Schock in Bosnien: Ermordung einer Frau wird live gestreamt

Ein Polizist hält ein Gewehr während einer großen Verfolgungsjagd nach einem Mann, der seinen Partner erschossen hat, während er dies live auf Instagram in Gradacac, Bosnien, sendet. 11\. August 2023
Ein Polizist hält ein Gewehr während einer großen Verfolgungsjagd nach einem Mann, der seinen Partner erschossen hat, während er dies live auf Instagram in Gradacac, Bosnien, sendet. 11\. August 2023 Copyright AP/Copyright 2023 The AP. All rights reserved
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Von Una Hajdari
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Dieser Artikel wurde im Original veröffentlicht auf Englisch

Er spürte seine entfremdete Partnerin auf, erschoss sie aus nächster Nähe und sendete das Ganze live auf Instagram. Der grausame Mord an einer jungen Frau hat Bosnien in Aufruhr versetzt und die Behörden unter Druck gesetzt, die Gewalt in der Partnerschaft einzudämmen.

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In Bosnien und Herzegowina wurde eine junge Frau auf offener Straße und im Beisein ihres neun Monate alten Babys von ihrem Lebensgefährten ermordet. Das Unfassbare: Der Mann hat die brutale Tat live auf Instgram gestreamt. 

Traurig und empört gehen in Bosnien und Herzegowina Menschen auf die Straßen und protestieren. Mit Plakate wie "Stoppt die Täter!" fordern sie von den Behörden, verstärkt gegen Gewalt in der Partnerschaft und Missbrauch vorzugehen.

Proteste gab es auch nach der Beerdigung von Nizama Hećimović, die am Montag in ihrer Heimatstadt Gradačac stattfand. Dort wurde sie am vergangenen Freitag von ihrem Partner ermordet. Er hatte sie aufgespürt,  nachdem sie nach wiederholten Misshandlungen versucht hatte, von ihm wegzukommen.

Gewalt in der Partnerschaft endet im Amoklauf

Der Täter wird in lokalen Medien als erfolgreicher Bodybuilder beschrieben, der an internationalen Wettbewerben teilgenommen hat. Er war außerdem wegen Drogenhandels in großem Stil vorbestraft.

Der Cousin von Nizama Hećimović wurde bei dem Angriff verletzt. Nach dem Mord setzte der Schütze seinen Amoklauf fort. Er tötete zwei Männer - einen Vater und einen Sohn - und verwundete zwei weitere Menschen. Schließlich richtete er sich selbst.

Nur wenige Tage vor ihrer Ermordung hatte Nizama Hećimović bei Gericht eine einstweilige Verfügung gegen ihren Lebensgefährten beantragt. 

Der Mittwoch wurde im Landes zum Trauertag erklärt.

"Jetzt werdet ihr einen Live-Mord sehen"

Der Instragram-Livestream und das Konto des Täters wurden inzwischen gelöscht, aber nicht bevor er schnell viele Zuschauer gefunden hatte.

Er kündigte seine Tat mit den Worten "Jetzt werdet ihr einen Live-Mord sehen" an. Zuvor hatte der Bodybuilder hauptsächlich Fitnessübungen und Fotos von Motorrädern gepostet.

Die Aufzeichnung des Mordes wurde über 12.000 Mal aufgerufen und erhielt rund 300 Likes, bevor sie abgeschaltet wurde. Die Followerzahlen auf dem Konto des Mörders stiegen. 

Die bosnischen Behörden, die für die Verfolgung von Internetkriminalität zuständig sind, wurden am Freitag gegen Mittag, zwei Stunden nach dem Mord, auf das Video aufmerksam. Sie forderten Meta, die Muttergesellschaft von Facebook, Instagram und WhatsApp, umgehend auf, das Video zu entfernen.

Nach dem Mord postete der Täter ein weiteres Live-Video, in dem er ankündigte, einen Mann und seine Familie ausfindig zu machen, die ihn in der Vergangenheit verklagt hatten, wie die lokale Presse berichtet. Er tötete den Vater und Sohn und verletzte die Mutter. Insgesamt gibt es drei Tote. Ein Polizeibeamter, der in seinem Streifenwagen saß, wurde bei dem Amoklauf ebenfalls verwundet.

Morde im Zeitalter von Social Media und Live-Streaming

Etwa drei Stunden nach der Veröffentlichung des ersten Videos wurde der gesamte Account schließlich abgeschaltet. Obwohl keine bosnischen oder internationalen Medien das Video veröffentlicht haben, ergab eine flüchtige Suche von Euronews, dass mehrere Kopien des Videos immer noch online zu finden sind, was häufig vorkommt, wenn Inhalte nicht sofort auf der Plattform gesperrt werden.

Instagram hat eine Null-Toleranz-Regel wenn es um weibliche Nacktheit geht, allerdings hat das Unternehmen in der Vergangenheit nur zögerlich reagiert, wenn es um gewalttätige Inhalte ging.

Der bekannteste Live-Stream von Morden ist das Massaker von Christchurch im Jahr 2019, als ein rechtsextremer, weißer nationalistischer Schütze in zwei Moscheen in der neuseeländischen Stadt eindrang und etwa 51 Menschen tötete und 40 verletzte. Das gesamte Ereignis wurde auf Facebook gestreamt, und Kopien des Videos sind bis heute online verfügbar.

Der Vorfall hat weltweit zu Nachahmungstaten inspiriert. Weltweite Empörung haben die Plattformen der sozialen Medien gezwungen, gegen die Verbreitung gewalttätiger Inhalte im Internet vorzugehen.

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Car is seen on the site of a shooting, in the small Bosnian town of Gradacac, Bosnia, Friday, Aug. 11, 2023.AP/Copyright 2023 The AP. All rights reserved

Schock und Wut in Politik und Bevölkerung

Nermin Nikšić, der Ministerpräsident der Föderation Bosnien und Herzegowina, sagte, er finde nicht die richtigen Worte, um seinen Schock zu beschreiben. "Es gibt keine Worte, um zu beschreiben, was passiert ist", sagte er und sprach den Familien der Opfer sein "tiefstes Beileid" aus.

"Von Anfang an standen alle Kapazitäten der föderalen Polizeiverwaltung zur Verfügung und halfen bei der Suche ... leider lassen sich Situationen wie diese nicht vorhersagen, aber wir können unser Bestes tun, um institutionell gegen jede Form von Gewalt und Kriminalität vorzugehen", so Nikšić.

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Auch andere bosnische Politiker:innen äußerten sich in ähnlicher Weise, doch die Bevölkerung lässt sich durch ihre Worte nicht beruhigen.

Bürger:innen in Gradačac sammelten mehr als 1.000 Unterschriften in einer Petition, in der sie die Arbeit der Behörden bei der Verhinderung der Tat kritisieren. 

Einer der Anwohner, der sich an den Protesten beteiligte, Miralem Topalović, erklärte gegenüber der Nachrichtenseite Klix.ba, er nehme an den Protesten als "Rebellion gegen die Untätigkeit der staatlichen Institutionen" teil.

In einer seltenen Demonstration regionaler Solidarität legten die Demonstrant:innen in Belgrad - die seit einer Schießerei an einer Schule in der serbischen Hauptstadt im Mai mit 10 toten Schüler:innen, wöchentliche Kundgebungen gegen Gewalt abhalten - eine Schweigeminute in Solidarität mit den Opfern von Gradačac ein.

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