360° Videos - Menschen zur Bundestagswahl: "Weniger Obrigkeitsstaat und mehr Mitmachstaat!"

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Von Euronews
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Zu Besuch bei dem Open-Data-Aktivisten Stefan Kaufmann in Ulm.

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Zu Besuch bei dem Open-Data-Aktivisten Stefan Kaufmann in Ulm.

Was beschäftigt die Menschen in Deutschland? Was wünschen sie sich von der Politik? In den Wochen vor der Bundestagswahl reisen wir mit einer 360°-Kamera durch die Republik und befragen sie.

Die Protagonistinnen und Protagonisten erzählen uns, was ihre Sorgen, Hoffnungen und Wünsche sind. Unsere InterviewpartnerInnen haben unterschiedliche Berufe, sie stammen aus verschiedenen Regionen und haben ganz unterschiedliche Hintergründe.

Die siebte von neun Folgen hat uns nach Ulm in Baden-Württemberg geführt, wo wir mit Stefan Kaufmann gesprochen haben. Der 32-jährige Diplominformatiker ist seit einigen Jahren Aktivist für Open Data, freies Wissen und Transparenz. In Ulm versucht er als Projektleiter das Verschwörhaus aufzubauen.

Christine Liebhardt, Südwest Presse:
“Mit Code die Welt verbessern, was muss ich mir darunter vorstellen?”

Stefan Kaufmann:
“Die Idee dahinter ist, zu überlegen, welche Probleme es in der Gesellschaft gibt und wie ich sie gezielt angehen und mit einer App oder einem Stück Hardware lösen kann. Es geht nicht in erster Linie darum, etwas zu Geld zu machen, sondern darum, was besonders den Menschen etwas bringt, die bei uns am verwundbarsten, am verletzlichsten, sind.”

Christine Liebhardt:
“Also auch ein bisschen antikapitalistisch.”

Stefan Kaufmann:
“Ein bisschen emanzipatorisch.”

Das Motto des Verschwörhauses in Ulm lautet: “Digitalisierung für alle”. Angeboten werden Workshops, Mitmacherlebnisse und Einführungskurse zu freiem Wissen. Kreativität wird aber nicht nur am Computer, sondern auch in der Holz- und Metallwerkstatt und im Nähcafe ausgelebt.

Christine Liebhardt:
“Der deutsche Wahlkampf wird von vielen eher als langweilig empfunden. Ist das schlecht, oder hat das auch etwas Gutes?”

Stefan Kaufmann:
“Man könnte es als Zeichen dafür sehen, dass die Deutschen alle zufrieden sind und es keine Probleme gibt. Aber dem ist ja nicht so. Es gibt genügend Probleme auf der Welt, bei denen Deutschland auch eine Rolle spielt. Ich sehe eher das Problem oder die Gefahr, dass bei diesem elanlosen Wahlkampf niemand Zukunftsvisionen oder Utopien präsentiert, auf die es lohnt hinzuarbeiten oder sich dahinter zu stellen. Es ist ein Problem, dass zum einen eine Große Koalition wieder vorgezeichnet scheint und dass zum anderen die Entscheidung, für die oder jene Partei zu stimmen, fast egal zu sein scheint. Die Menschen werden depolitisiert und ziehen sich ins Private zurück nach dem Motto: Die machen ja eh, was sie wollen. Was auch wieder den Extremisten, vor allem rechts, in die Hände spielt.”

Stefan Kaufmann:
“Deutschland und Baden-Württemberg sind beide sehr reich. Es läuft unglaublich gut momentan, auch mit der Wirtschaft. Sie steht enorm gut da, trotz aller Widrigkeiten, die sich der Wirtschaft weltweit stellen. Das ist aber meiner Ansicht nach auch eine Schwäche. Dieses Wohlgefühl, die Tatsache, dass alles gut geht, führt auch zu einer gewissen Trägheit und damit auch zu einem Unwillen zur Veränderung und auch zu einem Unwillen, Innovation voranzubringen, damit es allen Leuten besser gehen kann.”

Christine Liebhardt:
“Wo sollte Geld reingesteckt werden? Welche Projekte sollten gefördert werden?”

Stefan Kaufmann:
“Infrastruktur, Bildung und ein besseres Leben für alle. Beim Breitbandausbau hängt Deutschland unglaublich weit hinterher. Es ist keine Zukunft, immer noch über Kupfer Daten austauschen zu wollen. Im Bildungsbereich wird sehr viel gesagt, es heißt dann, die nachkommende Generation soll unseren Wohlstand weitertragen. Auf der anderen Seite krebst man mit halbgaren Maßnahmen rum und ist nicht bereit, die Bildung richtig zu fördern. Ein weiteres Thema: Wir müssen keine Menschen an den EU-Außengrenzen ertrinken lassen. Wir haben genügend Geld, um für alle Menschen, die in Deutschland sind und die nach Deutschland kommen möchten, eine würdige Behausung zu finden, egal ob sie hier geboren worden sind oder nicht.”

Christine Liebhardt:
“Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung ?”

Stefan Kaufmann:
“Was ich mir erwarten würde, wäre ein wirkliches Bekenntnis zur Transparenz und ein Staat, der sich öffnet und nicht nur den Sicherheitsstaat markiert, der die Bürgerinnen und Bürger um jeden Preis schützt. Der von sich aus sagt, wir öffnen uns, wir ebnen die Machtunterschiede ein bisschen ein. Das heißt: ein echtes Einstehen für Informationsfreiheit und vor allem auch die Menschen, die draußen sind, in die Lage zu versetzen, selber Hand anzulegen und bis hin zur Kommunalförderung, um Breitbandausbau und bessere Bildung hinzukriegen. Weniger Obrigkeitsstaat und mehr Mitmachstaat!”

Christine Liebhardt:
“Wenn Angela Merkel nach Ulm kommen würde, was würden Sie ihr hier zeigen?”

Stefan Kaufmann:
“Spaßigerweise müssen PolitikerInnen ja immer irgendetwas angucken und gezeigt bekommen. Ich glaube, eine schöne Sache für Angela Merkel wäre es, einfach runterzugehen ins Fischerviertel, an die Blaue zu sitzen und einfach die Klappe zu halten; gemeinsam.”

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Produziert von: Lena Roche
in Zusammenarbeit mit Christine Liebhardt, Südwest Presse
Schnitt: Nathalie Texier
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