Verzweiflung und Covid-19 in Gaza: "In mir fühle ich mich tot"

Kinder im Gazastreifen
Kinder im Gazastreifen Copyright John Minchillo/Copyright 2021 The Associated Press. All rights reserved.
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Von Euronews mit AP, France Info, RFI
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Englischlehrerin Eman Basher berichtet auf Twitter aus Gaza - dem "großen Gefängnis" In dem Konflikt wurden nicht nur viele Kinder, sondern auch mehrere Ärzte getötet.

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Eman Basher ist Englischlehrerin in Gaza. Bekannt geworden ist sie durch einen Tweet, den die demokratische Abgeordnete mit palästinensischen Wurzeln Rashida Tlaib im US-Kongress in Washington vorgelesen hatte. Darin schrieb die Frau aus Gaza, dass die ganze Familie während der israelischen Luftangriffe zusammen schlafe, damit niemand den anderen betrauern müsse.

Die jüngsten israelischen Luftangriffe und der Tweet haben das Leben von Eman Basher ver¨ändert, wie die junge Frau auf Twitter schreibt. Jedes Mal wenn sie im Internet nach guten Filmen oder Buchtipps fragen möchte, erinnert sie sich daran, dass sie ja jetzt die Twitter-Userin ist, die mit ihren Kindern sterben sollte. Deshalb fühle sie sich irgendwie tot.

Kampf gegen Covid-19 vorübergehend vergessen

Tatsächlich getötet wurden bei den Luftschlägen auch mehrere Mediziner - darunter Dr. Ayman Abu al-Ouf, der den Kampf gegen Covid-19 in Gaza koordinierte. Nur ein jugendlicher Sohn des erfahrenen Arztes überlebte: Omar wurde durch den Angriff am 15. Mai 2021 verletzt. Zwölf Mitglieder der Familie des Chefs der Inneren Medizin des Al-Shifa-Krankenhauses in Gaza - darunter die Eltern, die Frau und mehrere Kinder kamen ums Leben. Der Tod von Abu al-Ouf sei ein Schock und ein enormer Verlust für das Gesundheitswesen in Gaza, sagt einer seiner Studenten gegenüber Al-Jazeera.

Im Al-Shifa-Krankenhaus wurden zuletzt hunderte Patientinnen und Patienten mit Kriegsverletzungen behandelt: viele hatten Verbrennungen dritten Grades, schlimmste Brüche - auch der Wirbelsäule, Augenverletzungen.

Laut Medienberichten wurde auch das einzige Labor, in dem in Gaza PCR-Tests gemacht und analysiert werden konnten, durch die Angriffe beschädigt. Im Interview mit France Info sorgt sich Tatiana Chiarella von "Ärzte ohne Grenzen" - die NGO hat kleine Teststationen in Gaza aufgebaut: "In der Kriegssituation ist es schwierig. Wir haben das Virus vergessen. Aber es ist noch da. Und es ist schlimmer."

Wie RFI berichtet, ist das teilweise zerstörte Corona-Testzentrum an diesem Dienstag wieder geöffnet worden. Alle Fenster waren geborsten. Ob das Krankenhaus Al Remal bewusst angegriffen wurde, steht nicht fest. Täglich werden dort jetzt wieder 550 PCR-Tests durchgeführt, 20 bis 25 Prozent sind positiv.

Weil die Menschen, die in Gaza leben, im Durchschnitt sehr jung sind, gehen Experten davon aus, dass Covid-19 weniger Gefahr bedeutet. Doch anders als in Israel ist in Gaza kaum jemand geimpft.

Im Westjordanland und Gaza zusammen sind offiziellen Angaben zufolge seit Beginn der Pandemie 3.459 Palästinenserinnen und Palästinenser an Covid-19 gestorben.

"Nach dem Krieg wieder im Gefängnis"

In einem Tweet nach der Waffenruhe berichtet Eman Basher, dass der Krieg jetzt zwar vorbei, Gaza aber wieder ein großes Gefängnis sei. Die Grenzubergänge nach Gaza bleiben für so gut wie alle blockiert. in den französischen Medien wird Gaza als "prison à ciel ouvert" als "Gefängnis unter freiem Himmel" bezeichnet.

Die Blockade des Gaza-Streifens und der fast 2 Millionen Menschen, die dort leben, durch Israel dauert jetzt seit 14 Jahren an.

Die Lehrerin teilt auch Fotos der Opfer aus Gaza und erzählt die Geschichten hinter den Zahlen. Mehr als 240 Menschen - darunter viele Frauen und Kinder - sind bei dem 11 Tage dauernden militärischen Konflikt getötet worden.

Tausende Familien waren während des militärischen Konflikts in die von der UN betriebenen Schulen geflüchtet. Viele können nicht zurück, weil ihre Häuser zerstört sind.

Die UNRWA forderte am Sonntag die internationale Staatengemeinschaft dazu auf sicherzustellen, dass der militärische Konflikt dauerhaft beendet werde. Die UN-Organisation beklagt auch, dass für die mehr als 50.000 Menschen, die dicht gedrängt in den Schulen untergebracht sind, das Risiko sich mit dem Coronavirus zu infizieren sehr hoch sei.

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