Redeschlacht ums französische Präsidentenamt

Redeschlacht ums französische Präsidentenamt
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Drei Stunden Schlagabtausch zwischen dem linken Herausforderer François Hollande und dem in den Umfragen zurückliegende Amtsinhaber Nicolas Sarkozy. Da ging es weniger um Argumente als um Schlagworte und Posen, die sich den Wählern einprägen. Es ging um die Macht der Bilder, um die vielen noch Unentschlossenen zu beeindrucken.
Hier eine kleine Auswahl:
Sarkozy, hörbar aufgebracht: “Das ist eine Lüge, eine Lüge…” Hollande, eher amüsiert gelassen:
“Was denn?” Sarkozy: “Wenn sie sagen, ich sei immer mit mir zufrieden, dass ich meiner Verantwortung nicht gerecht werde. Das ist eine Lüge.”
Darauf Hollande in sarkastischer Zuspitzung:
“Ach, sie sind mit sich unzufrieden, da muss ich mich geirrt haben. Ich bitte um Entschuldigung und korrigiere: Sie sind mit sich unzufrieden.”
Sarkozy behielt zwar für den Moment das letzte Wort, nur klang es nicht eben siegreich, als er meinte: “M.Hollande, das ist hier kein Wettbewerb um den besten Witz.”
Begründet hatten 1974 diese Tradition zwei Politiker mit bekanntermaßen überragendem Selbstwußtsein. Valery Giscard d’Estaing gewann damals mit einer geschickten Replik, als Francois Mitterrand sein Herz in Waagschale werfen wollte.
Giscard wörtlich: “M. Mitterrand, Sie haben nicht das Monopol, allein ein Herz zu besitzen.
Ich habe auch ein herz, wie Sie. Reden Sie nicht so verletzend für andere mit den Franzosen.”
Es sollte für Giscard der einzige Sieg für eine einzige Amtszeit werden. 1981 zog mit Francois
Mitterrand erstmals ein linker Politiker ins Präsidentenpalais ein. Von 1986 bis ´88 musste sich Mitterrand allerdings die Macht mit dem konservativen Regierungschef Jacques Chirac teilen.
Als der Mitterrand dann auch noch bei der nächsten Präsidentenwahl 1988 herausforderte, ergab sich dieser Dialog:
Chirac: “Heure abend bin ich hier nicht der Premierminister und Sie sind nicht der Präsident.
Wir sind einfach zwei Kandidaten auf Augenhöhe, die sich dem Urteil der Franzosen stellen.
Darum erlaube ich mir, Sie ´Monsieur
Mitterrand´ zu nennen.”
Darauf Mitterrand mit der Arroganz in der Stimme, für die er bekannt war: “Aber natürlich, Monsieur le premier ministre.”
2002 schaffte es Rechtsaußen Jean Marie Le Pen in die Stichwahl . Jacques Chirac lehnte eine Debatte mit Le Pen ab und bekam seine zweite Amtszeit, weil eine überwältigende Mehrheit der Franzosen am Ende Le Pen verhindern wollte.
2007 trat dann mit der Sozialistin Ségolène Royal, die über fast drei Jahrzehnte die Lebensgefährtin des aktuellen Herausforderers Francois Hollande war und mit ihm vier Kinder hat, erstmals eine Frau zu diesem Schlagabtausch an.
Nicolas Sarkozy erkannte bestens ihre Schwächen und reizte sie zusätzlich mit Sätzen wie:
“Ich weiß gar nicht, warum sich Madame Royal so aufregt.” Darauf sie: “Ich rege mich nicht auf. Ich bin wütend.” Sarkozy provozierte noch eine Weile erfolgreich und sagte dann: “Sie sind dabei zu verlieren.” Dieser Satz saß. Und entschied vor fünf Jahren schließlich knapp das Wahlergebnis zu seinen Gunsten.

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Deutlich weniger als die 20 Millionen Zuschauer vor fünf Jahren verfolgten gestern abend das Fernsehduell der beiden Kandidaten. Die Frage, die am Tag danach am meisten interessiert, lautet:
Haben sich die Wählerintentionen dadurch verschoben? Darüber sprechen wir mit dem
Historiker Christian Delporte. Er hat sich auf den Bereich Medien und politische Kommunikation spezialisiert. Über die großen Redeschlachten im Fernsehen hat er auch ein Buch geschrieben.
Diese Fernsehdebatte fand in der besonderen Situation statt, dass der um die Wiederwahl kämpfende Präsident in den Umfragen deutlich zurückliegt. Kann man denn nach der Debatte einen Sieger erkennen?

1Christian Delporte:
Nach den Umfragen ist Hollande klar der Favorit.
Der Favorit für die Debatte aber war Sarkozy.
Das Problem für Hollande bestand darin, zu zeigen, dass er das Zeug zum Präsidenten hat. Und das Problem für Sarkozy bestand darin, mangelnde politische Stärke seines Gegners vorzuführen.
Man erwartete Sarkozy so kämpferisch wie immer.
Ich glaube, man erwartete von Hollande nicht die gleiche Kampfkraft. In diesem Punkt bin ich überrascht worden. Ich denke, bei so einer Debattenschlacht von drei Stunden sind die ersten zehn Minuten entscheidend. Jeder versuchte, den anderen zu beeindrucken. Sarkozy versuchte, die Debatte an sich zu reißen, aber Hollande hielt dagegen. Man spricht heute von einem “Unentschieden”, das bedeutet einen Punktgewinn für François Hollande.

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Was fiel Ihnen bei dem einen auf, was bei dem anderen?

Christian Delporte:
Ich denke, dass François Hollande in seinen Retourkutschen gut war. Ich glaube aber nicht, dass er seinen Gegener außer beim Thema Zuwanderung wirklich in Schwierigkeiten gebracht hat. Ich denke, Sarkozy hat den Fehler gemacht, zu viel seine Bilanz zu verteidigen statt über die Zukunft zu reden.

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Welches waren für Sie die Schlüsselmomente in diesem Streitgespräch?

Christian Delporte
Es gab kaum diese kleinen Formulierungen, die hängen bleiben. Vielleicht noch am ehesten, als Francois Hollande zu Sarkozy sagte:
“Sie sind immer mit sich zufrieden”. Ich glaube, diesen Satz wird man heute überall wiederfinden.

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Es heisst, 20 Prozent der Wähler entscheiden sich erst im letzten Moment. Was könnte das Duell bei diesen Wählern bewirkt haben?

Christian Delporte
Sie wissen, 20 Prozent Unentschlossene wenige Tage vor dem zweiten Wahlgang sind nicht viel.
2007 waren es 30 bis 40 Prozent. Das heisst, dass bei früheren Wahlkämpfen die Debatten der Finalisten niemals eine schon vorhandene Tendenz umgekehrt haben. Man weiß aus der Erfahrung , dass die Umfragen danach immer im Sinne des führenden Kandidaten ausfallen.

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Die Rituale der Drei-Stunden-Redeschlacht wurden seit 1974 nicht verändert. Passt das so noch in die Zeit? Ist bei der heutigen Neigung zu schockierenden Kurzfassungen noch Platz für eine richtige Information der Wähler?

Christian Delporte
Es gibt diese Debatten in Frankreich seit 1974, als Mitterrand gegen Giscard verlor. Mir scheint, dabei geht es weniger um Vorschläge als um die Schockwirkung einer Persönlichkeit.
Genau das wurde gestern geboten.

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Christian Delporte, vielen Dank für Ihre Analyse.

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