Die britische Verbraucherschutzorganisation Which? kritisiert Europas Billigflieger. Handgepäck-Tarife sind fast nie wirklich so günstig wie beworben.
Die von großen europäischen Billigfliegern Ryanair, EasyJet und Wizz Air beworbenen niedrigsten Preise für Handgepäck sind fast nie verfügbar, meldet die britische Verbraucherschutzorganisation Which?.
In einer aktuellen Auswertung von fast 1.500 Gepäckpreisen auf acht stark frequentierten Strecken von Ryanair, EasyJet und Wizz Air stellte Which? fest: Die beworbene Untergrenze von 5,99 Pfund (6,80 Euro) ist in weniger als ein Prozent der Fälle verfügbar.
Die Untersuchung berücksichtigte vier Termine im August, November, Dezember und Februar, um Haupt- und Nebensaison abzudecken.
Viele erfahren die Gebühren für Handgepäck erst auf der letzten Buchungsseite. Das frustriert und kann sogar irreführen.
In manchen Fällen, so Which?, übersteigen diese Gebühren den Preis für den Flug selbst – besonders auf günstigen Europastrecken, die Billigreisen erst attraktiv machen.
Im Gegensatz dazu erlauben große internationale Airlines wie British Airways, KLM und Qatar Airways weiterhin ein kostenloses Handgepäckstück. Aufgabegepäck kostet teils extra.
Zusätzlich zu teils undurchsichtigen Strafgebühren am Gate rund ums Gepäck bei manchen Billigfluggesellschaften stehen Handgepäckpreise seit einigen Jahren besonders im Fokus.
Im November 2024 verhängte Spaniens Verbraucherschutzministerium eine Strafe von 179 Millionen Euro gegen fünf Billigfluggesellschaften wegen „missbräuchlicher Praktiken“ rund ums Gepäck. Die EU-Kommission stellte jedoch die Zuständigkeit Spaniens für solche Strafen infrage.
Auch der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments spricht sich für kostenlose Standard-Handgepäckstücke bei allen Airlines aus.
Which? sagt, man habe die Ergebnisse zu EasyJet bereits mit der Advertising Standards Authority (ASA) geteilt. Diese untersucht den Fall.
„Unsere Recherche zeigt: Dutzende Millionen Passagiere, die ein Handgepäckstück mitnehmen müssen, zahlen weit mehr als den beworbenen Mindestpreis. Statt weniger Pfund kostet die Tasche oft mehr als der Flug selbst“, sagte Rory Boland, Chefredakteur von Which?, zu der Auswertung.
„Die Taktiken dieser Airlines gehören klar benannt. Deshalb haben wir unsere Ergebnisse mit der Aufsicht geteilt.“
Günstigste EasyJet-Handgepäckgebühr kein einziges Mal verfügbar
Unter den 520 bei EasyJet erfassten Kabinengepäckpreisen fand Which? keinen einzigen Flug mit der beworbenen Untergrenze von 5,99 Pfund (6,80 Euro).
„Im Fall von easyJet hat Which? die Airline aufgefordert, ein Beispiel zu nennen, bei dem ein Standard-Handgepäckstück für 5,99 Pfund mitgeführt werden kann. Die Antwort blieb aus“, heißt es in der Auswertung.
Die niedrigste tatsächlich erhobene Gebühr lag bei 23,49 Pfund (26,79 Euro), der Durchschnitt bei 30 Pfund (34,2 Euro). Da Handgepäckgebühren meist nur für eine Strecke gelten, zahlen Reisende für einen Hin- und Rückflug de facto das Doppelte.
„EasyJets Gepäckoptionen und Preise sind transparent und unseren Kundinnen und Kunden gut bekannt. Sie zahlen nur für das, was sie möchten, und nicht mehr. Das ermöglicht uns, die Tarife für alle niedrig zu halten“, sagte ein EasyJet-Sprecher.
„In diesem Jahr entscheiden sich 100 Millionen Passagiere für einen Flug mit uns. Unsere Kundenzufriedenheit steigt Jahr für Jahr. Das zeigt, dass die Kundinnen und Kunden die Auswahl schätzen, die wir anbieten.“
Ryanair: niedrigster Handgepäckpreis nur in 0,3 Prozent der Fälle verfügbar
Nicht weit von EasyJet entfernt: Die günstigste beworbene Handgepäckgebühr von zwölf Pfund (13,70 Euro) fand Which? nur zweimal unter beeindruckenden 634 Flügen – insgesamt also in 0,3 Prozent der Fälle.
Im Schnitt lag die Handgepäckgebühr bei 20,50 Pfund (23,40 Euro). Ryanair wies die Which?-Auswertung scharf zurück, nannte sie „völliger Unsinn“ und erklärte, die Stichprobe von 634 Flügen sei statistisch zu klein und damit weder repräsentativ noch präzise, wenn die Airline monatlich über 100.000 Flüge durchführt.
Ein Sprecher des Billigfliegers ergänzte, Aussagen, die Handgepäckpolitik sei „konfrontativ“ oder habe „große Kundenzahlen verprellt“, seien „ein weiteres völliges Hirngespinst“.
Ryanair stellte zudem in Frage, wie viele der 206 Millionen Kundinnen und Kunden Which? befragt hat, und verwies auf Zahlen: Seit der COVID-19-Pandemie sei der Verkehr um 40 Prozent gewachsen.
„Die Faktenlage ist: Ryanair-Kundinnen und -Kunden strömen millionenfach zu uns und haben kein Problem mit unseren optionalen, vollständig transparenten Gepäckregeln.“
Wizz Air: niedrigste Handgepäckpreise nur in 0,6 Prozent der Fälle verfügbar
Ähnlich bei Wizz Air: Die niedrigste Handgepäckgebühr von zehn Euro fand Which? nur zweimal unter 338 geprüften Flügen – das entspricht 0,6 Prozent der Fälle.
Die Airline erklärte, die von Which? gewählte Stichprobe von 350 Flügen bilde die Handgepäckpreise im gesamten Netzwerk nicht ausreichend ab, zumal Wizz Air jährlich über 75 Millionen Passagiere befördert.
Man habe außerdem keinen Einblick in die Daten gehabt und halte sie für „möglicherweise irreführend“. „Bei Wizz Air sind unsere Gepäckpreise transparent und vollständig konform mit Verbraucherschutzgesetzen. Jedes Ticket beinhaltet eine kostenlose Tasche für unter den Sitz, und Kundinnen und Kunden können bei Bedarf größeres Gepäck hinzufügen“, sagte ein Wizz-Air-Sprecher.
„So zahlen unsere Kundinnen und Kunden nur das, was sie brauchen. Wir halten das für fairer und nachhaltiger als ein Einheitsmodell. Wir machen die Gepäckpreise an vielen Kontaktpunkten klar und raten, große Kabinentaschen direkt und im Voraus zu kaufen, um den besten Preis zu sichern.“