Patienten gehen auf dem Zahnfleisch – Ärzte-Exodus aus der Türkei

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Von Kristina Jovanovski, su
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Seit Jahren kehrt vor allem gut ausgebildetes Fachpersonal der Türkei den Rücken. Der Brain-Drain Richtung Europa und Nordamerika trifft fast alle Branchen - vor allem Ärzte, Professoren und Ingenieure wandern ab. Mehr als 70 Prozent Inflation beschleunigen den Trend.

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Seit Jahren kehrt vor allem gut ausgebildetes Fachpersonal der Türkei den Rücken. Der Brain-Drain in Richtung Westeuropa und Nordamerika trifft fast alle Branchen - vor allem Ärzte, Professoren und Ingenieure wandern ab. Mehr als 70 Prozent Inflationsrate beschleunigen den Trend. 

Utku Özbay ist Zahnärztin in Istanbul und liegt voll im Trend. Nach einundzwanzig Jahren im Beruf will sie nur noch weg aus der Türkei.

Utku Özbay, Zahnärztin:

„Ich mache diesen Job, nur um meine Rechnungen zu bezahlen. Ich bin eine alleinerziehende Mutter und habe einen 9-jährigen Sohn. Ich kann mir seine Schulkosten nicht mehr leisten. Es wird echt, echt sehr schwer.“

INFLATION NAGT AN GEHÄLTERN

Angesichts der galoppierenden Inflation sei in ihrer Zahnklinik kein Überschuss mehr drin. Viele Patienten lehnten eine Behandlung ab, einfach weil sie es sich nicht leisten können.

Laut einer Umfrage des türkischen Verbraucherschutzverbandes vom Märzleben inzwischen fast 90 Prozent der türkischen Bevölkerung - 76,5 von 85 Millionen Menschen - unterhalb der Armutsgrenze.

ÄRZTE WANDERN AB

Ärzte demonstrieren gegen ihre Arbeitsbedingungen, einschließlich ihrer Gehälter, an denen die Inflationsrate nagt. Nach Angaben des türkischen Ärzteverbands haben dieses Jahr bis Ende Mai 938 Ärzte das Land verlassen. Letztes Jahr waren es mehr als 1.400. "Während im Jahr 2012 insgesamt nur 59 von ihnen ins Ausland gingen, kehrten zwischen 2017 und 2021 fast 4.400 Ärztinnen und Ärzte der Türkei den Rücken," so eine Analyse der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Kristina Jovanovski,Euronews, Istanbul :

"Die Preise für Essen, Wohnen, Transport steigen in der Türkei massiv. Laut Regierung liegt die Inflationsrate bei über 70 Prozent – ​​das war seit zwei Jahrzehnten nicht da, knapp zehn mal so hoch wie in Deutschland. Aber Umfragen legen nahe, dass viele in der Türkei selbst dieser Zahl mißtrauen. Eine Gruppe unabhängiger Ökonomen hält 160 Prozent für realistisch."

Steigende Energiekosten und der Ukraine-Krieg treiben die Preise weltweit nach oben. In Deutschland liegt die Inflationsrate beispielsweise bei 7,9 Prozent, in der Türkei beträgt sie fast das Zehnfache: Im Mai kletterte sie offiziellen Angaben zufolge auf 73,5 Prozent - das ist der höchste Wert seit 1998.

Die Inflation verursacht große Sprünge in der Politik. Gegen einen dieser Ökonomen ermittelt nun seine Universität.

Veysel Ulusoy, Ökonom:

„Wissen Sie, Stimmanteil und Stimmenzahl für die Regierungspartei gehen unglaublich zurück.“

Viele Arbeitskräfte wandern nach Westeuropa ab, besonders nach Deutschland, wo es eine große türkische Diaspora gibt.

Dort hofft Özbay auf ein neues Zuhause. Auch wenn das einen Jobwechsel bedeutet.

Utku Özbay, Zahnärztin:

„Ich werde dort das Leben haben, das ich verdiene. Und mein Sohn kriegt die Chance auf eine gute Ausbildung.“

UMSTRITTENE ZINSPOLITIK

Finanzexperten geben der türkischen Notenbank eine Mitschuld an der Entwicklung: Die Zentralbank sei nicht unabhängig und trage mit ihrer Zinspolitik erheblich zur Inflation bei. Einige erwarten Ende des Jahres sogar eine dreistellige Inflationsrate in der Türkei. Anders als die Mehrheit der Ökonomen weltweit ist Präsident Recep Tayyip Erdogan überzeugt, die Inflation sei eine Folge hoher Zinsen.

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Kristina Jovanovski, su

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