Terrorismus zu verherrlichen", nachdem sie sich über die Hamas geäußert hatte.
Hassan wehrte sich gegen die Vorwürfe und beschuldigte "das gleiche Propagandanetzwerk des israelischen Regimes", zu dem auch die Jüdische Beobachtungsstelle Frankreichs gehört, gegen sie zu arbeiten.
Nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen sind im Laufe des Krieges zwischen Israel und der Hamas bis zum 6. Oktober mehr als 67.000 Palästinenser getötet worden.
Vor dem Hintergrund eines jahrzehntelangen Konflikts wurde der Krieg zwischen Israel und der Hamas durch den Angriff der Hamas am 7. Oktober ausgelöst, bei dem mindestens 1.200 Menschen ums Leben kamen und mehr als 250 Menschen als Geiseln genommen wurden.
Der Krieg hat in Europa den Ruf nach einem Boykott israelischer Produkte laut werden lassen. Im Juni kündigte die britische Supermarktkette Co-op an, nach einer anhaltenden BDS-Kampagne keine israelischen Produkte mehr zu beziehen - zusammen mit Produkten aus 16 anderen Ländern.