Wahlkampfmathematik: Warum es Trump wahrscheinlich nicht ins Weiße Haus schaffen wird

Wahlkampfmathematik: Warum es Trump wahrscheinlich nicht ins Weiße Haus schaffen wird
Von Euronews
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In etwas mehr als zwei Monaten wird in den USA ein neuer Präsident gewählt.

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In etwas mehr als zwei Monaten wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Nach den letzten Umfragen haben die meisten Bürger bereits entschieden, wem sie ihre Stimme geben werden. Weniger als zehn Prozent sind sich noch unsicher, und eine sichere Mehrheit der Amerikaner will für Hillary Clinton stimmen.

Für die ehemalige Außenministerin und frühere First Lady sind das gute Nachrichten. In der Vergangenheit hat der Kandidat, der Ende August/Anfang September die Nase vorn hatte, meistens gewonnen. Für ihren Gegenkandidaten Donald Trump wird es dagegen zunehmend schwieriger, den Trend noch umzukehren.

Wer wählt den amerikanischen Präsidenten?

Der Präsident der Vereinigten Staaten wird nicht direkt von den Bürgern gewählt. Diese geben ihre Stimme stattdessen sogenannten Wahlmännern, und die formen das Wahlmännergremium. Das wählt in geheimer Abstimmung den neuen Präsidenten.

In Abhängigkeit von der Zahl seiner Einwohner wählt jeder amerikanische Staat plus der District of Columbia, also der Hauptstadt Washington, eine festgelegte Anzahl von Wahlmännern. Die Verfassung garantiert Washington DC dabei die gleiche Zahl von Wahlmännern wie dem Staat mit den wenigsten Einwohnern – Wyoming. DC hat damit drei Wahlmänner. Insgesamt gibt es derzeit insgesamt 538 Wahlmänner.

Mit der Ausnahme von Maine und Nebraska gilt das “Winner takes all-Prinzip”. Sämtliche Wahlmännerstimmen gehen an den Kandidaten, der die Mehrheit der Stimmen erhält. Nach dieser Regel macht es keinen Unterschied, ob der Kandidat mit 99 % der Stimmen oder nur mit 50,1 % gewonnen hat – oder sogar mit noch weniger Stimmen, falls es mehrere Kandidaten gab. In Maine und Nebraska, den beiden bereits erwähnten Ausnahmen, werden die Wahlmänner dagegen proportional zum Wahlergebnis geteilt.

Eine Folge des Mehrheitswahlrechts ist, dass ein Kandidat Präsident werden kann, obwohl nicht die Mehrheit der Wähler für ihn gestimmt hat. Entscheidend ist, wer mehr Wahlmännerstimmen hat. Die magische Zahl dabei ist 270. Sollte die Situation eintreten, dass beide Kandidaten genau 269 Wahlmännerstimmen erreichen, greift der 12. Zusatzartikel der Verfassung. Dann wählt das Repräsentantenhaus den Präsidenten. Jeder Bundesstaat hat dann eine Stimme.

Dieses indirekte Wahlsystem bedeutet auch, dass bestimmte Staaten als strategisch wichtig eingestuft werden, in diesen Staaten wird hart gekämpft. In anderen Staaten, die als unwichtig eingeschätzt werden, gibt es dagegen kaum Wahlkampf.

Warum Hillary Clinton vorn liegt

Von den 50 US-Staaten wählen 40 und der District of Columbia normalerweise immer gleich. Politikwissenschaftler sprechen von “sicheren oder wahrscheinlichen demokratischen/republikanischen Staaten”. Zehn Staaten, die sogenannten “Swing States” gelten als “umkämpfte Staaten”. Diese haben in der Vergangenheit mal mehrheitlich republikanisch, mal demokratisch gestimmt. Keine der beiden Parteien hat hier eine strukturelle Mehrheit.

Die zehn Swing States können das Wahlergebnis entscheiden, und daher konzentriert sich der Wahlkampf traditionell auf diese Staaten. Zwei von ihnen sind dabei “falsche” Wechselstaaten. Zum einen das normalerweise demokratisch stimmende New Mexico, das 2004 aber für den Republikaner George W. Bush gestimmt hatte, und das üblicherweise republikanische Indiana. Hier gewann 2008 der Demokrat Barack Obama. Es wird erwartet, dass beide Staaten 2016 zu ihrem normalen Wahlverhalten zurückfinden.

Nimmt man an, dass die 42 Staaten so wählen, wie sie es immer taten, dann hat Hillary Clinton 19 “sichere” und “wahrscheinliche” Staaten und DC, und damit 247 Wahlmännerstimmen. Donald Trump kommt auf 23 Staaten, die ihm aber nur 191 Wahlmännerstimmen einbringen.

Clinton hat damit klar die Nase vorn. Um die magischen 270 Stimmen zu erreichen, muss sie nur 23 Wahlmännerstimmen zusätzlich zu denen gewinnen, die sie bereits “sicher” oder “wahrscheinlich” hat. Trump muss dagegen 79 zusätzliche Wahlmännerstimmen erreichen, um Präsident zu werden. Alles hängt jetzt also an den acht Wechselstaaten, die zusammen über 100 Wahlmänner stellen werden. Im Einzelnen sind es neun Wahlmänner in Colorado, 29 in Florida, Iowa und Nevada verfügen jeweils über sechs. Vier Wahlmänner sind es in New Hamphire, 15 in North Carolina, 18 in Ohio und 13 in Virginia. In allen diesen Staaten, mit Ausnahme von North Carolina, hat 2012 Präsident Barack Obama, also die Demokraten, gewonnen.

Wer holt die Swing States?

Legt man die Ergebnisse von 2012 zugrunde, dann sieht es gut aus für Hillary Clinton, und nicht so gut für Donald Trump. Sie kann es sich leisten, einige der Wechselstaaten zu verlieren und könnte trotzdem die notwendigen 270 Stimmen erreichen, die sie braucht.

Clinton braucht, wie bereits erwähnt, 23 zusätzliche Wahlmännerstimmen. Gesetzt den Fall, sie würde Nevada (6), New Hamphire (4) und Virginia (13) gewinnen, dann würde sie Präsidentin, selbst wenn sie in Florida und Ohio verlieren würde.

Trump dagegen muss, um ins Oval Office einzuziehen, alle Staaten gewinnen, die Mitt Romney 2012 gewonnen hat zusammen mit Florida, Virginia, Ohio und einem anderen Staat: 206 + 29 + 13 + 18 + New Hampshire (4) = 270.

Kürzlich durchgeführte Umfragen in den Swing States zeigen, wie schwierig Trumps Weg zur Präsidentschaft mittlerweile geworden ist. In Virginia, einem der Staaten, die er zwingend gewinnen muss, liegen die Republikaner so weit zurück, dass die Demokraten ihre Kampagne dort gestoppt haben. Auch ein Sieg in Colorado scheint für Trump unmöglich.

In Florida und Ohio ist Clintons Vorsprung weniger komfortabel, aber dort zu gewinnen bleibt eine schwierige Aufgabe für Trump. Das gilt vor allem für Florida, wo er eine große Anzahl Lateinamerikaner auf seine Seite bringen müsste. Die jedoch sind ihm größtenteils nicht freundlich gesinnt. Trump scheint sich daher auf die Industriestaaten im Mittleren Westen der USA zu konzentrieren, die eine mehrheitlich weiße Bevölkerung haben. Pennsylvania und Michigan stehen auf seiner Liste. In beiden Staaten erlitt Clinton eine herbe Niederlage gegen Bernie Sanders in den Vorwahlen. Trump glaubt, er habe hier eine Chance, auch wenn beide Staaten seit 1992 für die Demokraten gestimmt haben.

Mathematisch scheint es ausgemacht, dass Clinton die Präsidentschaft gewinnen wird.

2000 und 2004 hatten die US-Wahlen fast unentschieden geendet. Dieser Gleichstand der beiden Parteien endete mit Barack Obama, der 2008 mit 365 Wahlmännerstimmen gewann. Beinahe noch überraschender war sein Sieg 2012, als er 332 Wahlmännerstimmen holte. Ein so überragender Sieg war nicht erwartet worden.

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Einer der Gründe, warum es für Clinton – oder auch jeden anderen demokratischen Präsidentschaftskandidaten – einfacher zu werden scheint, das Rennen zu machen, ist ein demografischer Wandel. Dazu gehört vor allem, dass die Gruppe der weißen Wähler, in der es die meisten Wähler der Republikaner gibt, kleiner wird.

1972, als der republikanische Präsident Richard Nixon wieder gewählt wurde, war die Wählerschaft zu circa 90 Prozent weiß. 2012 waren nur noch 72 Prozent der Wähler Weiße. Um zwei Prozentpunkte ist der Anteil der Weißen an der Wählerschaft zu jeder Wahl geschrumpft, und dieser Trend setzt sich weiter fort.

Romney gewann 59 Prozent der Weißen bei der Wahl 2012. Das war mehr, als Ronald Reagan 1980 gewonnen hatte – sein Anteil lag bei 56 Prozent. Trotzdem verlor Romney, da er nur 15 Prozent der Stimmen von Minderheiten für sich gewinnen konnte. Obama gewann 85 Prozent der Minderheiten.

Trumps Umfragewerte unter Minderheiten in den USA sind noch schlechter als Romneys damals. Als Fazit bleibt: Trump muss sich sehr anstrengen, um ins Weiße Haus zu kommen, und wahrscheinlich hat er trotz aller Anstrengung keine Chance.

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