Interview mit Assad: "USA wollen nicht gegen Terroristen in Syrien kämpfen"

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Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP Vorwürfe gegen die USA und ihre Partner erhoben.

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Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP Vorwürfe gegen die USA und ihre Partner erhoben. Diese seien nicht ernsthaft an einer Waffenruhe für Syrien interessiert, sagte er. Er wies die Vorwürfe zurück, die syrische oder russische Luftwaffe hätte am Montag den Hilfskonvoi in Aleppo angegriffen. Assad machte Rebellen dafür verantwortlich. Diese hätten zur selben Zeit auch syrische Truppen vom Boden aus mit Granatwerfern attackiert.

Ian Phillips, Vizepräsident International News bei AP
“Ich möchte mit einer Frage über die Waffenruhe in Syrien beginnen. Russland, die USA, viele Länder sagen, es könne eine neue Waffenruhe geben, trotz der jüngsten Gewalt und Anschuldigungen. Stimmen Sie dem zu und wären Sie bereit, es erneut zu versuchen?”

Baschar al-Assad, Syriens Präsident
“Wir haben gesagt, dass wir bereit sind, die Aktionen einzustellen, wenn Sie wollen, wennen Sie es Waffenruhe. Es geht aber gar nicht um Syrien oder Russland. Es geht um die USA und Terrorganisationen, die mit dem IS oder Al-Nusra oder Al-Kaida in Verbindung stehen, und mit den USA, der Türkei und Saudi-Arabien. Sie haben öffentlich mitgeteilt, dass sie nicht bereit sind, und dies ist nicht der erste Versuch einer Waffenruhe in Syrien. Der erste Versuch war vergangenen Februar, und es hat nicht funktioniert; ich glaube, wegen der USA. Und ich glaube auch, dass die USA nicht ehrlich sind, was eine Waffenruhe in Syrien angeht.”

Ian Phillips
“Denken Sie, es könnte eine US-russische Partnerschaft gegen Aufständische geben, wie es im Abkommen skizziert ist?”

Baschar al-Assad
“Theoretisch ja, aber in Wirklichkeit nein, denn die USA wollen überhaupt nicht gegen Al-Nusra oder den IS vorgehen, denn sie glauben, dies sei eine Karte, die sie für ihre eigene Agenda ausspielen können. Wenn sie Al-Nusra oder den IS angreifen, würden sie eine wichtige Karte in Bezug auf die Lage in Syrien verlieren. Daher denke ich nicht, dass die USA bereit sind, gemeinsam mit Russland gegen Terroristen in Syrien zu kämpfen.”

Ian Phillips
“Die USA haben diese Woche gesagt, der Angriff der Koalition auf syrische Truppen war ein Unfall. Akzeptieren Sie diese Erklärung?”

Baschar al-Assad
“Nein. Zum einen war dies kein Versehen von einem einzelnen Flugzeug. Hier waren vier Flugzeuge, die die Stellung der syrischen Truppen über eine Stunde lang angegriffen haben. Man begeht keinen Fehler, der länger als eine Stunde dauert. Zweitens haben sie kein Gebäude in einem Stadtviertel angegriffen. Sie attackierten ein großes Gebiet, das aus vielen Hügeln besteht. Dort befanden sich keine Terroristen in der Nähe der syrischen Truppen. Allerdings haben Kämpfer des Islamischen Staats uns unmittelbar nach dem amerikanischen Luftschlag angegriffen. Woher wussten sie, dass die Amerikaner diese Position angreifen würden, so dass sie ihre Kämpfer versammeln und eine Stunde nach dem Luftschlag angreifen und die Stellung einnehmen konnten? Das war definitiv absichtlich, nicht versehentlich, wie sie behaupten.”

Ian Phillips
“Hat Syrien oder Russland den Hilfskonvoi des Roten Halbmondes diese Woche angegriffen und sollte Moskau die Verantwortung übernehmen, wie das Weiße Haus verlangt?”

Baschar al-Assad
“Nein. Zunächst einmal waren dort Dutzende Konvois verschiedener Hilfsorganisationen aus aller Welt, die schon seit den vergangenen Jahren in verschiedene Gegenden Syriens fahren. Und noch nie ist so etwas passiert. Warum sollte es also jetzt passieren, verübt von Russen oder Syrern? Nein, das ist einfach nur eine Behauptung. Und angesichts dieser Behauptung des Weißen Hauses von gestern würde ich sagen, dass alles, was die US-Behörden über den Konflikt in Syrien sagen, keinerlei Glaubwürdigkeit hat. Was auch immer sie sagen, es sind einfach nur Lügen.”

EXCLUSIVE VIDEO: Syrian President Assad says militants and 'terrorists' should be blamed for attack on aid convoy. https://t.co/KQO5guOFJn

— The Associated Press (@AP) 22. September 2016

Ian Phillips
“Also was ist dann mit dem Konvoi geschehen? Wer ist verantwortlich?”

Baschar al-Assad
“Diese Konvois fuhren in einer Gegend, die von Rebellen gehalten wird, die unter der Kontrolle der Terroristen ist. Deshalb sollte man sie zuerst beschuldigen: die Kämpfer, die Terroristen, die die Verantwortung für die Sicherheit des Konvois trugen. Wir haben keine Ahnung, was passiert ist. Das einzige, was wir sagen, war das Video eines ausgebrannten Wagens, zerstörte LKW, sonst nichts.”

Ian Phillips
“Mehrere Augenzeugen haben AP gesagt, dass 20 Raketen auf den Konvoi abgefeuert wurden. Es gibt Aufnahmen von zerfetzten Leichen. Das sieht ganz danach aus, dass es nichts anderes als ein Angriff aus der Luft gewesen sein kann. Augenzeugen sprechen auch von Fassbomben. Und wie Sie wissen, wurde Ihrer Regierung vorgeworfen, in einigen Fällen Fassbomben eingesetzt zu haben. Glauben Sie immer noch, dies war ein Angriff der Rebellen vom Boden aus?”

Baschar al-Assad
“Ja, erstens haben auch die Vereinten Nationen gesagt, dass es keine Luftschläge gegen den Konvoi gegeben hat. Das war gestern. Zweitens: zur gleichen Zeit, als der Konvoi angegriffen wurde, griffen Terroristen syrische Truppen mit Raketen an. Die starteten einen Raketenangriff, wir reagierten aber nicht. Drittens: Man kann bei solch einem Urteil oder solch einer Anschuldigung nicht von Augenzeugen sprechen. Wie glaubwürdig sind diese Augenzeugen, wer sind sie? Das wissen wir nicht.”

Ian Phillips
“Die Welt hat gesehen, was in Aleppo passiert ist. Dort waren UN-Konvois, die nicht in die Stadt fahren durften. Streiten Sie ab, dass dies der Fall war?”

Baschar al-Assad
“Die Lage ist jetzt schon seit vier Jahre so. Gäbe es wirklich einen Belagerungsring rund um Aleppo, wären die Menschen dort längst tot. Das zum einen. Zweitens, und das ist deutlich wichtiger: Sie haben die Nachbarregionen und die Positionen der syrischen Armee seit Jahren beschossen, ohne Unterlass, mit Granatwerfern, mit allen möglichen tödlichen Bomben. Wie können sie am Verhungern sein, wenn sie gleichzeitig Waffen haben? Und wir sollen in der Lage sein, die Hilfskonvois mit Nahrung und Medizin daran zu hindern, diese Gegend zu erreichen, während wir gleichzeitig angeblich nicht verhindern können, dass Waffen dorthin gelangen? Das ist doch unlogisch.

EXCLUSIVE VIDEO: Syrian President Assad says his country's forces do not have a siege around Aleppo. https://t.co/PZWyrQFqV8

— The Associated Press (@AP) 22. September 2016

Ian Phillips
“Welche Botschaft haben Sie an die Menschen in Aleppo, die das Gegenteil sagen, die sagen, dass sie hungern, dass sie an Unterernährung leiden. Die sagen, dass es kaum mehr Ärzte dort gibt und dass Ärzte angegriffen und bei Luftangriffen getötet wurden. Die sagen, dass sie belagert werden und sterben. Welche Botschaft haben Sie an diese Menschen?”

Baschar al-Assad
“Sie können nicht von ‘den Menschen in Aleppo’ sprechen, denn die Mehrheit der Menschen Aleppos lebt in der Hälfte, die unter der Kontrolle der Regierung ist. Daher können Sie nicht über ‘die Menschen von Aleppo’ sprechen. Wenn Sie über einige sprechen wollen, die das angeblich behaupten, dann fragen wir sie, wie sie dann noch am Leben sein können. Warum gibt es zum Beispiel keine Epidemien, wenn dort keine Ärzte sind? Wie können sie von Angriffen sprechen? Sie werden Syrien vor, Krankenhäuser anzugreifen. Also haben sie Krankenhäuser und Ärzte, sie haben alles. Wie könnt ihr das alles haben? Wie kommt ihr an Waffen? Das ist die Frage! Wie gelangen die Waffen zu euren Leuten, während ihr keine Nahrung habt? Sie müssen das erklären, nicht ich. Die Realität spricht Bände.”

Ian Phillips
“Wenn Sie die Arbeit der Helfer schätzen, die zu jedem Notfall gehen, egal, worum es sich handelt, heißt das, Sie unterstützen die Nominierung der Hilfsorganisation “Weißhelme” für den Friedensnobelpreis?”

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Baschar al-Assad
“Es geht nicht darum, ob die Weißelme glaubwürdig sind oder nicht, denn manche Organisationen werden zu politischen Zwecken eingesetzt, sie verstecken sie hinter einer humanitären Maske, um eine bestimmte Agenda durchzusetzen. Wenn Sie über die humanitäre Hilfe sprechen wollen, wie passt es zusammen, dass ich einerseits Krankenhäuser angreifen soll, während ich gleichzeitig Impfstoffe dorthin schicke? Erklären Sie mir das. Sie sagen zwei widersprüchliche Sachen: einmal, dass ich über diese Realität sprechen, denn jeder weiß, dass wir Impfstoffe senden, zum anderen, dass wir Krankenhäuser angreifen. Das passt nicht zusammen.”

Ian Phillips
“Würden Sie sie für einen Friedensnobelpreis unterstützen?”

Baschar al-Assad
“Wen?”

Ian Phillips
“Die Weißhelme.”

Baschar al-Assad
“Was haben sie denn in Syrien erreicht? Und wie unpolitisch ist der Nobelpreis? Das ist die andere Frage. Wenn ich eine Antwort auf diese beiden Fragen bekomme, kann ich Ihnen antworten. Ich würde nur dem einen Preis geben, der sich für den Frieden in Syrien einsetzt, indem er zunächst einmal den Zustrom von Terroristen nach Syrien beendet.”

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Ian Phillips
“Meine letzte Frage: Die US-Präsidentschaftswahl ist in wenigen Wochen. Wie würde sich Ihrer Ansicht nach die US-Politik von Trump oder Clinton hinsichtlich Syriens, aber speziell auch Ihnen gegenüber, unterscheiden?”

Baschar al-Assad
“Das Problem mit jedem amerikanischen Präsidentschaftskandidaten, und ich spreche nicht nur über diesen Wahlkampf oder diese Wahlen, sondern generell, ist, dass sie während des Wahlkampfs das eine sagen, und danach das Gegenteil machen. Wir sehen doch jetzt schon, wie US-Vertreter am Morgen das eine sagen und abends das Gegenteil tun. Man kann diese Leute nicht danach beurteilen, was sie sagen. Man kann sie nicht beim Wort nehmen, um ehrlich zu sein. Wir hören nicht auf ihre Statements. Darum kümmern wir uns nicht, wir glauben es nicht. WIr müssen abwarten, bis einer von beiden Präsident ist. Wir werden ihre Politik beobachten, ihre Handlungen, ihr Verhalten. Wir haben keine großen Erwartungen, das hatten wir noch nie. Wir hoffen allerdings, dass wir rational agierende amerikanische Präsidenten sehen, die fair sind, sich an internationales Recht halten, die mit anderen Ländern respektvoll umgehen, auf Augenhöhe, und so weiter. Aber wir alle wissen, dass das nur Wunschdenken und Einbildung ist.”

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