Haushaltsstreit: Rom Brüssel 1:0

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Haushaltsstreit: Rom Brüssel 1:0. Geht der Streit in die Verlängerung?

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Italienische Schuhe sind in der ganzen Welt bekannt, aber wer hätte gedacht, dass ein Schuh zum Symbol für die Spannungen zwischen Rom und Brüssel werden kann?

Erinnern Sie sich?

Im Oktober stempelte ein italienischer EU-Abgeordneter mit seinem Schuh "Made in Italy" auf die Rede von EU-Kommissar Moscovici. Der Kommissar hatte den italienischen Haushaltsentwurf in seiner Rede kritisiert. Der Abgeordnete sagte, Italien verdiene Respekt, diese Euro-Leute müssten das verstehen. Wie ist es soweit gekommen? Hier ist eine kleine Rückschau dessen, was sich zwischen Rom und Brüssel 2018 zugetragen hat:

Alles begann im Juni, als die neue populistische Regierung an die Macht kam. Die Koalition aus der Anti-Establishment-Partei, der 5-Sterne-Bewegung, und der rechten Lega warfen der EU vor, Italien zu kurz zu halten. Sie versprachen während ihres Wahlkampfes niedrigere Steuern, ein Mindestgrundgehalt und eine Vorruhestandsregelung.

Als sie jedoch ihren Haushaltsentwurf für 2019 vorlegen mussten, trafen die Versprechen der Regierung auf die Realität. Die Europäische Kommission wollte, dass Italien die Vorschriften einhält, seine Staatsverschuldung reduziert und das Haushaltsdefizit auf 1,8 % des BIP festlegt. Italien hingegen legte einen Haushaltsplan vor, der das Defizit auf 2,4 % des BIP erhöht.

Rom glaubte, dass seine expansive Wirtschaftspolitik das Wachstum ankurbeln kann, während die Kommission entgegnete, dass dadurch lediglich die Staatsverschuldung zunehmen würde. Denn dieser Haushaltsplan sieht 37 Milliarden Euro vor, 22 davon möchte sich Italien auf den Finanzmärkten leihen.

Bedrohung für ganz Europa

Italien hat nach Griechenland die höchste Staatsverschuldung in Europa und ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone. Die Ökonomen waren sich einig, dass die unhaltbaren Schulden eine Bedrohung für die gesamte Eurozone darstellen. Frankreich wäre das größte Opfer der Kollateralschäden.

Maria Demertzis, Ökonomin bei der Brüsseler Denkfabrik Bruegel: "Französische Banken haben viele italienische Staatsanleihen in ihren Büchern. Die französische Wirtschaft verlässt sich auf die italienische. Wenn also etwas schief geht, entweder auf den Märkten oder bei den Schulden, könnte Frankreich das hart treffen."

Als der italienische Ministerpräsident Matteo Salvini sich mit den Warnungen aus Brüssel konfrontiert sah, feuerte er auf die, in seinen Augen, EU-Bürokraten: "Die Feinde Europas sind die, die im Bunker von Brüssel sitzen. Juncker und Moscovici haben Europa Angst und Arbeitsplatzunsicherheit gebracht."

Damoklesschwert: Vertragsverletzungsverfahren

Weil Italien unverändert bei seinem Standpunkt blieb, erklärte die Europäische Kommission im November, dass der italienische Haushaltsplan besonders schwerwiegend gegen die EU-Finanzvorschriften verstößt und sie ein Verfahren wegen übermäßigen Defizits gegen das Land einleiten müssen. Die Erläuterung von Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici: "Wer bezahlt die Rechnung für diese zusätzlichen Ausgaben? Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass dieser Haushalt Risiken birgt, für die italienische Wirtschaft, für ihre Unternehmen, ihre Sparer und für ihre Steuerzahler."

Dieser Schritt sollte den Druck auf Italien erhöhen, einzulenken. Ein eingeleitetes Verfahren hätte Geldbußen für Italien bedeutet. Eine Strafe, die in der 20-jährigen Geschichte des Euros beispiellos ist. Aber aufgefordert, auf das Schreiben aus Brüssel zu beantworten, sagte Salvini nur: "Ich wartete auch auf den Brief vom Weihnachtsmanns. Wir werden höflich diskutieren, wie wir es immer getan haben. Wir werden weitermachen".

In der Zwischenzeit hat der ausgabenstarke Haushaltsplan die Zinsen in die Höhe schnellen lassen. Andere Staatschefs forderten Italien auf, die Meinung zu überdenken.

Weihnachten in Italien: Panettone mit bitteren Beigeschmack

Angesichts des Ernstes der Lage schwächte Rom seine Rhetorik ab und schlug vor, das geplante Defizit auf 2,04% zu senken. Doch das war nicht genug. Nach tagelangen, anstrengenden Verhandlungen kam am 19. Dezember ein Kompromss zustande: Italien erkannte an, dass sein Plan nicht in der Lage ist, die Wirtschaft so stark anzukurbeln wie vorgesehen und machte schließlich Zugeständnisse zur Senkung seines strukturellen Defizits.

Gerade noch rechtzeitig zu Weihnachten kam die Einigung, doch der Panettone hat in diesem Jahr einen bitteren Beigeschmack. Vorerst konnte das Land zwar schmerzhafte Folgen einer Disziplinarmaßnahme vermeiden, steht aber weiterhin unter der Aufsicht der Europäischen Kommission. Sollte Rom seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, könnte der Alptraum eines Vertragsverletzungsverfahrens doch noch eintreten.

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