Der "perfekte Klon"? Macrons neuer Premier Jean Castex

Der "perfekte Klon"? Macrons neuer Premier Jean Castex
Copyright Gonzalo Fuentes/Copyright 2020 The Associated Press. All rights reserved
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Von Anja Bencze mit dpa
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Jean Castex, auch als "Monsieur Déconfinement" bekannt, ist Macrons neuer Joker. Ein gefragter Krisenmanager, dem Politikkenner die Vielseitigkeit eines Schweizer Taschenmessers nachsagen.

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Er kommt von den bürgerlich Rechten und arbeitete bereits unter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy im Élyséepalast. Castex gilt als effizient, geräuschlos und gut vernetzt. Mit ihm entscheidet sich Macron für einen Krisenmanager - und gegen eine deutliche politische Neuausrichtung nach der Kommunalwahlschlappe. Die Oppostion reagierte prompt und sprach von einem "Technokraten", einem "perfekten Klon" (Reaktionen im unteren Teil des Artikels).

Macrons neuer Joker

Jean Castex, 55 Jahre alt, ist der neue französische Premierminister. In der Öffentlichkeit eher unbekannt, machte er sich zuletzt als "Monsieur Déconfinement", der Frankreichs schrittweisen Ausstieg aus dem Corona-Lockdown koordinierte, einen Namen. Er kommt von den bürgerlich Rechten und arbeitete bereits unter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy im Élyséepalast. Er gilt als effizient, geräuschlos und gut vernetzt, so vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser, meinen Politikkenner.

Macron bleiben noch zwei Jahre

Der hochrangige Politikfunktionär ist Emmanuel Macrons neuer Joker nach dem kollektiven Rücktritt der Regierungsmannschaft unter Edouard Philippe. Die Ernennung von Castex habe nichts mit dem Ergebnis der jüngsten Kommunalwahl zu tun, meint Natalia Pouzyreff von der Präsidentenpartei "La République en Marche".

"Es war von Anfang klar, dass wir in den letzten zwei Jahren der Präsidentschaft von Macron ein neues Kapitel mit neuen Reformen aufschlagen würden. Es stehen neue Probleme auf der Tagesordnung, neue Themen, auf die wir uns konzentrieren wollen, wie die Sozialpolitik, der Umbau des Gesundheitssystems einschließlich der Versorgung älterer Menschen, und wir müssen uns auch stärker auf die Umwelt konzentrieren. Ich denke also, es ist wirklich normal, eine neue Richtung zu diesem Zeitpunkt der Regierungszeit, des 'Quinquennat', einzuschlagen."

Edouard Philippe, der die Regierung seit Mai 2017 führte, kehrt nun als Bürgermeister nach Le Havre zurück - und manch einer spekuliert, dass er diese Zeit nutzen könnte, um sich für die Präsidentenwahl 2022 in Stellung zu bringen.

Oppositition enttäuscht: Ein "Technokrat", ein "Klon"

Jean Castex sei eindeutig "eine linke, grüne, im Kampf gegen Korruption und soziale Ungerechtigkeit engagierte Politikerin, die das öffentliche Gesundheitswesen wahren und fördern werde", lautete ein ironischer Kommentar auf facebook. Sprich: Macron habe offenbar nichts aus der Wahlschlappe gelernt, bei der die Grünen Erfolge verbuchten und vielerorts Frauen ins Bügermeisteramt gewählt wurden.

Es hagelt Kritik sowohl von Links als auch von Rechts. Aurélien Pradié, Generalsekretär von Les Republicains, nahm im Interview mit dem Radiosender France Inter kein Blatt vor den Mund und nannte den neuen Premierminister einen "Technokraten". Jean Castex sei ein Diener des Staates, das könne man ihm nicht vorwerfen, aber er werde dazu da sein, Emmanuel Macrons Politik umzusetzen.

Auf die Frage nach der Mitgliedschaft von Jean Castex in der republikanischen Partei, wie vor ihm Édouard Philippe, meinte Aurélien Pradié, diese "Verwirrung" sei schlecht für die Demokratie ist. Und führe letztlich zur einer Stimmenthaltung von 60 %.

"Der Tag danach wird ebenso rechts sein wie der Tag davor"

Olivier Faure, Generalsekretär der Sozialistischen Partei, bedauerte die Unbeweglichkeit, die seiner Meinung nach durch die Ernennung von Jean Castex verursacht werde: "Der Tag danach wird ebenso rechts sein wie der Tag davor."

Ebenfalls auf France Inter sprach der grüne Europaabgeordnete David Cormand von Jean Castex als "einer Person, die eindeutig von rechts kommt". Dessen Nominierung sei keine gute Nachricht für die Ökologie: "Man hat das Gefühl, dass das, was umgesetzt wird, alte Rezepte sind".

"Der perfekte Klon von Edouard Philippe"

Bastien Lachaud von der linken Partei La France Insoumise twitterte, er sehe in der Nominierung von Jean Castex ein Zeichen dafür, "dass die 5. Republik dem Ende ihres monarchischen Zerfalls entgegengeht".

Auch Laurent Jacobelli vom rechtspopulistischen Rassemblement National verschonte den neuen Mann in Matignon nicht. Beunruhigend sei, dass Jean Castex wie der perfekte Klon von Edouard Philippe erscheine. Es gebe kein Anzeichen auf Veränderung.

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