5 Fragen zum "Jahrhundert"-Prozess in Katalonien

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Von Euronews
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An diesem Dienstag startet der Prozess gegen katalanische Politiker. Einige sitzen seit Monaten im Gefängnis.

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Einige sprechen schon vor Beginn der Verhandlungen vom "Jahrhundert-Prozess". Es geht um die Rechtmäßigkeit des Referendums zur Unabhängigkeit von Katalonien vom Oktober 2017.

Aber es geht auch um Begriffe, die die Justiz nicht überall auf der Welt gleich auslegt: "Aufruhr", "Rebellion" und "Ungehorsam", aber auch um Unterschlagung von Geldern.

Die spanische Regierung erkannte das Referendum nicht an und bezeichnete die, die es initiiert hatten, als "Kriminelle".

Wer steht vor Gericht?

Die Angeklagten sind ehemalige Beraterinnen und Berater der Regionalregierung, ehemalige Parlamentsabgeordnete und Vertreterinnen und Vertreter katalanischer Unabhängigkeitsorganisationen. Das sind ihre Namen:

  • Carme Forcadell: ehemalige Parlamentspräsidentin

  • Oriol Junqueras: ehemaliger Vizepräsident der Regierung

  • Jordi Turull: ehemaliger Berater und Regierungssprecher

  • Josep Rull: ehemaliger Berater

  • Raül Romeva: ehemaliger Außenminister

  • Joaquim Forn: ehemaliger Innenminister

  • Dolors Bassa: ehemalige Ministerin für Arbeit und Soziales

  • Meritxell Borrás: ehemalige Regierungsberaterin

  • Carles Mundó: ehemaliger Regierungsberater

  • Santi Vila: ehemaliger Regierungsberater

  • Jordi Sànchez: ehemaliger Anführer der Bürgerbewegung ANC und Mitglied der Unabhängigkeitsbewegung "Junts per Catalunya"

  • Jordi Cuixart: Präsident der katalanischen Kulturorganisation Òmnium Cultural

  • Lluis Corominas: Parlamentsabgeordneter

  • Lluís Guinó: Parlamentsabgeordneter

  • Anna Simó: Parlamentsabgeordnete

  • Ramona Barrufet: Parlamentsabgeordnete

  • Josep Joan Nuet: Parlamentsabgeordneter

  • Mireia Boya: Ehemalige Vorsitzende der CUP ("Candidatura d’Unitat Popular", linke Partei, die sich für Unabhängigkeit einsetzt)

Neun der achtzehn Unabhängigkeitsbefürworter befinden sich weiterhin in Untersuchungshaft, darunter Junqueras, Romeva und Forn.

Die anderen wurden gegen Kaution freigelassen.

Warum sind die Angeklagten im Hungerstreik?

Vier der Inhaftierten befinden sich zu Prozessbeginn im Hungerstreik: Joaquim Forn, Jordi Sànchez, Jordi Turull und Josep Rull.

Die vier schickten am Montag Briefe an mehr als 40 europäische Staats- und Regierungschefs, um gegen das zu protestieren, was sie als Misshandlung durch die spanischen Gerichte ansehen.

"Wir leiden unter einem Gerichtsverfahren, das unsere Grundrechte schwer verletzt, einschließlich des Rechts auf Unschuldsvermutung", schrieben die katalanischen Politiker.

Sie protestieren mit ihrem Schreiben gegen die "Blockade" des Verfassungsgerichtshofs, der ihre Berufungen und damit ihren "Zugang zur europäischen Justiz" verhindert.

Turull, der von Juli bis Oktober 2017 als Berater der Präsidentschaft der Regionalregierung von Katalonien tätig war und den Hungerstreik am 1. Dezember 2018 begann, wurde am vergangenen Freitag in die Krankenstation des Gefängnisses verlegt, da sich sein Gesundheitszustand nach 13 Tagen ohne Essen verschlechtert hatte.

Welches Gericht ist mit dem Fall betraut?

Der Oberste Gerichtshof Spaniens in Madrid hat den 18. Dezember 2018 als formalen Beginn des Verfahrens festgelegt. Im ersten Teil wird daüber entschieden, inwiefern dass Oberste Gericht für die Beurteilung der Anführer der Unabhängigkeitsbewegung zuständig ist.

Die Angeklagten werden bei der Voruntersuchung nicht anwesend sein.

Die Verteidigung wird beantragen, dass der Prozess vor dem Obersten Gerichtshof Kataloniens stattfindet, was die beiden Kläger - die dem Justizministerium unterstellte Staatsanwaltschaft und eine unabhängige Staatsanwaltschaft - ablehnen

Wenn sich nach dem Vorverhandlung nichts ändert, beginnt die Untersuchung im Januar 2019.

Das Verfahren wird voraussichtlich mehrere Monate dauern.

Welches sind die Anklagepunkte?

Staatsanwälte beschuldigen die Separatisten der Rebellion, des Aufruhrs, der Veruntreuung und des Ungehorsams.

Die von der Regierung unabhängige spanische Staatsanwaltschaft beantragt Haftstrafen zwischen 16 und 25 Jahren.

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Die höchste Strafe, 25 Jahre Gefängnis, wird für den ehemaligen Vizepräsidenten der katalanischen Regierung, Oriol Junqueras, beantragt, da er als Anführer der Rebellion gilt.

Unterdessen beantragt die Staatsanwaltschaft, die dem Justizministerium unterstellt ist, Freiheitsstrafen von sieben bis zwölf Jahren wegen Aufwiegelung und Unterschlagung für katalanische Unabhängigkeitsbefürworter.

Bei der Verurteilung wegen Rebellion muss Gewalt angewandt worden sein. Gewalt unterscheidet Rebellion von Aufruhr. Das spanische Recht definiert Aufruhr als nicht gewaltsam, sondern "tumultartig".

Diese Nuance wurde vom Bundesgerichtshof von Schleswig-Holstein geprüft, als dieser im vergangenen April ausschloss, den ehemaligen Präsidenten Kataloniens Carles Puigdemont der spanischen Justiz wegen der Anklage wegen Rebellion zu übergeben. Nach deutschem Recht wurde der Tatbestand der "Gewalt" nicht erfüllt.

Wie ist die politische Lage in Katalonien jetzt?

Der derzeitige Präsident der katalanischen Regierung, Quim Torram, hat ein 48-Stunden-Fasten zur Unterstützung der separatistischen Gefangenen initiert, die sich im katalanischen Gefängnis von Lledoner im Hungerstreik befinden.

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Torra gehört der politischen Partei des ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont an, der nach seiner Flucht nach Belgien nicht vor Gericht gestellt wird.

Torra hatte vorgeschlagen, die katalonische Unabhängigkeit auf dem so genannten "slowenischen Weg" zu erlangen. "Die Slowenen waren da sehr deutlich. Sie haben beschlossen, über sich selbst zu bestimmen zu wollen und den Weg zur Freiheit zu gehen – mit all den damit verbundenen Folgen –, bis sie ihr Ziel erreicht haben", sagte Torra.

Eine Aussage, die viele Menschen innerhalb und außerhalb Kataloniens schockierte und dazu animierte, erneut eine Anwendung des Artikels 155 der Verfassung zu fordern. Das würde bedeuten, dass die spanische Regierung die Kontrolle über die katalanische Region übernimmt.

Nach einem Referendum hatte Slowenien 1991 einseitig die Unabhängigkeit von Jugoslawien erklärt. Es folgte der sogenannte Zehn-Tage-Krieg, in dem zahlreiche Menschen starben und verletzt wurden – wie viele genau, darüber gibt es unterschiedliche Angaben.

*Dieser Artikel wurde aktualisiert, um die Unabhängigkeit Sloweniens näher zu erläutern.

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