Edi Rama: "Albanien ist nicht korrupt und kriminell"

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Audrey Tilve, euronews: “Die Europäische Union kann offenbar noch träumen.

Audrey Tilve, euronews: “Die Europäische Union kann offenbar noch träumen. Wie im Fall von Albanien,dem Balkanland, das häufig mit Problemen wie Korruption und Kriminalität in Verbindung gebracht wird. Doch der Sozialist Edi Rama, der die Regierungsgeschäfte seit fast drei Jahren leitet, versucht das Land zu reformieren. Das Ziel: Der Beitritt zur Europäischen Union. Wir sprechen mit Edi Rama – danke, dass Sie hier sind.”

Edi Rama, Ministerpräsident von Albanien: “Ich danke Ihnen.”

Edi Rama: “Europa ist ein gemeinsam konstruiertes Friedens- und Wohlstandsprojekt”

euronews:“Beginnen wir mit Ihrem Ziel, dem Beitritt Albaniens zur EU. Seit 2014 ist Albanien Beitrittskandidat. Sie drängen darauf, dass die EU-Beitrittsverhandlungen noch in diesem Jahr beginnen. Was macht die EU für Albanien noch attraktiv, wenn Sie sehen, in welchem Zustand sie ist?”

Edi Rama: “Bei uns und auf dem Balkan erinnern wir uns an eine Sache, die im Rest von Europa oft vergessen wird. Nämlich, dass die Europäische Union vor allem ein gemeinsam konstruiertes Friedens- und Wohlstandsprojekt ist. Erinnern Sie sich, wie ich nach 68 Jahren zum ersten Mal Belgrad besuchte und dass mein serbisches Pendant zum ersten Mal in der Geschichte der beiden Nachbarländer nach Tirana gekommen ist, obwohl wir einander bekämpft haben. Und warum? Weil wir alle vereint sind in unserem Bestreben zu Europa zu gehören. Ja, Europa hat Probleme. Aber das sind Probleme, die nicht als Ergebnis eines Projekts behandelt werden sollten, das nicht funktioniert. Sondern eher als ein Mangel an Mut und Führung das Projekt umzusetzen.”

euronews: “Albanien ist ein Land mit vielen Problemen. Warum sollte die ohnehin geschwächte Europäische Union Albanien aufnehmen?”

Edi Rama“Gerade aus den Gründen, die Marine Le Pen und ihre Verbündeten in Europa für ihre Propaganda gegen die EU-Erweiterung anführen. Für mehr Sicherheit. Dafür ist es notwendig, im Zentrum, im Herzen Europas, keine Grauzone entstehen zu lassen, wo Akteure von außerhalb – Russland oder islamische Fundamentalisten – ihresgleichen finden, um die europäische Sicherheit zu gefährden.”

euronews: “Bevor der Beitritt zur EU verhandelt wird, fordert Brüssel von Albanien eine umfassende Reform des Justizsystems. Eine Reform, die wegen der extrem konfliktreichen Beziehung zwischen Ihrer Regierung und der Opposition stagniert und die Arbeit im Parlament erschwert. Wie werden Sie aus dieser Sackgasse kommen?”

Grundlegende Verfassungs- und Justizreform für Albanien soll EU-Beitritt erleichtern

Edi Rama: “Die Reform wird kommen. Wir haben diese Reform vor rund einem Jahr in Angriff genommen – in ein paar Monaten wird sie fertig sein. Es ist eine Verfassungsreform: eine grundlegende und radikale Reform, die das Justizsystem komplett verändern wird. Und natürlich ist das sehr, sehr schwierig. Es gibt Diskussionen, aber davon könnte es viel mehr geben. Man darf zwei Dinge nicht vergessen, zum einen, dass wir im Zeitplan liegen… “

euronews: “Wie ist der Zeitrahmen für die Implementierung dieser Reform?”

Edi Rama: “Wir wollen am Ende des Jahres mit den EU-Beitrittsverhandlungen beginnen. Dazu muss – wenn der Europäische Rat zusammen kommt – die Reform beschlossen sein und das wird sie auch. Auf der anderen Seite muss man aufhören zu denken, dass Albanien korrupt und kriminell ist.”

euronews: “Die Richter sind nicht korrupt in Albanien? Können Sie das vor den albanischen Zuschauern sagen?”

Edi Rama: “Wir müssen mit diesen Geschichten eines korrupten und kriminellen Landes, beziehungsweise der Balkanländer insgesamt, aufhören. Das sind Stereotypen, die über Jahre geschaffen wurden, um diese Länder zu verteufeln.”

euronews: “Nach Ansicht der italienischen Anti-Mafia-Staatsanwälte wird ein Drittel der albanischen Wirtschaft durch kriminelle Aktivitäten und Schwarzhandel aller Art geregelt: Drogen-, Waffen- und Menschenhandel.”

Edi Rama:“Das ist ekelhaft, das ist widerlich. Es hat nie einen Bericht gegeben, der behaupet, dass der Menschen- und Drogenhandel ein Drittel der albanischen Wirtschaft ausmacht. “

euronews: “Was sind Ihre Schätzungen, Ihre Zahlen? Sie sagen also, dass es keinen Drogen-, Waffen- und Menschenhandel in Albanien gibt…”

Edi Rama: “Ich bestreite es vehement. Ich sage Ihnen, dass es völlig falsch ist, von einem Waffenhandel aus Albanien zu sprechen.”

euronews: “Das heißt, in Albanien gibt es kein Kriminalitätsproblem? Alles läuft gut?”

Edi Rama: “Warum gehen wir von einem Extrem zum anderen? Das verstehe ich nicht. Entweder gibt es kein Problem, oder es gibt nur Kriminalität in Albanien. Warum? Gibt es nicht irgendetwas dazwischen? Oder ist es journalistisch interessant, diese Geschichten zu erzählen? Sie beschreiben Albanien, als ob es die Quelle allen Übels in Europa wäre, aber das ist nicht wahr. “

euronews: “Das ist nicht, was ich sagte.”

Edi Rama: “In 25 Jahren haben wir ein wahres Wunder vollbracht, wenn man bedenkt, woher wir kommen.”

Edi Rama “Albanien ist ein Land, das sich täglich verändert. Mit Problemen, mit einer sehr schwierigen Vergangenheit, vielleicht der schwierigsten aller ehemals kommunistischen Länder. Denn wir waren über 50 Jahre isoliert, sowohl von West- als auch Osteuropa. In 25 Jahren haben wir ein wahres Wunder vollbracht, wenn man bedenkt, woher wir kommen.”

euronews: “Wechseln wir das Thema. Sprechen wir über die Wirtschaft des Landes, die Sie entwickeln und voranbringen möchten. Die Auslandsinvestitionen steigen. Dennoch produziert Albanien noch immer wenig, es importiert viel. Auf welche Bereiche setzen Sie in der Zukunft?”

Edi Rama: “Albanien hat viele natürliche Ressourcen: Öl, Gas, Mineralien. Albanien hat ein außergewöhnliches Potenzial für den Tourismus. Albanien kann eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft entwickeln, genug um den eigenen Bedarf zu decken. Wir haben auch viel im Bereich der Energie getan, und noch haben wir sehr günstige Arbeitskräftereserven. Das hilft uns dabei, die verarbeitende Industrie zu stärken. Auf diesen Quellen des Wirtschaftswachstums werden wir in Zukunft bauen und es funktioniert.”

Euronews: “Vor Ihrem Eintritt in die Politik waren Sie Maler. Bereuen Sie, dass Sie die Welt der Kunst hinter sich gelassen haben?”

Edi Rama: “Ich bedaure nichts. Ich hatte andere Pläne, aber jetzt bin ich hier. Ich bin hier, und ich habe die Verantwortung, die Regierung meines Landes zu leiten. Das ist das größte Privileg und die größte Ehre, die jemand haben kann. Aber ich habe auch meine Arbeit als Künstler nicht aufgegeben. Ich bin zugleich Ministerpräsident und Künstler. Oft male ich während der Sitzungen und der Gespräche, bei Telefonaten. Das hilft mir, mich zu konzentrieren. Bei Interviews kann ich nicht zeichnen und wie Sie sehen, laufen die auch nicht immer perfekt.”

euronews: “Edi Rama, danke.”

Weitere Quellen über die EU-Beitrittsbestrebungen von Albanien

Biographie: Edi Rama

  • Edi Rama wurde in der albanischen Hauptstadt Tirana am 04. Juli 1964 geboren
  • seit September 2013 im Amt des Ministerpräsidenten
  • 2000-2011: Bürgermeister von Tirana
  • 1998-2000: Minister für Kultur, Jugend und Sport
  • vor seiner Karriere in der Politik, war er Maler
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