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Reduzierung der US-Truppen in Deutschland - Bald weniger Schutz?

Ben Hodges bei der diesjährigen Berlin Freedom Conference
Ben Hodges bei der diesjährigen Berlin Freedom Conference Copyright  Johanna Urbancik / Euronews
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Von Johanna Urbancik
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Ben Hodges, ehemaliger Kommandeur der US Army Europe, spricht über US-Truppenreduzierungen, Zweifel an der NATO und politischen Druck auf die Führung des US-Militärs.

Der Frieden für die Ukraine soll kommen – doch der Weg dorthin sorgt für Streit.

In der vergangenen Woche wurde ein 28-Punkte-Plan bekannt, der ein mögliches Ende von Russlands Angriffskrieg skizziert. Das Papier stößt auf deutliche Kritik, vor allem von europäischen Regierungschefs, die nicht in den Prozess eingebunden waren.

Damit stellt sich erneut die Frage: Kann Europa sich weiterhin auf die regelbasierte Ordnung verlassen, die seine Sicherheit über Jahrzehnte geprägt hat – und auf die USA als Schutzmacht?

In Berlin sprach Euronews mit dem früheren US-Armeeoffizier Ben Hodges, dem ehemaligen Oberbefehlshaber der US Army Europe.

Er erläuterte, warum Washington auf ein starkes Europa angewiesen ist – und warum eine Niederlage der Ukraine auch für die USA negative Folgen hätte.

Der ehemalige Kommandeur der US-Armee in Europa, Generalleutnant Ben Hodges, spricht während seiner Pressekonferenz im Pentagon am Mittwoch, den 9. Dezember 2015.
Der ehemalige Kommandeur der US-Armee in Europa, Generalleutnant Ben Hodges, spricht während seiner Pressekonferenz im Pentagon am Mittwoch, den 9. Dezember 2015. Pablo Martinez Monsivais/AP

Euronews: Warum ist ein ukrainischer Sieg gut für die USA?

Europa ist Amerikas wichtigster Handelspartner. Der Wohlstand der USA hängt vom Wohlstand Europas ab. Europas Wohlstand wiederum hängt von Stabilität und Sicherheit ab – beides wird durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine massiv geschwächt.

Wenn Russland in der Ukraine nicht gestoppt wird und der Krieg auf NATO-Gebiet übergreift, könnten wir uns in einem militärischen, kinetischen Konflikt mit Russland wiederfinden.

Unsere Reaktion dient auch der Abschreckung der Chinesen, die genau beobachten, ob wir es ernst mit Souveränität, internationalem Recht und Verlässlichkeit meinen.

Zudem hält Russland den Iran und Nordkorea am Leben. Eine Niederlage Russlands bedeutet eine weitere Isolation für diese beiden Länder, die damit auch weniger Schaden in Israel oder Südkorea anrichten können.

Euronews: Sind die USA noch ein verlässlicher NATO-Partner?

Meiner Meinung nach, ja. Es ist bedauerlich, dass diese Frage überhaupt gestellt wird und die Trump-Regierung Zweifel daran geweckt hat, ob die USA im Ernstfall wirklich reagieren würden.

Die Russen könnten deswegen eine gefährliche Fehlkalkulation treffen, wenn sie glauben, die USA würden sich auf bloße Stellungnahmen beschränken. Diese Wahrnehmung erhöht das Risiko weiterer russischer Provokationen.

Wenn ich mir anschaue, was die Regierung in den vergangenen zehn Monaten gesagt und getan hat, sieht man jedoch klar, dass die westliche Hemisphäre, also Nord- und Südamerika, oberste Priorität für die Trump-Regierung haben.

Die zweite Priorität ist der Indopazifikraum – vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht. Die dritte Priorität wird nicht Europa, sondern wahrscheinlich der Nahe Osten, sein. Dort verfolgt die Regierung eine überwiegend transaktionale Politik, keine wertebasierte oder traditionelle strategische Linie. Vieles dreht sich um geschäftliche Deals.

Europa steht vermutlich an vierter Stelle, weswegen auch ein Abbau der US-Präsenz hier zu sehen sein wird. Das wurde bereits mit der angekündigten Reduzierung der US-Army in Rumänien eingeleitet.

Euronews: Erwarten Sie eine Reduzierung der Truppen in Deutschland?

Das ist meiner Meinung nach fast unvermeidlich, da darüber bereits während Trumps erster Amtszeit viel gesprochen wurde. Seltsamerweise stieg damals die Zahl der dauerhaft in Deutschland stationierten US-Truppen an.

Jetzt scheint die Regierung entschlossener zu sein, die Reduzierung durchzuführen. Das, was die Army in Europa hat, wird im Pazifik nicht benötigt, könnte aber dennoch reduziert werden, um Geld und Ressourcen freizusetzen.

US-Lieutenant General und Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa, Alexus G. Grynkewich, Bundeskanzler Merz und Verteidigungsminister Pistorius, 27. August 2025
US-Lieutenant General und Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa, Alexus G. Grynkewich, Bundeskanzler Merz und Verteidigungsminister Pistorius, 27. August 2025 Britta Pedersen/(c) Copyright 2025, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Euronews: Wird es Reduzierungen an Luftwaffenstützpunkten wie Ramstein geben?

Ramstein ist für alles, was wir tun, von entscheidender Bedeutung – nicht nur in Europa, sondern auch in Afrika und im Nahen Osten.

Die Stützpunkte, die uns unsere europäischen Verbündeten für Marine und Luftwaffe zur Verfügung stellen, sind wichtig für uns. Es wird wahrscheinlich an einigen Standorten Einschnitte geben. Doch, wenn man etwas abbaut, nimmt man automatisch auch Fähigkeiten weg.

Euronews: Deutschland kauft 35 F-35-Kampfjets aus den USA. Trump hatte zuvor von einem "Kill-Switch" in diesen Jets gesprochen.

Den Kill-Switch gibt es nicht. Eine reale Schwachstelle sind allerdings die Updates. Die F-35 ist im Grunde ein fliegender Computer, was den Jet so besonders macht.

Alle Systeme, die Vernetzung und die Möglichkeiten des Piloten gehen weit über das hinaus, was man traditionell von einem Kampfpiloten erwartet.

Theoretisch könnte Trump die Updates der F-35 stoppen, aber Länder wie Deutschland, Großbritannien, die Niederlande, Finnland und Schweden würden sich absichern, um das zu verhindern. Dieses Szenario ist sehr unwahrscheinlich, da ein Stopp politisch und wirtschaftlich problematisch wäre. Deswegen halte ich das für äußerst unwahrscheinlich.

Ein Lockheed Martin F-35 Lightning II-Flugzeug der italienischen Luftwaffe am 20. Juni 2022 in Schönefeld bei Berlin
Ein Lockheed Martin F-35 Lightning II-Flugzeug der italienischen Luftwaffe am 20. Juni 2022 in Schönefeld bei Berlin Michael Sohn/Copyright 2022 The AP. All rights reserved

Euronews: Deutschland kauft Berichten zufolge mittlerweile rund 80 Prozent seiner Waffen aus Europa und nur einen kleinen Teil aus den USA. Gefährdet eine solche Verschiebung die transatlantische Freundschaft?

Wo Deutschland seine Rüstungsgüter kauft, sollte in erster Linie davon abhängen, was der Bundeswehr die beste Fähigkeit verschafft.

Es gibt jedoch Systeme, die Deutschland derzeit nicht in der Lage – oder nicht bereit – ist zu produzieren, wie zum Beispiel das Patriot-System. Deutschland verfügt über sehr gute Luft- und Raketenabwehrfähigkeiten, aber in seiner Kategorie ist das US-Patriot das beste.

Gleichzeitig versuchen alle – auch die USA – ihre Verwundbarkeiten zu reduzieren. Wir sind aufgrund der chinesischen Kontrolle über seltene Erden sehr verletzlich. Diese Abhängigkeit möchte man verringern.

Euronews: Als ehemaliger Offizier der US Streitkräfte, wie fühlen Sie sich, wenn jemand wie Verteidigungsminister Pete Hegseth gegen "woke"-Politik wettert, Diversität kritisiert und Soldaten wegen ihres Gewichts herabsetzt?

Am meisten beeindruckt hat mich, dass die hunderten dort anwesenden hochrangigen Offiziere ruhig, respektvoll und professionell geblieben sind. Sie haben nicht zugelassen, dass daraus eine Art Wahlkampfveranstaltung wird.

Hochrangige Führungskräfte des US-Militärs am 30. September 2025, in der Marine Corps Base Quantico in Quantico, Virginia
Hochrangige Führungskräfte des US-Militärs am 30. September 2025, in der Marine Corps Base Quantico in Quantico, Virginia Evan Vucci/Copyright 2025 The AP. All rights reserved

Das ist nicht nur eine Verwaltungsformalität; es ist etwas, das uns wirklich etwas bedeutet. Der Eid gilt der Verfassung – nicht dem Präsidenten –, auch wenn Artikel 2 der Verfassung den Präsidenten zum Oberbefehlshaber macht. Der Eid verpflichtet zur Verteidigung der Verfassung.

Hegseth hat fast mehr als ein Dutzend Generäle und Admiräle ohne ersichtlichen Grund entlassen. Das setzt die Führungsebene stark unter Druck, die die Aufträge aus dem Pentagon ausführen muss. Ihre verfassungsmäßige Pflicht besteht darin, rechtmäßige Befehle auszuführen.

Verteidigungsminister Pete Hegseth spricht am Dienstag, den 30. September 2025, auf dem Marine Corps Base Quantico in Quantico, Virginia, zu hochrangigen Militärführern.
Verteidigungsminister Pete Hegseth spricht am Dienstag, den 30. September 2025, auf dem Marine Corps Base Quantico in Quantico, Virginia, zu hochrangigen Militärführern. Andrew Harnik/2025 Getty Images

Euronews: Werden viele von ihnen das tun?

Ich weiß, was eigentlich passieren sollte – und ich bin sicher, dass die überwältigende Mehrheit es auch so handhabt: Schlechte oder illegale Befehle werden bereits im Vorfeld verhindert.

Hinter den Kulissen passiert sehr viel, wenn der Minister etwas fordert. Es ist die Aufgabe des Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen.

Das offensichtlichste Beispiel sind für mich diese sogenannten venezolanischen Drogenboote. Ich halte diese Maßnahmen für rechtswidrig, und denke, dass der Kommandeur des U.S. Southern Command, ein Admiral, deshalb zurückgetreten ist – er konnte das schlicht nicht umsetzen.

Noch etwas: Hegseth scheint entschlossen, Frauen an den Rand zu drängen. Er hat zwar nicht explizit gesagt: "Wir werden alle Frauen loswerden", aber er hat immer wieder männliche Standards betont.

Eine Rekrutin der US-Armee übt am 4. Oktober 2017 in Ft. Benning, Georgia, gemeinsam mit männlichen Rekruten Taktiken zur Gebäudekontrolle
Eine Rekrutin der US-Armee übt am 4. Oktober 2017 in Ft. Benning, Georgia, gemeinsam mit männlichen Rekruten Taktiken zur Gebäudekontrolle John Bazemore/Copyright 2017 The AP. All rights reserved.

Die US Army besteht zu 20 Prozent aus Frauen – aus praktischen Gründen: erstens, weil wir ihre Kompetenz brauchen, und zweitens, weil es nicht genug Männer gibt, die dienen wollen. Das hat nichts mit "woke" zu tun, sondern mit Realitäten.

Aber sein Vorgehen könnte dazu führen, dass sich talentierte junge Frauen vier oder fünf Jahre lang gar nicht erst für den Militärdienst interessieren. Das ist eine ernsthafte Gefahr.

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