Tag 2: EU-Staats- und Regierungschefs ringen um Rettungsplan

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Copyright Stephanie Lecocq/Copyright 2020 The Associated Press. All rights reserved
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Von Stefan Grobe
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Der erste Gipfel seit Beginn der Pandemie hat begonnen, bei dem die Spitzen der EU persönlich anwesend sind. Praktiziert werden strikte Abstandsregeln - vielleicht hilft's für einen Kompromiss auf der Suche nach einem Rettungsplan.

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Gesichtsmasken und Abstandsregeln - aber kein Durchbruch in Brüssel.

Die Gespräche der Staats- und Regierungschefs gehen nun in den zweiten Tag von Marathonverhandlungen.

Ratspräsident Charles Michel hofft auf einen Kompromiss beim EU-Haushalt und beim 750 Milliarden Euro schweren Konjunkturpaket. Knackpunkte waren der Gesamtumfang und wie die Aufteilung in Beihilfen und Darlehen ausfallen soll.

Alle Augen waren auf die Niederlande gerichtet, die den größten Widerstand leisten - zusammen mit ihren "sparsamen" Mitstreitern Österreich, Dänemark und Schweden.

Auch Ungarn ist ein Wackelkandidat. Ministerpräsident Viktor Orban lehnt die Rechtsstaatsbedingungen für eine Auszahlung von EU-Geldern ab.

"Kompromisse notwendig"

Griechenland will sich auf das größere Ganze konzentrieren. Auf dem Spiel stünden die Prinzipien von Europas Einheit und Solidarität, sagte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Europa stehe vor der größten wirtschaftlichen Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Vielleicht seien einige Kompromisse notwendig, doch Europa müsse der historischen Herausforderung gerecht werden. Das werde von den Bürgern erwartet.

Am Freitag saßen die Gipfelteilnehmer zum Abendessen auf einer Terrasse in Brüssel - zum Dessert gab es Crème brûlée mit Rharbaber und Erdbeeren.

Am Freitag Nachmittag waren die Beratungen unterbrochen worden, um in kleineren Gruppen oder Einzelgesprächen fortgesetzt zu werden. So sollte die Sackgasse überwunden werden.

Erstmals seit Beginn der Pandemie versammelten sich die Spitzen der Europäischen Union persönlich zu einem Gipfeltreffen in Brüssel und nicht per Videokonferenz.

Allerdings wurden Gesundheit und Sicherheit groß geschrieben: Die Zahl der Delegationsmitglieder wurde beschränkt, und auch Journalisten durften nicht ins Ratsgebäude.

Nach tagelangen Vorberatungen auf bilateraler Ebene zeichnete sich aber noch kein Kompromiss ab. Zu Beginn des Gipfels hatten Teilnehmer noch einmal die Bedeutung des Treffens unterstrichen.

"Moment der Wahrheit für den Ehrgeiz Europas"

Es sei ein Moment der Wahrheit für den Ehrgeiz Europas, sagte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. "Wir erleben eine Gesundheitskrise nie gekannten Ausmaßes mit schweren wirtschaftlichen und sozialen Folgen, deren Antwort mehr Solidarität erfordert."

Es gehe nicht nur um finanzielle Aspeke, so Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte. "Es geht um eine Antwort, die allen Bürgern Europas zugute kommt und die auf den gemeinsamen Interessen und Werten beruht."

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Geburtstagsgeschenk für Merkel von Portugals Ministerpräsident CostasStephanie Lecocq/Copyright 2020 The Associated Press. All rights reserved

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach ihrer Ankunft im Ratsgebäude am Tag ihres 66. Geburtstags, sie sei nicht sicher, ob der auf zwei Tage angelegte Gipfel einen Durchbruch bringe.

Allerdings hatten die Staats- und Regierungschefs stets erklärt, wie wichtig eine gemeinsame Antwort auf die Krise sei. Uneinig sind sich die 27 aber weiterhin, auf welche Weise die Gelder erbracht und wieder ausgegeben werden sollen.

Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für ein Paket vorgelegt, das ein Volumen von 750 Milliarden Euro hat - eine Weiterentwicklung eines deutsch-französischen Plans über 500 Milliarden Euro.

Ebenfalls auf dem Tisch liegen Ideen für einen umfangreicheren EU-Haushalt, durch den Anti-Coronavirus-Maßnahmen auch finanziert werden sollen.

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Teile der Vorschläge sollen nach dem Willen ihrer Autoren durch gemeinsame EU-Anleihen finanziert werden, was ein historisches Novum in Europa wäre.

Darüber ist die EU allerdings gespalten. Während südeuropäische Staaten dem Vorschlag Beifall zollen, lehnen die sogenannten "frugalen Vier" (Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande) die Idee bislang kategorisch ab.

Deutschland ist dagegen bereit, einen solchen Plan unter Umständen mitzutragen - ebenfalls eine historische Kehrtwende.

Alle Augen sind auf die Niederlande gerichtet, die den größten Widerstand leisten. Wenn der Süden die Folgen der Krise nicht allein überwinden könne, was verständlich sei, dann müssten die anderen aber klare Zusagen zu Reformen bekommen, sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte.

Während der Konferenzraum für den zweiten Tag der Verhandlungen hergerichtet wurde, gab es bereits Spekulationen, der Gipfel werde auch noch in den Sonntag hineingehen. Der Luxemburger Ministerpräsident Xavier Bettel soll vorsorglich genügend Hemden nach Brüssel gebracht haben.

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