Vereinte Nationen: Gaza - Ort des Todes und der Verzweiflung

Palästinenser inspizieren nach israelischen Luftangriffen auf Chan Jounis Schäden an einem Haus, 31. Dezember 2023.
Palästinenser inspizieren nach israelischen Luftangriffen auf Chan Jounis Schäden an einem Haus, 31. Dezember 2023. Copyright Mohammed Dahman/Copyright 2023 The AP. All rights reserved.
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Von Christoph Debets mit AP
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Für die Vereinten Nationen ist die Lage im Gaza-Streifen unbeherrschbar geworden. UNICEF sieht mehr als eine Million Kinder tödlichen Gefahren ausgesetzt. Im Libanon kündigte Hisbollah-Chef Nasrallah Vergeltung für die Tötung eines Hamas-Führers in Beirut an. Dis Spannungen in der Region steigen.

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Die Vereinten Nationen habe die Lage im Gaza-Streifen nach mehr als drei Monaten Krieg als „unbeherrschbar“ bezeichnet.

Der Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten, Martin Griffiths sagte, drei Monate nach den schrecklichen Anschlägen vom 7. Oktober sei Gaza zu einem Ort des Todes und der Verzweiflung geworden.

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) vermeldete einen Anstieg der Fälle von Durchfall bei Kindern unter fünf Jahren von 48.000 auf 71.000 – in nur einer Woche. Nach Ansicht von UNICEF ist dies ein Hinweis auf schlechte Ernährung. Normalerweise werden im Gazastreifen jeden Monat nur 2.000 Durchfallfälle gemeldet, in der Woche vom 17. Dezember waren es durchschnittlich 3.900 pro Tag.

Lage im Gazastreifen "unerträglich"

In Rafah, das zur Heimat Zehntausender Vertriebener aus anderen Regionen der Enklave wurde, werden Kinder und Erwachsene von Ärzten in der Gesundheitsstation untersucht, einige davon mit Magenproblemen, Hautproblemen und Atemwegserkrankungen.

„Die drohende Ausbreitung einer Epidemie könnte zu mehr Todesfällen führen als durch den Krieg selbst“, sagte Dr. Mousa Aabed, Direktor der primären Gesundheitsversorgung im Gesundheitsministerium in Gaza.

„Derzeit verbreiten sich viele Krankheiten unter vertriebenen Bürgern, darunter auch Durchfallerkrankungen“, betonte Aabed und fügte hinzu, dass Atemwegsinfektionen, Hautkrankheiten und Würmer zu den häufigsten Fällen zählen.

Die Neuankömmlinge im südlichen Gazastreifen geraten in eine Landschaft des Elends. Das meiste verfügbare Wasser ist verschmutzt. Das Sanitärsystem ist kaputt und funktionierende Toiletten sind eine Seltenheit. Unter mehreren Großfamilien, die alle in Notunterkünften, Häusern oder auf der Straße zusammengepfercht sind, grassieren Krankheiten – Hautausschläge, Atemprobleme, Durchfall und andere Darmerkrankungen.

„Die Bedingungen dort sind unerträglich; es ist dreckig und riecht schlecht“, sagte Sabah Saad el-Dein, die aus Gaza vertrieben wurde, während sie wegen einer Infektion in ihrem Bein medizinisch versorgt wurde.

Das Problem sei nicht nur die Zunahme von Krankheiten unter Hunderttausenden Vertriebenen, sondern auch der Mangel an angemessener Behandlung, Medikamenten und Platz in den Krankenhäusern, meint Doaa Yousef, Kinderärztin in einer Gesundheitseinrichtung in Rafah.

Gestiegene Spannungen überschatten Reise von US-Außenminister Blinken in die Region

Die Spannungen in der Region nehmen zu. Der Libanon reichte beim UN-Sicherheitsrat eine Beschwerde ein, in der er Israel beschuldigt, bei dem Angriff, bei dem Hamas-Führer Saleh al-Arouri in Beirut getötet wurde, sechs Raketen abgefeuert zu haben.

Hisbollah-Chef Scheich Hassan Nasrallah kündigte Vergeltung für den Angriff auf al-Arouri an. Eine Antwort an Israel sei erforderlich, auch auf die Gefahr hin, dass die Kämpfe zwischen der Hisbollah und Israel eskalieren, andernfalls sei der gesamte Libanon anfällig für israelische Angriffe, sagte Nasrallah.

Er gab jedoch keine Hinweise darauf, wie und wann die Hisbollah vorgehen würde.

Der Angriff, bei dem der stellvertretende politische Führer der Hamas, Saleh Arouri, getötet wurde, gefährdete die monatelangen Bemühungen der Vereinigten Staaten, zu verhindern, dass sich der Krieg in Gaza zu einem regionalen Konflikt ausweitet.

„Wir können über einen Verstoß dieser Schwere nicht schweigen“, sagte Nasrallah, „denn dies bedeutet, dass alle unsere Leute zur Zielscheibe werden. Alle unsere Städte, Dörfer und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens werden der Gefahr von Angriffen ausgesetzt.“

Die Iraker sind wütend, nachdem ein amerikanischer Luftangriff einen Milizenführer in Bagdad getötet hat. Gleichzeitig versuchen die USA, Angriffe der vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen auf Handelsschiffe im Roten Meer abzuwehren.

Im Gaza-Streifen ist Israel dabei, seine militärischen Operationen im Norden zurückzufahren und seine schwere Offensive im Süden voranzutreiben, mit dem Ziel, die Hamas zu zerschlagen. Im Süden des Gaza-Streifens werden die meisten der 2,3 Millionen Bewohner und Binnenflüchtlinge in immer kleinere Gebiete gedrängt, während sie immer noch von israelischen Luftangriffen heimgesucht werden.

Seit Beginn des Gaza-Krieges hat die Hisbollah Raketen und Flugkörper auf den Norden Israels abgefeuert, was in fast täglichen grenzüberschreitenden Auseinandersetzungen zu einem Gegenangriff aus Israel führte. Nach dem Angriff am Dienstag in Beirut schien sich die libanesisch-israelische Front an einem kritischen Punkt zu befinden, der das Potenzial hatte, in einen umfassenden Krieg auszuarten.

Am Freitag griffen israelische Flugzeuge, Panzer und Artillerie mehrere Gebiete im Libanon an, nachdem Raketen und Flugkörper auf Israel abgefeuert worden waren. Die israelische Armee sagte, sie habe neue Angriffe gegen die „Hisbollah-Infrastruktur“ im Südlibanon durchgeführt.

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Bislang schreckt die Hisbollah von einer dramatischen Eskalation zurück, da sie sich vor einer Wiederholung des Krieges im Jahr 2006 fürchtet. Damals richteten israelische Bombardements im Libanon große Zerstörungen an.

Bei dem Angriff der Hamas vom Gazastreifen auf Südisrael am 7. Oktober, der den Krieg auslöste, kamen etwa 1.200 Menschen ums Leben, etwa 250 weitere wurden verschleppt. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in dem von der Hamas kontrollierten Gebiet sind durch Israels Luft-, Boden- und Seeangriffe im Gaza-Streifen mehr als 22.400 Menschen getötet worden, zwei Drittel davon Frauen und Kinder.

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