Beginnt in Hongkong eine "Schreckensherrschaft"? Peking erlässt Sicherheitsgesetz

Prochinesische Kundgebung in Hongkong
Prochinesische Kundgebung in Hongkong Copyright Kin Cheung/Copyright 2018 The Associated Press. All rights reserved
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Von Euronews mit dpa, AP
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War es das für das Prinzip "ein Land, zwei Systeme"? Peking hat nun trotz scharfer internationaler Kritik sein Sicherheitsgesetz für Hongkong erlassen. Die dortigen Demokratie-Aktivisten befürchten nun Schlimmes. Aktivist Wong spricht von einer neuen "Ära der Schreckensherrschaft."

Kritik in den Wind geschlagen

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Die weltweite Kritik hat ganz offensichtlich keinen Eindruck hinterlassen: China hat das kontroverse Sicherheitsgesetz für Hongkong verabschiedet. Das sagte Hongkongs Repräsentant im Ständigen Ausschuss des Volkskongresses, Tam Yiu-Chung, gegenüber Pressevertretern. Die Abstimmung fiel einstimmig, hieß es. 

Das Gesetz richtet sich gegen Aktivitäten, die Peking als subversiv, separatistisch oder terroristisch einstuft. Auch soll es "heimliche Absprachen" mit Kräften im Ausland bestrafen. Die demokratische Opposition fürchtet, zum Ziel des Gesetzes zu werden.

"Neue Ära der Schreckensherrschaft"

Das Sicherheitsgesetz stößt in Hongkong und auch international auf scharfe Kritik. Es stellt den bisher weitestgehenden Eingriff in die Autonomie der chinesischen Sonderverwaltungsregion dar.

Kritiker befürchten ein Ende des Grundsatzes "ein Land, zwei Systeme", nach dem die frühere britische Kronkolonie seit der Rückgabe 1997 unter chinesischer Souveränität regiert wird.

Mit dem Gesetz, das als Anhang ins Grundgesetz des autonomen Territoriums aufgenommen wird, umgeht die kommunistische Führung das Hongkonger Parlament.

Demokratie-Aktivist Joshua Wong schrieb auf Twitter, Hongkong trete in eine neue Ära der Schreckensherrschaft ein mit willkürlicher Strafverfolgung, Geheimgefängnissen, geheimen Verfahren, erzwungenen Geständnissen, einem harten Vorgehen gegen Medien und politischer Zensur.

Seit einem Jahr kommt es in Hongkong wiederholt zu Demonstrationen, bei denen gegen den Einfluss Pekings oder gegen Polizeibrutalität protestiert wird.

Die Demonstranten fordern auch freie Wahlen, wie es ihnen bei der Rückgabe Hongkongs 1997 an China in Aussicht gestellt worden war.

Bisher keine offizielle Bestätigung der Verabschiedung

Offiziell hat die Regierung in Peking die Verabschiedung noch nicht bestätigt. Auch Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hat sich bisher nicht zu dem Gesetz äußern, dessen genauer Text nicht bekannt ist.

Als Reaktion stoppten die USA den Export von Rüstungsgütern nach Hongkong. Zudem wird die Ausfuhr von Technologien, die dem Militär dienlich sein könnten, künftig den gleichen Beschränkungen unterliegen wie Exporte nach China.

"Wir können nicht mehr unterscheiden zwischen dem Export kontrollierter Waren nach Hongkong oder auf das chinesische Festland", sagte US-Außenminister Mike Pompeo. Die USA könnten nicht das Risiko eingehen, dass solche Güter Chinas Militär in die Hände fielen, dessen wichtigste Aufgabe es sei, "die Diktatur" der kommunistischen Partei aufrechtzuerhalten.

Die US-Regierung hatte bereits Ende Mai angekündigt, der chinesischen Sonderverwaltungsregion wegen der zunehmenden Einmischung Pekings einen vorteilhaften Rechtsstatus streichen zu wollen. Neben den Exportkontrollen soll dies auch Zölle und die Vergabe von Visa betreffen, wie es damals hieß. Die USA sehen in dem Sicherheitsgesetz eine klare Verletzung von Hongkongs Autonomie und Freiheitsrechten.

Welche Reaktionen aus Europa?

Auch Aktivisten und Menschenrechtspolitiker fordern weitere internationale Sanktionen. So sollte der wegen der Corona-Krise verschobene, aber weiter geplante EU-China-Gipfel unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft abgesagt werden, forderte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Gyde Jensen (FDP). Es müsse auf deutscher oder besser noch auf europäischer Ebene Strafmaßnahmen gegen China geben.

Der EVP-Fraktionschef im EU-Parlament, Manfred Weber, erhofft sich von der am 1. Juli beginnenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft auch ein selbstbewussteres Auftreten gegenüber China.

"Unsere Werte sind massiv unter Druck geraten", sagte Weber der "Rheinischen Post". "Ich möchte nicht, dass China der Gewinner aus der Krise ist und sein autoritäres Staatssystem fälschlicherweise als das bessere propagiert."

Die EU müsse ihre Werte besser verteidigen. "Hongkong ist heute das neue Berlin. John F. Kennedy hat gesagt: Ich bin ein Berliner. Ich sage heute: Ich stehe an der Seite der Bürger in Hongkong."

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