360° aus Martinique: "Wir haben den Sinn für eine gemeinsame Sache verloren"

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Von Euronews
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Welchen Blick haben die Anwohner der Übersee-Territorien auf die bevorstehenden französischen Präsidentschaftswahlen?

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Vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich stellen wir in Zusammenarbeit mit der örtlichen Presse das französische “Wahlvolk” vor – Stimmberechtigte oder die, die es gern wären. Diesmal trifft Jean-Philippe Ludon, Journalist bei Radio Caraïbes International, Michel Queuille, einen Rentner, der seinen Lebensabend auf der Übersee-Insel Martinique verbringt.

Michel Queuille kommt ursprünglich aus Clermont-Ferrand in Frankreich. Er hat sein ganzes Leben für eine Bank in der Auvergne gearbeitet. Vor 15 Jahren ist er in Rente gegangen und verbringt seinen Lebensabend zusammen mit seiner Frau auf Martinique. Auch wenn er weit weg vom französischen Festland lebt, verfolgt er die französische Politik mit großem Interesse. Doch bei diesen Wahlen fällt es ihm schwer, eine Entscheidung zu treffen.

Jean-Philippe Ludon: “Hallo, ich bin Jean-Philippe Ludon, Journalist bei Radio Caraïbes International. Wir sind hier in in Anses-d’Arlet, auf Martinique und treffen uns mit dem Rentner Michel Queuille.”

Michel Queuille: “Ich bin enttäuscht von den Menschen, der Qualität der Diskussionen, die nicht den Kern der Dinge treffen. Ich bin enttäuscht von der ausschweifenden Medienberichterstattung. Es ist das erste Mal, dass ich mich in einer solchen Situation befinde, in der ich sage: ich lasse den Stimmzettel leer.

“Ich weiß, dass es feige ist, den Stimmzettel weiß zu lassen. Wir können uns nicht beschweren, wenn wir auf diese Weise abstimmen, denn wir haben uns nicht positioniert. Wir haben kein Recht uns zu beschweren, jemandem die Schuld zu geben oder wütend zu sein. Nein! Die zweite Runde ist das Hauptproblem. Denn da wissen wir, wen wir wählen.”

Jean-Philippe Ludon: “Weil Sie wählen müssen…”

Michel Queuille: “Das ist es, genau, man muss wählen…Denn dann werde ich mir sagen: Jetzt sind ich hier und murre, aber alles was du machen musstest ,war wählen! In der Stichwahl werde ich entscheiden. Aber nicht in der ersten Runde, nein. Ich werde keine Auswahl aus diesem politischen Brei treffen…ich werde nicht entscheiden.!

Jean-Philippe Ludon: “Haben Sie Lust, über die Übersee-Territorien zu sprechen?”

Michel Queuille: “Wir können viel über die Überseedepartements sprechen, aber das Wichtigste ist zu wissen, was hinter den Kulissen passiert. Ich habe nicht den Eindruck, dass, wenn die Staatsoberhäupter im Amt sind, sie ihre Wahlversprechen konkreter werden lassen. Die überseeischen Territorien sind sehr weit weg. Sie kommen von Zeit zu Zeit hier her und wiederholen schöne Sätze!”

Jean-Philippe Ludon: “Wo wir gerade dabei sind: Wissen Sie, was gerade in Guyana passiert?”

Michel Queuille: Manche dieser Dinge sind einfach übertrieben! Wenn ich sehe, dass die Guyaner ein 400-seitiges Buch mit Forderungen präsentieren, dann denke ich mir: Wir schaffen ein furchtbares Durcheinander! Wo bleibt das Essenzielle? Man kann es nicht allen recht machen. Da fehlt natürlich der Sinn für Realität.

Michel Queuille: “Wir haben den Sinn für eine gemeinsame Sache verloren, während der Individualismus auf dem Vormarsch ist. Das erste, was wir machen, wenn wir ein Haus bauen, ist einen Zaun darum zu ziehen. Unser Haus hat keinen, manchmal kommen viele Hunde, aber wir sind nicht eingemauert. Dieser Individualismus schafft, dass wir den Geschmack für…ich möchte jetzt nicht über “Aufopfern” sprechen, aber über die Notwendigkeit, eine gemeinsame Sache zu haben, einen Plan fürs Zusammenleben. Da muss man immer ein gewisses Opfer bringen. Wahrscheinlich klinge ich jetzt wie ein alter Veteran, wenn ich so etwas sage. Deswegen spreche ich auch nicht über diese Themen, denn manche sagen “Dieser alte Idiot sagt immer dasselbe.”

Jean-Philippe Ludon:“Sprechen wir über Individualismus: Fühlen Sie das hier in Martinique genauso?”

Michel Queuille: “Es scheint, dass auch in Martinique mit Zeit die Mängel nachgeholt werden, die schlechten Angewohnheiten der Festlandfranzosen. Und außerdem gibt es dieses sich Zurückziehen. Und wie in Frankreich, kommt mehr Individualismus auf. Aber da könnte ich falsch liegen.”

Produzent: Olivier Péguy, euronews
in Zusammenarbeit mit Jean-Philippe Ludon,Radio Caraïbes International
Schnitt: Emma Belay
Euronews wird gesponsert von Google News Lab

Musik: ATOMOS 288 5 “Journey in a landscape”

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