Corona-Forscher: "Machen Sie ein für allemal klar, dass wir uns durch Einatmen anstecken können"

Mikroskop-Aufnahme von SARS-CoV-2-Viren in einer menschlichen Zelle
Mikroskop-Aufnahme von SARS-CoV-2-Viren in einer menschlichen Zelle Copyright AP Photo
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Von Euronews mit EFE
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Die Kontroverse darüber, ob das Corona-Virus durch Aerosole übertragen wird, dauert schon länger an.

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"Es besteht die dringende Notwendigkeit, die Diskussionen über die Übertragungswege von Viren disziplinübergreifend zu vereinheitlichen, wirksame Kontrollstrategien zu finden und der Öffentlichkeit klare und konsistente Anleitungen zu geben" - das schreiben mehrere Wissenschaftler in einem offenen Brief, der sich mit der Übertragung von SARS-CoV-2 beschäftigt.

Ungefähr zeitgleich aktualisierte die CDC (Centers for Disease Control and Prevention), eine Behörde des US-Gesundheitsministeriums, die Informationen auf ihrer Webseite, die die Übertragung des Corona-Virus über Aerosole als eine Ansteckungsmöglichkeit aufweist.

Die Kontroverse darüber, ob das Corona-Virus durch Aerosole übertragen wird, dauert schon länger an. In ihrem am 5. Oktober veröffentlichten Brief auf "Science" schreiben die Wissenschaftler, dass es "überwältigende Beweise" dafür gebe, dass das Einatmen von SARS-Cov-2 einen der Hauptübertragungswege der Krankheit darstellt.

Zwar besteht Einigkeit darüber, dass eine Ansteckung häufig durch Atemtröpfchen erfolgt, etwa, wenn eine infizierte Person hustet, niest oder spricht. Uneinigkeit besteht hingegen darüber, ob auch mit dem Virus belastete Aerosole - also Kleinstpartikel, die wesentlich länger in Luft bleiben - für eine Ansteckung sorgen können.

Die in Schwebeteilchen gebundenen Corona-Viren können, ähnlich "wie Rauch, über Sekunden und Stunden in der Luft schweben" und eingeatmet werden. In der Nähe einer infizierten Person ist die Konzentration der virenlastigen Aerosole wesentlich höher, so dass eine Infektion nicht unwahrscheinlich ist.

Masken, immer und überall

Außerdem können Aerosole, die infektiöse Viren enthalten, "auch mehr als zwei Meter weit bewegen und sich in schlecht belüfteten Räumen ansammeln" - ein typisches Superspreader-Szenario entsteht.

Die Forscher bitten die Gesundheitsbehörden daher eindringlich, zusätzlich zum Maskentragen, dem Einhalten des Sicherheitsabstands und der Hygieneregeln "die Bedeutung der Verlagerung von Aktivitäten ins Freie, die Verbesserung der Raumluft durch Belüftung und Filtrierung und die Verbesserung des Schutzes von Beschäftigten mit hohem Risiko" in die allgemein gültigen Verhaltensregeln zum Schutz vor einer Corona-Infektion einzubetten.

Menschen "in öffentlichen Gebäuden und auf engem Raum" sollten jederzeit Masken tragen, nicht nur dann, wenn die Sicherheitsabstände nicht eingehalten werden können.

Eine Absicht des besagten Briefes, so Co-Autorin Prather, "ist es, deutlich zu machen, dass sich das SARS-Cov-2-Virus durch die Luft verbreitet und dass Menschen durch Einatmen infiziert werden können."

Deshalb ist es für sie so wichtig, diesen Übertragungsweg anzuerkennen, "so dass sich unsere Bemühungen auf die Reinigung der Luft und zur Vermeidung riskanter Innenräume konzentrieren."

Tröpfchen vs Aerosole: Klare Abgrenzung gefordert

Die Wissenschaftler schlagen zudem vor, die Terminologie zu modernisieren und den Grenzwert, der Aerosole und Tröpfchen voneinander trennt, bei 100 μm festzulegen und nicht bei "veralteten", aber bislang gültigen 5 μm zu bleiben.

Diese Größe, so die Forscher, eigne sich besser, um ihr "aerodynamisches Verhalten" einzuordnen, sprich, ob die Schwebeteilchen eingeatmet werden können - und die Effizienz entsprechender Maßnahmen zu beurteilen.

Öffentliche Gesundheitsbehörden "sollten klar unterscheiden zwischen Tröpfchen, die beim Husten oder Niesen ausgestoßen werden", und Aerosolen, die das Virus über "viel größere" Entfernungen transportieren können. Viren in Aerosolen, die kleiner als 100 μm sind, können lange Zeit in der Luft geschlossener Räume bleiben, sich dort ansammeln und eingeatmet werden.

US-Behörde CDC unterstützt die These, wenn auch zurückhaltend

Die US-Regierungsbehörde erkennt inzwischen an, dass das Virus unter bestimmten Umständen, insbesondere in geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen, durch Aerosole in der Luft aus mehr als einem Meter Entfernung übertragen werden kann. Dabei vermeidet sie den Begriff Aerosole und spricht lediglich von einer "Übertragung durch die Luft".

Erst vor einem Monat hatte eine Mitteilung auf der CDC-Webseite für Verwirrung gesorgt. Darin wurde die Aerosol-Übertragung des Virus als eine der häufigsten Übertragungswege dargestellt - auch der Begriff Aerosol tauchte darin auf. Wenig später verschwand der Text - es habe sich um einen "Entwurf" gehandelt, der versehentlich veröffentlicht worden war.

In der neuen Fassung wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Übertragung über die Luft "unter besonderen Umständen" möglich ist:

  • in geschlossenen Räumen, in denen sich eine infizierte Person und eine Person mit erhöhtem Krankheitsrisiko gleichzeitig aufhalten oder wenn sich Menschen mit einem erhöhten Risiko sich in einen Raum begeben, in dem sich zuvor eine infizierte Person aufgehalten hat
  • Aufenthalt dort, wo die Konzentration der im Luftraum schwebenden Atemtröpfchen erhöht ist (zum Beipiel beim Singen, Sport machen, Schreien)
  • Unsachgemäße Belüftung, die die Ansammlung von kleinen Atemtröpfchen und Schwebeteilchen ermöglicht.

Die derzeit empfohlenen Präventionsmaßnahmen - insbesondere das Abstandhalten und angemessene Belüftung - werden als ausreichend angesehen, um eine Infektion zu verhindern.

Mehreren Berichten zufolge hat das Weiße Haus während der Pandemie versucht, auf die Publikationen der CDC Einfluß zu nehmen.

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