"Extreme Gewalt": Niederlande entschuldigen sich für Kolonialverbrechen bei Indonesien

Der Bericht über Gewalt in Indonesien unter derm Titel "Over de grens" (Über die Grenze)
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Von Anja Bencze mit DPA/NOS/AFP
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Ein Bericht offenbart extreme und systematische Gewalt im Indonesienkrieg. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte entschuldigt sich für die Kriegsverbrechen beim indonesischen Volk.

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In den Niederlanden haben Historiker ein wichtiges Kapitel in der Aufarbeitung der blutigen Kolonilageschichte des Landes aufgeschlagen.

Einer umfassenden Studie (Titel: "Over de grens") zufolge hat die niederländische Armee im Unabhängigkeitskrieg Indonesiens (1945-1949) strukturell Gewalt auch gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt. Schlimmer noch: Kriegsverbrechen in der damaligen Kolonie Niederländisch-Indien seien stillschweigend von der politischen und militärischen Führung toleriert worden.

Geduldet, erleichtert und vertuscht

Jahrzehntelang behauptete die Regierung in Den Haag, dass es nur einzelne Übergriffe gegeben und die Armee sich im Allgemeinen korrekt verhalten habe. Das sei nicht länger haltbar, unterstreichen die Verfasser der nun vorgestellten Studie zur Gewalt im Kampf um das große südostasiatische Land.

Ben Schoenmaker, Forscher am niederländischen Institut für Militärgeschichte: "Die verantwortlichen Politiker sowie die militärischen, zivilen und Justiz-Behörden haben diese Gewalt geduldet, erleichtert und vertuscht und sie kaum oder gar nicht bestraft".

Insgesamt wurden in dem Krieg schätzungsweise mehr als 100.000 Indonesier und etwa 5.000 niederländische Soldaten getötet. Einer der Leiter der Untersuchung, Gert Oostindie, spricht von einer breiten Skala der Gewalt.

"Zum Beispiel Folter und Misshandlung bei Verhören, Hinrichtung von gefangenen Soldaten und Zivilisten ohne Gerichtsverfahren, Plünderungen, Inbrandsetzen von Kampongs (Dörfern). Bei Bombardierungen wurde nicht oder kaum berücksichtigt, dass Zivilisten getroffen werden könnten. Also wirklich extreme Gewalt."

Diese sei nicht nur ab und zu vorgekommen, sondern war vielmehr "der Kern der Art und Weise, wie die Niederlande diesen Krieg geführt haben", so Oostindie.

Rutte spricht von "kollektivem Versagen"

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte reagierte umgehend sprach von "konfrontierenden" Ergebnissen. "Sie sind hart, aber unvermeidlich." Die Regierung übernehme die volle Verantwortung für das "kollektive Versagen".

"Für die systematische und weit verbreitete extreme Gewalt durch die niederländische Seite in jenen Jahren und dafür, dass frühere Kabinette konsequent die Augen verschlossen haben, entschuldige ich mich im Namen der niederländischen Regierung zutiefst beim indonesischen Volk."

Aufarbeitung auch in der Ausstellung "Revolusi"

Mit dem indonesischen Unabhängigkeitskampf befasst sich auch eine Ausstellung im Amsterdamer Rijksmuseum. Indonesien hatte nach fast 350 Jahren Kolonialherrschaft nach Ende des Zweiten Weltkrieges seine Unabhängigkeit ausgerufen.

Die Niederlande schickten daraufhin Truppen nach Südostasien. Berichte über Gewalt und Massaker gab es schon lange. Doch erst 2017 erteilte die Regierung den Auftrag zu der wissenschaftlichen Untersuchung.

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